Es ist ruhig geworden um den einst sagenumwobenen Fluss im Südwesten Deutschlands. Die Rede ist natürlich vom Neckar und seinen Bewohnern! Galt er in den Neunzigern und frühen Zweitausendern noch als das Großkarpfen-Gewässer Nummer Eins in Deutschland, sorgt er heute kaum noch für Gesprächsstoff in der Karpfenszene. Kamen damals Angler aus ganz Deutschland ins Neckartal geströmt, muss man heute schon die Augen offen halten, um auf Angler zu stoßen, die dem Neckar-Karpfen nachstellen. Was ist in der Zwischenzeit passiert und noch viel spannender, wie hat sich der Neckar und insbesondere sein Karpfenbestand in den letzten Jahren entwickelt? Ich lebe seit vielen Jahren unweit des Flusses und weiß, was möglich ist!
Todesstoß der Neckar-Karpfen
Anfang der 2000er wurde die Angelei auf die Neckar-Karpfen immer härter und schwerer. Viele Stunden mussten investiert werden, um erfolgreich zu sein. 2005 ging schließlich das Kernkraftwerk in Obrigheim vom Netz, das bis dato dafür sorgte, dass das Wasser im Neckartal auch im tiefsten Winter konstant über acht Grad „warm“ war.
Damals befürchteten viele Angler, dass der gemächlich dahinfließenden Fluss mit seinem grünlich braun schimmernden Wasser nun weitaus weniger große Fische hervorbringen könnte. Und tatsächlich wurde der nächste und vorerst letzte Neckarriese nicht mehr aus dem Neckartal zwischen Hirschhorn und Neckargerach, sondern von der Kraftwerksstrecke in Neckarwestheim kurz vor Stuttgart gemeldet. Klaus Schneiderhan fing den „Barthel-Fisch“ 2007 mit knapp 27 Kilo. Gerüchten zu Folge soll dieser Neckar-Karpfen tatsächlich sogar noch die 30-Kilo-Marke durchbrochen haben, bevor auch er nie mehr wieder gesehen wurde.
Tatsächlich war es dann der Ausbruch des Koi-Herpes-Virus im Sommer 2008, der den Karpfenbestand im Neckar den Todesstoß gab und das Karpfenangeln aussichtslos machte. Ein Großteil des Bestandes raffte dahin, an den Staustufen füllten die Kadaver toter Fische ganze Container. Die vom Regierungspräsidium angeordneten Besatzmaßnahmen schlanker Schuppenkarpfen sorgten außerdem dafür, dass seitdem viel weniger der schnell wachsenden Spiegelkarpfen den Fluss bevölkern, als es in den goldenen Jahren der Fall war.
Totgesagte leben länger
Seit 2013 geht es allmählich wieder bergauf am Neckar. Von der Mündung bis nach Stuttgart hört man wieder häufiger von Karpfenfängen – darunter auch gute, und (wenige) sehr gute Fische. Dennoch kann man den Fluss natürlich nicht mit dem von vor 25 Jahren vergleichen. Das Neckar-Wasser ist deutlich sauberer geworden, immer mehr Uferpartien sind im Sommer von großen Kraut-und Seerosenfeldern gesäumt und auch die Arten und Bestände haben sich verändert. Letztere sind längst nicht mehr so üppig. Ob Welse, Kormorane oder das phasenweise sehr klare Wasser daran Schuld sind – ich kann es nicht sicher sagen. Ich denke, an fast allen großen deutschen Flüssen spürt man dieses Phänomen.
Die Fischdichte ist einfach nicht mehr so hoch, wie es mal der Fall war. Während ich selbst noch als Jugendlicher quasi nebenbei Setzkescher voller Brassen, Rotaugen, Döbel und Nasen mit dem Futterkorb fing, muss man sich heute schon anstrengen, überhaupt was anderes mit Made und Wurm zu fangen, als Grundeln. Diese wiederum haben für einen Erholung der Zander- und Barschbestände gesorgt. Rotaugen und Laubenbestände scheinen ebenfalls indirekt davon zu profitieren, dass sich die Räuber besonders auf die Grundeln eingeschossen haben. Man erkennt also, dass das Leben im Fluss sich einem deutlichen Kreislauf unterwirft: Eine Veränderung ergibt die nächste, doch das muss nicht bedeuten, dass alles immer schlechter wird – im Gegenteil!
