Böden im Baggersee: Straßen, Schlamm und Dschungel

Tobias Steinbrück erklärt die Bodenvielfalt im Baggersee – und zeigt, welche Tipps und Tricks zum Angelerfolg auf Karpfen führen.

Angler an der Uferkante eines Baggersees wirft die Angel aus.

Bild: T. Steinbrück

Baggerseen sind geil. Klares Wasser, abwechslungs­ reiche Struktur, eine arten­ reiche Flora und Fauna – und dadurch oft auch fette Fische!

Je älter ein Baggersee ist, desto interessanter wird er für uns. Und für die Tierwelt! Nachdem die Arbeiten am Tagebau eingestellt werden, füllt sich die Grube nach und nach mit Grund- und Regenwasser. Alte Straßen, steile Uferkanten, Plateaus, Kies- und Sandbänke sowie Löcher bilden dann für den aufkommenden Fischbestand die ersten Strukturen. Manche Baggerseen liegen auch nie trocken, sie werden mit Schwimmbaggern „bearbeitet“. Das ist sehr unterschiedlich. Was aber für alle dieser Seentypen zutrifft: Werden sie vom Menschen in Ruhe gelassen, verändern sie sich immer weiter. Und zwar ins Positive, es entstehen kleine Paradiese für unterschiedlichste Tier- und Pflanzenarten! In den Mulden im Boden setzen sich abgestorbene Pflanzenteile, Laub und Schwebstoffe ab.

Eine natürliche Speisekammer entsteht. Ein Nährboden für Schlammröhrwürmer – die bei den Karpfen ganz weit oben auf der Speisekarte stehen – entwickelt sich. Sind die Uferkanten erst mit Schilf und Bäumen sowie Büschen zugewuchert, finden oft Kamberkrebse und Bachflohkrebse ein ausgezeichnetes „Wohnzimmer“ vor. Über die Jahre siedeln sich in den Kiesgruben ganze Horden von Dreikantmuscheln an. In großen Mengen kleben sie dicht an dicht an Steinen, auf Plateaus oder an abgestorbenem Holz, einer alten vergessenen Baggerschaufel, oder eben auch beispielsweise an einem alten Fahrrad, das im See entsorgt wurde …

Genau diese Fische machen den Reiz von Baggerseen aus! Foto: T. Steinbrück

Bild: T. Steinbrück

Genau diese Fische machen den Reiz von Baggerseen aus!

Bedingt durch die Vielzahl der potentiellen Hotspots kann es für den Karpfenangler schwierig sein, sich für eine geeignete Stelle zu entscheiden. Grundsätzlich gilt: Alle Stellen können zum Erfolg führen. Vorausgesetzt, Du hast das richtige Rig dabei, und angelst zur richtigen Zeit am rechten Ort.

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Pflanzen im Baggersee: Dschungel unter Wasser

Baggerseen, an denen kein Abbau mehr stattfindet, sind sehr klar. Das Sediment, welches durch Baggerarbeiten aufgewirbelt wurde, sinkt zum Grund. Licht dringt tief ins Gewässer, Wasserpflanzen aller Art beginnen zu wachsen. Mithilfe von Schnorchel und Taucherbrille, Aquascope, Echolot, einer Drohne oder auch ganz simpel mit einer Polarisationsbrille kannst Du Krautfelder gut erkennen. In ihnen wirst Du bei genauer Betrachtung freie Flächen oder gar richtige „Gänge“ finden. Karpfen nutzen diese „freien Straßen“ im grünen Dschungel, um von Stelle A zu Stelle B zu kommen. Wer solche Stellen findet und seine Montage dort ablegt, kann zu jeder Jahreszeit mit Bissen rechnen. Karpfen lieben Kraut, und zwar das ganze Jahr über! Es gibt ihnen Sicherheit, Ruhe und ausreichend Nahrung.

Durch das klare Wasser der Baggerseen entsteht ein Dschungel unterschiedl­ichster Unterwasserpflanzen. Diese produzieren Sauerstoff und dienen Krebstierchen und Larven als Deckung. Eine natürliche Speisekammer! Foto: T. Steinbrück

Bild: T. Steinbrück

Durch das klare Wasser der Baggerseen entsteht ein Dschungel unterschiedl­ichster Unterwasserpflanzen. Diese produzieren Sauerstoff und dienen Krebstierchen und Larven als Deckung. Eine natürliche Speisekammer!

Obacht ist jedoch in sehr heißen Sommermonaten geboten. Wenn das Wasser sehr warm ist, löst es wenig Sauerstoff. Am Tage produzieren Pflanzen Sauerstoff, das zieht Karpfen an. In der Nacht zehren Pflanzen den produzierten Sauerstoff jedoch wieder. Das bedeutet, es kommt im grünen Dschungel zum Sauerstoffabfall. Das veranlasst unsere Zielfische, die Region über Nacht zu verlassen. Angele dann besser am Tage im Kraut, und in der Nacht an krautfreien Gewässerabschnitten.

