Ist die Länge der Karpfenrute noch entscheidend?

Bei Gesprächen mit Angelkollegen kam das Thema Länge der Karpfenruten auf. Dabei wurde auch die Frage gestellt, ob man heutzutage, wo sehr häufig ein Boot oder Futterboot zum Ausbringen der Montagen verwendet wird, noch eine gute Karpfenrute benötigt, und wenn ja, was diese leisten muss. Diese Frage brachte mich dazu, über dieses Thema einmal genau nachzudenken. Von Rick Warren

Alle Rigs sind ausgefahren, die Karpfenrute warten auf ihren Einsatz. Foto: Rick Warren

Alle Rigs sind ausgefahren, die Karpfenrute warten auf ihren Einsatz. Foto: Rick Warren

Beim Thema Länge einer Karpfenrute stellt sich zunächst einmal die Frage, auf welche verschiedene Art und Weise Karpfenruten in der modernen Karpfenangelei eingesetzt werden. Die Schlüsselworte lauten hier „Futterboot“ und „Ausfahren“, wenn man die Karpfenangelei auf dem europäischen Kontinent betrachtet. In England sieht die Situation anders aus, da der Einsatz von Futter-Booten strengen Reglementierungen unterworfen ist. Das Gute an der Verwendung eines Futter-Bootes, dass man zwangsläufig nicht mehr werfen können muss, um Karpfen zu fangen.

Meiner Meinung nach fühlen sich derzeit 80 Prozent der Karpfenangler „nackt“, sobald sie ohne Futter-Boot am Wasser sitzen. Wer wirft den heute noch aus, um eine Kante in siebzig Metern Entfernung zu befischen? Selbst zum Fischen am eigenen Ufer wird das Futter-Boot häufig eingesetzt. Nur der Deutlichkeit halber: ich habe nichs gegen die Verwendung von Futter-Booten. Karpfenangler sollten alle sich ihnen bietende Optionen nutzen, um erfolgreich zu sein, solange sie dabei andere Angler nicht behindern.

Ist die Länge der Karpfenrute ein veraltetes Konzept?

Durch die Tatsache, dass wir unsere Köder häufig ausfahren, sind die an eine Rute gestellten Ansprüche nun gänzlich andere. Das weite Auswerfen von schweren Gewichten, wie es noch vor einigen Jahren angesagt gewesen ist, hat heute an Bedeutung verloren. Benötigt man noch extrem große Startringe, spezielle Ringverteilungen mit wenigen großen Ringen, wenn die Rigs ausgefahren werden? Die primäre Funktion einer modernen Karpfenrute zum Distanzfischen besteht nur noch im sicheren Drill des Karpfens. Daher verwundert es mich, dass viele Hersteller diesem Sachverhalt noch nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Doch langsam scheint sich ein Wandel zu vollziehen.

Ohne Futterboot fühlen sich viele Angler beim Karpfenangeln eingeschränkt. Foto: Rick Warren

Ohne Futterboot fühlen sich viele Angler eingeschränkt. Foto: Rick Warren

Konzentriere ich mich verstärkt auf die Drilleigenschaften einer Rute, kann man über ein komplett neues Angelkonzept nachdenken. Der Blank zum Beispiel kann nun viel parabolischer konzipiert werden. Aber genügend Rückrat sollte sie dennoch haben, auch wenn die Aktion nun weniger steif ist. Die Ringe können auch kleiner ausfallen, da große Sic-Ringe, die sich auch im Preis niederschlagen, nicht mehr nötig sind. Die Rute kann auch ein Stück kürzer ausfallen. Ruten von 13 Fuß (3.90 Meter) und 12 Fuß (3.60 Meter) sind fürs reine Drillen unnötig.

Ich gehe soweit zu sagen, dass Ruten in diesen Standardlängen sich nachteilig auf den Drill eines Fisches vom Boot auswirken. Während eines Drills bieten kürzere Ruten von 11ft (3.35m) oder sogar 10ft (3.05m) viel mehr Kontrolle, und man kann einen gleichmäßigeren Druck auf den Fisch ausüben. Ein Nachteil kann hier sein, dass man die Rutenspitze nicht so schnell von einer auf die andere Seite des Bootes manövrieren kann, aber das ist auch schon alles. Beim Ausfahren habe ich die Rute im Boot und platziere den  Hakenköder in der Nähe eines Hindernisses oder einer Boje, um danach an das Ufer zurückzufahren. Der Gebrauch von 11 Fuß oder sogar 10 Fuß langen Ruten ist hier in der Praxis deutlich von Vorteil.

Die Drilleigenschaften von Karpfenruten werden (wieder) der zentrale Ausgangspunkt anstelle der Länge der Karpfenrute. Foto: Rick Warren

Die Drilleigenschaften von Karpfenruten werden (wieder) der zentrale Ausgangspunkt. Foto: Rick Warren

Karpfenrute im Drill

Beim Ausfahren mit einem Schlauchboot ragt normalerweise ein Rutenende über das Heck hinaus und erschwert das Absetzen der Rigs zwischen Hindernissen. Aber gerade an stark befischten Gewässern muss man die Karpfen in diesen Ruhezonen ausfindig machen und befischen. Auch das Keschern eines Fisches gestaltet sich mit einer kurzen Rute unkomplizierter, da man sich nicht weit über Bord lehnen muss, um ihn in das Netz zu bugsieren. Kurzum, die genannten Vorteile von kurzen Ruten haben dazu geführt, dass etwa die Firma Shimano kurze „Drillruten“ produziert. Die 11ft „Carp“ 2,75lb von Shimano sind ein gutes Beispiel für eine Allroundrute. Mit ihr kann man Rigs auswerfen und sie auch für die Fischerei mit dem Boot einsetzen.

Ein Modell in 10 Fuß und in  den Stärken von 2,75 und 3lb ist in Planung. Durch das starke Rückgrat ist es möglich, Fische von Hindernissen fernzuhalten. Durch die parabolische Aktion kommen Ausschlitzer, wie es bei steifen Ruten häufiger der Fall ist, selten vor.  Kurze Ruten eignen sich nicht nur zum Bootseinsatz, sondern können auch hervorragend  zum Werfen und Präsentieren der Montagen an kleinen Seen, Kanälen oder auch Poldern verwendet werden.

Auswerfen?Fehlanzeige! Viele Karpfenangler bringen ihre Monatge mit einem Boot aus. Foto: Rick Warren

Auswerfen?Fehlanzeige! Viele Karpfenangler bringen ihre Monatge mit einem Boot aus. Foto: Rick Warren

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