Mecklenburg-Vorpommern mit seinen zahlreichen Seen gehört zu den Regionen, die man als Karpfenangler unbedingt einmal gesehen bzw. befischt haben sollte. Deshalb hat sich KARPFEN-Chefredakteur Gregor Bradler in den Osten aufgemacht und dort ein Gewässer mit gewaltigem Potenzial entdeckt, das allerdings nicht leicht zu befischen ist: den Jabler See.
Herausforderung im Osten
Nach einer achtstündigen Autofahrt komme ich mit meinem Angelkollegen Roman am Fischereihof Rotunde in der Nähe der Ortschaft Jabel an. Hier sind wir mit David Hagemeister, dem Chef des Guiding-Unternehmens Pronature MV verabredet, der uns das Gewässer, für das wir uns nach Absprache mit ihm entschieden haben, zeigen möchte.
Sofort nach der Ankunft gehe ich auf den Bootssteg des Fischereihofs und werfe einen Blick auf den Jabler See, der auch unter dem Namen Jabelscher See bekannt ist. Da haben wir uns aber ein großes Gewässer ausgesucht. Wie mir David später berichten wird, hat der See eine Größe von 340 Hektar. Das ist im Vergleich zu den westdeutschen Baggerseen mit Größen um 15 Hektar, die ich normalerweise befische, schon ein ordentlicher Brocken. Und der Jabler See ist bei weitem nicht das größte Gewässer in der Region. Der nicht weit entfernte Fleesensee ist mit seiner Größe von 1200 Hektar noch ein ganz anderes Kaliber.
Gute Vorlage
Dann kommt schon David in seinem Boot angebraust, um uns abzuholen. Er sitzt zusammen mit seinen Freunden Tommy und Peter im Südteil des Sees. Sie haben schon ein paar schöne Fische fangen können, die jetzt in den Karpfensäcken auf einen Fototermin warten. David hat für uns ebenfalls eine Stelle im Südteil ausgesucht. Sie befindet sich in der Nähe seines Camps. Wir erfahren, dass dieser Bereich des Sees reich an Struktur ist. Es gibt dort interessante Flachwasserzonen, Plateaus, Kanten und Rinnen. Dieser Teil ist im Gegensatz zum Nordteil, der vom Profil her eher einer Badewanne ähnelt, ziemlich flach.
Gerade im Frühjahr, wenn sich das Wasser im Flachen schnell erwärmt, ist ein Ansitz in diesem Seeteil äußerst Erfolg versprechend. Der nördliche Teil besitzt außerdem nur wenige Uferangelstellen, die allerdings mit dem Auto erreicht werden können. Da kann es dann gerade am Wochenende oder in der Ferienzeit schon mal voll werden. Der Südteil hat allerdings auch einen Nachteil: Man erreicht die dort gelegenen Stellen fast nur mit Hilfe eines Bootes. Während der Fahrt zu unserer Angelstelle stelle ich David die Fragen, die einen Karpfenangler wohl am meisten interessieren: Wie ist der Karpfenbestand in diesem Gewässer, und wie schwer war der kapitalste Fisch aus dem Jabler See? Und was ich höre, ist vielversprechend: David schätzt, dass im See zwischen 300 und 500 Karpfen schwimmen. Hauptsächlich werden Spiegelkarpfen gefangen, Schuppis gehen sehr selten an den Haken. Das Verhältnis von Spiegler zu Schuppis liegt bei 20:1. Der inoffizielle Seerekord steht bei beachtlichen 59 Pfund. Es ist also richtig was drin, in dem von den torfigen Böden angebräunten Wasser des Jabler Sees.
Als wir an unserem Platz für die nächsten Tage ankommen, fällt der erste Eindruck positiv aus. Vor uns befindet sich eine Schneise im Schilf, in dem man zwei Rod Pods platzieren kann. Die Stelle bietet genügend Platz, um zwei größere Zelte aufbauen zu können. Der Schilfgürtel bzw. die Schilfschneisen sind charakteristisch für diesen Seeteil.
Sie dienen den zahlreichen Bootswanderern, die auf den untereinander verbundenen Seen der Mecklenburgischen Seenplatte Touren unternehmen, als Ankerplätze. Diese Stellen können auch von den Anglern genutzt werden. Allerdings muss man manch unvorsichtigem Freizeitkapitän manchmal erklären, dass er an einem Platz, an dem gerade geangelt wird, nicht anlegen kann. Beim Aufbau der Rod Pods wird schnell deutlich, dass für die Gewässer in Mecklenburg-Vorpommern nicht jedes Modell geeignet ist. Weil einem das Wasser am Ende des Schilfschneise schon mal bis zur Brust stehen kann, benötigt man ein Rod Pod mit sehr langen Beinen. Nachdem ich an die Füße meines Ranger Pods zwei Paar extra lange Banksticks geschraubt hatte, war die Rutenablage einsatzbereit. Roman verzichtete auf sein Pod und verwendete stattdessen lange Banksticks. Ein weiterer wichtiger Ausrüstungsgegenstand sind Funkbissanzeiger. Denn der Abstand zwischen Ruten und Zelt kann schon mal etwas größer sein. Und wenn dann ein starker Wind weht und Regen auf das Zelt prasselt, ist man für den Empfänger im Zelt dankbar, der jeden Zupfer zuverlässig anzeigt.