Willst Du Deine Montage im Kraut ablegen, benutze eine geflochtene Hauptschnur! Diese sägt sich später im Drill förmlich durch das Kraut. Nutze Drop Off-Montagen, bei denen sich das Blei oder der Stein löst, nachdem der Fisch sich gehakt hat und flüchtet. Karpfen, die ohne Gewicht gedrillt werden, kommen oft nach oben. Mit etwas Glück kannst Du den Fisch über dem Kraut drillen. Verschwindet der Karpfen dennoch im Dickicht, ist das baumelnde Gewicht hinderlich, wenn nicht sogar gefährlich. Es verhakt sich im Kraut und kann schnell dazu führen, dass der Fisch ausschlitzt. Es gibt auch Gewässer, an denen der Boden komplett mit Kraut bedeckt ist. Hier kommst Du nicht um das Chod Rig herum!

Karpfen nutzen Berge und Straßen im Baggersee

Erhebungen, wie alte Straßen und Plateaus, sind sehr oft mit Dreikantmuscheln behaftet. Eine natürliche Speisekammer per excellence sozusagen. Des Weiteren dienen Plateaus Karpfen offensichtlich als Orientierung. Sie werden immer und immer wieder von den Fischen angeschwommen. Gerade im Winter bieten sie Deckung vor kalter Ostluft und sie ermöglichen es den Fischen, zügig und mit wenig Aufwand von tiefen Bereichen in flachere zu gelangen. Wer ein Plateau beangelt, sollte oben drauf und am tiefen Ende fischen. Je nach Wassertemperatur, Wasserströmung und Luftdruck stehen die Karpfen an anderen Stellen.

Hand voller kleinen Muscheln.

Bild: T. Steinbrück

Muscheln – oder noch besser, kleine Haufen geknackter Muschelschalen – markieren interessante Stellen an Bergen. Sie beschädigen aber die Schnur!

Schon oft habe ich es erlebt, dass eine Seite des Plateaus besser war als die andere Seite. Es gilt hier, experimentierfreudig zu sein. Drillst Du einen Karpfen in der Nähe eines Plateaus, musst Du davon ausgehen, dass die Schnur über scharfkantige Steine und Muschelbänke rutscht. Eine monofile Schlagschnur mit einem minimalen Durchmesser von 0,50 Millimeter ist Pflicht – besser noch dicker. Manche Plateaus sind so fies, dass sie jede Schnur ruinieren. Dann ist eine Subfloat-Montage die einzige Alternative!

Subfloats im Eigenbau

U-Posen kann man kaufen. Oder selbst bauen – das ist meist günstiger und total easy! Tobias hat zwei Varianten für euch: Entweder benutzt ihr ein Styropor-Ei (oder eine Kugel), oder ein Plastik-Osterei. Beides bekommt ihr im Bastelbedarf oder im Internet für ein paar Cent.

Das Styropor-Ei fädelt ihr einfach auf ein doppel gelegtes Stück Mono und schmelzt das überstehende Mono-Ende am Styropor fest. Beim Osterei müsst ihr darauf achten, dass das Loch (in welchem das Plastiköhr steckt), mit Sekundenkleber richtig abgedichtet ist. Sonst läuft das Ei voll. Die Subfloat kann entweder auf der Wasseroberfläche treiben, oder ihr zieht sie einige Zentimeter darunter. So werden keine neugierigen Kanufahrer oder Bootsangler auf euren Spot aufmerksam.

Selbstgemachtes Ei-Rig

Bild: T. Steinbrück

Subfloats benötigt ihr, wenn das Kraut extrem hoch steht und sehr dicht ist. Die Hauptschnur muss über den Pflanzen verlaufen, sonst setzt sie sich hoffnungslos fest.

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Angeln im Schlamm: Diese Stellen solltest Du ausprobieren!

An manchen Baggerseen wird Kies abgebaut. Nach dem Abbau wird er gewaschen, dadurch wird Sediment ins Gewässer eingetragen. Dieses setzt sich irgendwann, wenn am See Ruhe einkehrt, am Boden ab. Meist sind es Mulden oder Rinnen, in denen sich über mehrere Jahre hinweg eine Schlammschicht bildet. Und Karpfen lieben es, im Schlamm zu wühlen! Schon alleine wegen der Schlammröhrenwürmer. Diese Stellen findest Du am besten mit einer Taststange (Prodding Stick) oder eines Tastbleis. Mit der Stange erfährt man mehr über den Boden, da die Übertragung direkter ist. Beim Blei braucht man etwas Erfahrung: Steckt es immer wieder leicht fest beim Anheben? Sehr gut! Du hast einen weichen Bereich gefunden.