Neckar heute
In den letzten Jahren habe ich persönlich den Neckar nur Phasenweise beangelt. Ich widmete mich mehr dem Rhein, seinen Verbindungsgewässern und Häfen. Im Jahr 2019 habe ich mir den Neckar mal wieder richtig vorgenommen. Das bedeutet, ich habe ihn so intensiv beangelt, wie ich es schon seit bestimmt zehn Jahren nicht mehr getan hatte. Und ich kann sagen: Ja, der Neckar lebt! Besonders von der Anzahl der gefangen Fische war ich überrascht. Zwar waren natürlich auch viele kleinere und mittlere Neckar-Karpfen darunter, doch vereinzelt auch wirklich gute Exemplare. Sogar meine persönlichen Neckarrekorde konnte ich mit zwei Fischen von 25,7 und 28 Kilo ordentlich in die Höhe schrauben.
Durch zwei YouTube-Videos, die ich mit Jan Brauns für Naturebaits am Neckar drehte, scheint auch das Interesse anderer Karpfenangler, vor allem der jüngeren Generation, wiedergestiegen zu sein. Und siehe da, auch sie fangen ihre Neckar-Karpfen. Schneller Erfolg ist am Neckar sehr selten. Das beste Rezept ist definitiv, sich dem Fluss zu verschreiben und regelmäßig zu angeln. Stellt sich der Erfolg irgendwann ein, heißt es unbedingt dran bleiben – denn ist man am Fisch, sind auch kapitaleFänge möglich. Das habe ich am eigenenLeib erfahren: Ich bin überzeugt davon, dass man auf den meisten der nachfolgend beschriebenen Strecken einen Fisch über 20 Kilo fangen kann.
Drei Zonen
Für alle, die mal Lust haben, am Kultfluss Neckar ihr Glück auf einen von Neckar-Karpfen zu versuchen, dem möchte ich gerne ein bisschen bei der Orientierung behilflich sein. Grundsätzlich ist der Fluss von der Mündung in den Rhein in Mannheim bis hoch nach Stuttgart für die Karpfenangelei interessant.Die Strecken dazwischen habe ich in drei Angelzonen aufgeteilt: Die Strecke: „UntererNeckar“ reicht bis Höhe Neckargemünd von dort an geht es stromauf bis nach Stuttgart.
Zone 1: Der untere Neckar
Das letzte Stück des Neckars, in Mannheim, fließt ungebremst direkt in den Rhein. Es gilt als sehr schwieriges Stück – einerseits weil es voll kanalisiert ist und deshalb oft eine recht hohe Fließgeschwindigkeit hat, anderseits können die Fische zwischen Neckar und Rhein hin und herpendeln. Das hat zur Folge, dass es häufig so scheint, als wären nur selten Karpfen im Mündungsstück anwesend. Dafür spricht die Bissausbeute der Karpfenangler, die von dort selten Fänge melden, aber im Mannheimer Rhein relativ regelmäßig Karpfen an den Haken bekommen. Ein Indiz, dass diese These unterstreicht. Ein ganz anderes Bild bietet der Neckar dann aber auf den ersten durch Stauwehre getrennten Abschnitten in und um Heidelberg. Diese sind bekannt für ihre guten Wildkarpfenbestände.
Die typischen Neckarkarpfen vermehren sich seit Jahren ganz natürlich, was dazu führt, dass die Bestände hier noch genauso stark scheinen, wie in den goldenen Jahren. Allerdings sind Dreißigpfünder selten, Vierzigpfünder die absolute Ausnahme. Spiegelkarpfen sind rar und wenn sie gefangen werden, handelt es sich um uralte Fische, die ihre besten Jahre hinter sich haben. Ich persönlich habe den Eindruck, es fehlt einfach etwas frisches Blut, damit größere Fische abwachsen. Nahrung gibt es im unteren Neckar jedenfalls reichlich, zudem wird das Bild des Flusses hier durch zahlreiche Krautbänke geprägt. Ein Schlaraffenland für Karpfen. Weiter flussaufwärts Richtung Neckargemünd werden Spiegelkarpfen wieder häufiger und damit steigt auch das potentielle Durchschnittsgewicht. Allerdings sind auch im Neckartal, das in diesem Gebiet beginnt, seit Jahren Schuppenkarpfen auf dem Vormarsch und bilden mittlerweile auch hier das Gros des Bestandes.