Wenn sich der Aufbau des Rod Pods etwas komplizierter gestaltet, so sind die Montagen ziemlich einfach: Mit einem herkömmlichen Safety Bolt-Rig, Bleigewichten zwischen 140 und 200 Gramm und einem starken Haken der Größe 4 ist man bestens gerüstet. David und seine Freunde haben mit einem maximal 15 Zentimeter langen, geflochtenen Vorfach beste Erfahrungen gemacht. Wichtig ist, dass man wegen der zahlreich vorkommenden Muscheln und Steine eine dicke, monofile Schlagschnur verwendet (etwa Snag Leader Line von Fox mit einem Durchmesser von 0,60 Millimeter). Weil man oftmals weit hinaus muss, um die fängigen Stellen zu erreichen, benötigt man eine Rolle mit hoher Schnurfassung (mindestens 400 Meter 0,30er). Dazu passt eine Rute mit einer Testkurve von 2,75 lb. Bei einem unserer vorangegangenen Telefonate berichtete David, dass die Karpfen im Jabler See bei den Boilies keine besonderen Vorlieben haben. Deshalb setzen Roman und ich auf Kugeln, die sich schon an meinen Hausgewässern bewährt haben: Die Gulp! Carp-Range von Berkley. Drei Sorten habe ich im Gepäck: Tuna & Spice, Squid & Liver und Fresh Fruit One. Ich schwöre auf die fischigen Sorten, mit denen ich schon gute Karpfen auf die Matte legen konnte, habe aber mit Fresh Fruit One auch noch eine fruchtige Alternative, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Außerdem haben wir noch zwei Eimer mit einer Partikelmischung, bestehend aus Mais, Weizen, Hanf und Tigernüssen dabei. Bei drei Ruten pro Angler und einem hohen Weißfischbestand sollte man genügend Futter im Gepäck haben: 20 bis 30 Kilo Boilies und die gleiche Menge an Partikeln dürfen es für eine einwöchige Session schon sein.
Kribbelnde Fotosession
Bevor wir unsere Ruten ausbringen, gehe ich zu Davids Camp, um ihn und seine Freunde mit ihren Fängen zu fotografieren. Und während ich auf den Auslöser der Kamera drücke, spüre ich schon ein leichtes Kribbeln in den Fingern. Denn ich darf David, Peter und Tommy mit drei schönen Karpfen ablichten. Der größte des Trios bringt Mitte 30 Pfund auf die Waage. Bilder von solch tollen Fischen würde ich auch gerne mit nach Hause bringen.
Nach der Fotosession verlieren wir keine Zeit und bringen gemeinsam mit David unsere Montagen aus. Ausbringen ist das richtige Stichwort. Um am Jabler See und allen größeren Gewässern in Mecklenburg-Vorpommern erfolgreich angeln zu können, benötigt man ein Schlauchboot, weil die meisten Spots nicht angeworfen werde können. Auch gedrillt wird vom Boot, da die Karpfen sich häufig im Kraut oder im Schilf festsetzen. Die Regelung, dass man am Jabler See mit drei Ruten pro Angler fischen darf, sollte man dazu nutzen, um unterschiedliche Bereiche des Sees abzudecken. Die erste Montage wird direkt am Schilf abgelegt, die zweite in einer Rinne etwas weiter draußen, und die dritte platzieren wir auf einem Plateau. Roman beangelt diese Sandbank ebenfalls mit zwei Ruten und platziert seine dritte Montage am Schilf. David rät uns, nicht konzentriert anzufüttern, sondern das Futter in einem größeren Radius zu verteilen, damit die Fische zum Suchen animiert werden. Wegen des Schiffsverkehrs muss jeder Angler, der am Jabler See fischen will, einen Vorrat an Absenkbleien dabei haben und sie auch einsetzen. Sonst kann es passieren, dass nicht ein flüchtender Karpfen die Rollenbremse kreischen lässt, sondern ein Urlauberhausboot, das die Schnur eingesammelt hat. Wer auf größere Distanz angelt, muss sogar zwei Backleads in die Schnur hängen, um auf Nummer sicher zu gehen. Während wir die Montagen ausbringen, behalte ich das Display des Echolots im Auge und bin erstaunt: Die ganze Zeit werden Fisch-Signale angezeigt: Weißfische, Karpfen und Raubfische. In dem See wimmelt es von Fischen. Nach dem Ausbringen der Montage sitzen wir noch lange vor unseren Zelten und genießen die herrliche Abendstimmung. Gegen Morgen läuft eine von Romans Ruten ab. Um zu verhindern, dass sich der Fisch unlösbar im Kraut festsetzt, springt er ins Boot und rudert über den Fisch. Erst dann beginnt der eigentliche Drill. Alles geht gut, und so liegt schließlich der erste Karpfen unseres Trips an den Jabler See auf der Abhakmatte. Es ist ein Spiegler von etwa 14 Pfund. Das geht ja ganz gut los, denke ich mir.