Meist gibt es an diesen Stellen kein Kraut oder andere Hindernisse. Du kannst also relativ sorgenfrei angeln. Köder und Blei sollten nicht zu schwer sein, sonst versinkt alles im weichen Boden. Pop Ups, Snowmans oder Wafter sind sehr gut geeignet. Sie legen sich in Zeitlupe auf das Sediment, oder schweben darüber. Ein leichtes Blei von 60 bis 80 Gramm reicht aus – es versinkt leicht im Boden, der Fisch muss es aus dem Schlamm ziehen. Dieser Gegendruck reicht aus, um Fisch sicher zu haken.

Bodenprobe aus schlammigen Grund

Bild: T. Steinbrück

Weiches Sediment setzt sich oft in Kuhlen oder Löchern ab. Solche Stellen solltest Du grundsätzlich ausprobieren, denn darin können Schlammröhrenwürmer leben.

An der Uferkante des Baggersees

Die meisten Kiesgruben haben steil abfallende Uferkanten. An diesen Uferkanten ziehen die Karpfen in der Regel im zeitigen Frühjahr, aber auch im Sommer entlang. Gerade die frühen Morgenstunden sind ideal, um die Karpfen aktiv dort zu suchen. Mit einer Polbrille und mobilem Tackle kann ich jedem empfehlen, einen Gang ums Gewässer zu machen. Du wirst klare und eingetrübte Uferböschungen finden. Die eingetrübten sind meist ein Anzeichen für fressende Karpfen. Manchmal findet man auch überhängendes Buschwerk, ganze Bäume oder Schilf am sonst so kargen und monotonen Baggerseeufer. Karpfen suchen solche Bereiche immer wieder auf.

Du hast mehrere Alternativen: Du kannst an diesen Stellen instant fischen oder Dir einen Futterplatz aufbauen! Ein Groundbaiter genügt, um das Futter an der Uferböschung zu verstreuen. Ideal sind halbierte Boilies und Partikel. Die bleiben direkt an der „Schräge“ hängen und rollen nicht nach unten in die tiefen Zonen. Übrigens sind diese Bereiche gerade im Sommer bei auflandigen Wind sehr gut mit Sauerstoff angereichert. Nutze diese Tatsache aus, um auf ganz kurze Distanz erfolgreich zu sein.

Fische schwärmen um Totholz und Wurzeln im Wasser.

Bild: T. Steinbrück

Selbst kleine Strukturen, wie Totholz oder Seerosen, wirken auf die Fische an monotonen Uferkanten anziehend.

Angeln an Badestränden?

Badebereiche sind ein echter Joker am Baggersee! Falls Du einen See findest, an dem Du am Badebereich angeln darfst, solltest Du Dich während der Saison nachts dort hinsetzen. Oder direkt nach der Badezeit! Ein Badestrand ist immer unruhig, aber auch aus diesem Grund bei Karpfen beliebt. Von Badegästen geht keine Gefahr aus, das lernen die Fische sehr schnell. Der Badegast wühlt den Boden auf, der Karpfen verspeist die darin enthaltenen Kleinstlebewesen. Selbst zwischen Badegästen konnte ich schon springende Karpfen sehen. Anfüttern ist hier nicht nötig!

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Achtung, Nebel!

Nebeliges Wasser.

Bild: T. Steinbrück

Verwechsle den „Nebel“ nicht mit Fresstrübung! Diese breitet sich in der gesamten Wassersäule aus.

In manchen Baggerseen bildet sich auf kleinem Raum eine Art „Nebel“ am Grund, hier oben ist das sehr gut zu erkennen. Tobias hat die Erfahrung gemacht, dass solche nebligen Bereiche von den Fischen gemieden werden. Verwechsele den Nebel nicht mit Fresstrübung, die entsteht, wenn Karpfen weiches Sediment aufwirbeln. Fresstrübung zieht sich über mehrere Meter durch die Wassersäule, in flachen Bereichen sogar bis zur Oberfläche. Diese Stellen sind total heiß, während der Nebel höchstwahrscheinlich von den Fischen gemieden wird.

Wir haben beim IGB Berlin (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei) nachgefragt, worum es sich handeln könnte. Der Ökohydrologe Jörg Lewandowski konnte das Mysterium leider nicht anhand eines Fotos lösen. Unsere Vermutung, dass es sich um ausströmendes, sauerstoffarmes Grundwasser handelt, hält er für unwahrscheinlich: „Grundwasser ist in der Regel klarer als Seewasser. Außerdem gehe ich davon aus, dass Grundwasserzustrom in einem Baggersee großflächig und diffus erfolgt und nicht punktuell. (…) Man müsste sich die Situation vor Ort anschauen und analysieren, um was es sich handelt (chemische Parameter, mikrobiologische Parameter etc.), aber auch wie die Sedimentbeschaffenheit und das Einzugsgebiet aufgebaut sind.“

Dieser Artikel erschien zuerst im KARPFEN 4/2020. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe!


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