Gedämpfter Optimismus
Aber mein Optimismus erhält in den nächsten Tagen einen ordentlichen Dämpfer. Denn das Wetter schlägt Kapriolen: Erst ist es so warm, dass man auch nachts kaum schlafen kann, dann ziehen Gewitter mit Sturm auf, und darauf folgt ein radikaler Temperatursturz. Wir fangen ein paar Brassen, und ich verliere einen Karpfen, der direkt am Schilf gebissen und sich unlösbar in einem Pflanzenfeld festgesetzt hat. Wir versuchen alles, probieren neue Plätze aus, ändern die Futterstrategie und arbeiten sogar mit PVA-Sticks und Stringern. Aber keine Strategie bringt den gewünschten Erfolg. Aber wen wunderts, wenn einem das Wetter so übel mitspielt? Etwas besser läuft es bei David, Peter und Tommy. Sie können in den folgenden Nächten noch ein paar schöne Fische fangen, die ich morgens fotografieren kann. Wahrscheinlich liegt das daran, dass sich auf ihren Plätzen schon seit mehreren Wochen Futter befindet.
Die Müritzfischer, die den Jabler See bewirtschaften, habe die Zeichen der Zeit erkannt und Regeln aufgestellt, die Karpfenanglern sehr entgegenkommen: So ist es ausdrücklich erlaubt, Karpfen vor einer Fotosession im Karpfensack zu hältern. Außerdem müssen große Karpfen schonend zurückgesetzt werden. Nach zwei Tagen ohne bemerkenswerte Aktion, rät uns David zu einem Stellenwechsel. Wir ziehen ein paar hundert Meter weiter und befischen nun einen relativ schmalen Teil des Sees. Karpfen, die durch das Gewässer patrouillieren, müssen also fast zwangsläufig an unseren Ködern vorbeikommen. Allerdings ist hier erhöhte Vorsicht aufgrund der Schiffe geboten, die ebenfalls dieses Nadelöhr passieren. Also hängen wir lieber zwei Absenkbleie in die Schnur jeder ausgefahrenen Rute. Nachdem abends die Ruten liegen, sitze ich auf meinem Stuhl und frage mich, ob sich der ganze Aufwand, der mit einem Stellenwechsel verbunden ist, wirklich auszahlen wird.
Späte Belohnung
Am nächsten Morgen gegen sechs Uhr erhalte ich die Antwort. Der Bissanzeiger gibt drei, vier Piepser von sich. Weil die Montagen ziemlich weit draußen liegen, bin ich mir fast sicher, dass sich ein Karpfen selbst gehakt hat.
In Windeseile ziehen wir unsere Wathosen an und springen ins Schlauchboot. Roman rudert mich über den Fisch, während ich lediglich Kontakt halte und Schnur einkurbele. Als wir am Platz, wo die Montage am vorigen Abend abgelegt wurde, angekommen sind, beginnt der Drill. Zunächst hängt der Karpfen im Kraut fest, aber nach kurzer Zeit kann ich ihn befreien. Einige Minuten später schließen sich die Keschermaschen um einen schönen Spiegler. Ein hoher 20er ist es, da bin ich mir sicher. Aber hat er sogar 30 Pfund? Das Wiegen schafft Klarheit: Bei 29 Pfund bleibt der Zeiger der Waymaster stehen. Leider sollte dieser Karpfen der letzte Fisch unserer Tour bleiben. Am nächsten Tag bringt uns David mit seinem Boot wieder zum Fischereihof, wo unser Auto auf einem abgeschlossenen Parkplatz auf uns wartet. Während der Heimreise ziehen wir folgendes Fazit: Der Jabler See ist kein Gewässer, in dem man auf Bestellung fängt. Aber er hat ein großes Potenzial und ist genau das richtige Reiseziel für Karpfenangler, die die Erholung und das Abenteuer in der Natur suchen. Und vielleicht klappt es beim nächsten Mal ja auch mit dem Wetter und den großen Karpfen. Jetzt kommentieren: Habt Ihr schon Erfahrungen am Gabler See gemacht? Fänge, Fakten & Fun: Hier geht’s zur Community von angeln.de Zielfisch Karpfen: Alle Fakten Praxis Karpfen: Die beste Strategie für die Oberfläche