Angeln auf Karpfen: Carp-Strategie – kleine Kugel, große Wirkung!

Ein Mini-Schneemann, bestehend aus einer kleinen Kugel und einem hell leuchtenden Pop-Up, ist ein echter Blickfang auf dem Futterplatz.

Mit großen Ködern fängt man große Fische. Beim Karpfenangeln trifft diese Weisheit nicht immer zu. Denn manchmal fängt man mit kleinen Boilies besser als mit großen Kugeln. Wo die Vorteile der Minis liegen und wie man sie richtig einsetzt, zeigt Ihnen Gregor Bradler.

Als ich vor vielen Jahren mit dem Karpfenangeln begann, zog ich meistens Partikel aufs Haar. Mais und Kichererbsen waren damals meine Favoriten. Diese Köder brachten mir regelmäßig schöne Karpfen auf die Abhakmatte. Die Zahl der Bisse war manchmal so hoch, dass ich nur mit einer Rute angeln konnte. Die Fische waren ganz wild auf die Körner und Erbsen, die ich großzügig und großflächig an meiner Angelstelle verteilt hatte. Sie hatten sich in einen wahren Fressrausch hineingesteigert und die ihnen oft nachgesagte Scheu komplett abgelegt.

Ein Mini-Schneemann, bestehend aus einer kleinen Kugel und einem hell leuchtenden Pop-Up, ist ein echter Blickfang auf dem Futterplatz.

Genau das ist das Schöne an Partikelködern wie Mais, Kichererbsen, Hanf und Weizen. Die Karpfen bewegen sich wie Staubsauger über den Platz und saugen das Futter ein. Wenn sich mehrere Fische eingefunden haben, kommt Futterneid auf. Jeder will das größte Stück vom Kuchen haben, oder anders gesagt, die meisten leckeren Körner oder Erbsen. Dabei werden die Karpfen unvorsichtig. Selbst wenn einer ihrer Artgenossen gehakt werden sollte, lassen sie sich davon nicht abschrecken. Sie verlassen den Futterplatz nur kurz und kommen sofort wieder, wenn etwas Ruhe eingekehrt ist. Manchmal bleiben die Fische sogar an der Stelle und fressen seelenruhig weiter – selbst wenn gerade ein Karpfen gedrillt wird. Am Anfang funktionierte diese Strategie sehr gut. Immer mehr Angler begannen, mit Partikeln zu füttern und zu fischen. In der Folgezeit wurden die Fangergebnisse kontinuierlich schlechter. Irgendwann hatten die Karpfen herausgefunden, dass ein Platz, an dem viele Maiskörner oder Kichererbsen lagen, keine Theke im Schnellrestaurant war, an der man sich gefahrlos bedienen konnte. Sie wurden vorsichtiger, und wenn ein Karpfen gehakt wurde, nahmen die anderen Fische erst einmal Reißaus. Konnte man vorher sechs oder sieben Karpfen an einem Vormittag fangen, waren jetzt nur noch ein oder zwei Rüssler drin. Manchmal ging man sogar als Schneider nach Hause.

Karpfen stehen auf kleine Kugeln. Bei den Mini-Ködern geraten die Rüssler häufig in einen wahren Fressrausch.

 

Minis für den Fressrausch

Nach einiger Zeit stieg ich um auf Boilies in Durchmessern von 18, 20 und 24 Millimeter. Die Fangkurve stieg wieder an. Auch größere Exemplare konnte ich mit diesen Ködern überlisten. Aber nach ein paar Jahren ging das Spiel wieder von vorne los: Die Fänge verschlechterten sich zusehends. Wieder hatten die Karpfen gelernt, dass von den leckeren Kugeln Gefahr ausging. Vergleicht man ein Kilo Boilies mit einem Kilo Partikel, wird man feststellen, dass die Anzahl der Köder bei den Kugeln deutlich geringer ist. Beim Anfüttern mit Boilies befinden sich somit weniger Köder im Wasser. Die Fische verfallen nicht in einen Fressrausch. Vielmehr haben sie die Möglichkeit, einen Köder zu prüfen und ihn bei Verdacht sofort auszuspucken. Was war die Lösung für dieses Problem? Komplizierte Montagen, die das Ausspucken des Köders verhindern sollen, sind nicht mein Ding. Ich machte mir Gedanken, wie man die vorsichtigen Karpfen dazu bekommen kann, ihre Scheu abzulegen und wie entfesselt zu fressen. In Erinnerung an längst vergangene Zeiten, nenne ich das den „Partikel-Effekt“.

Für die Herstellung des Boilie-Pakets benötigt man Mini-Boilies, PVA-Netzmaterial (Funnel Web PVA System von Korda) und eine Schere.

Aber wie kann man diesen Effekt erzeugen, wenn Partikel nicht mehr die gewünschte Wirkung zeigen? Ein neuer Köder muss her, der den Partikeln ähnelt. Jetzt kommen die Mini-Boilies ins Spiel. Diese Kugeln mit einem Durchmesser von 10 bis 12 Millimeter haben etwa die gleiche Größe wie Mais oder Kichererbsen, die früher den schon beschriebenen Partikel-Effekt ausgelöst haben. Aber es sind eben keine Partikel, mit denen die Karpfen schon schlechte Erfahrungen gemacht haben. Sie unterscheiden sich durch Form, Farbe, Geruch und Geschmack. Mini-Boilies selbst zu rollen, ist eine anstrengende und zeitraubende Angelegenheit. Deshalb greife ich gerne auf fertige Minis zurück (etwa von Top Secret oder Pelzer Baits). Ein Kilo Mini-Boilies besteht aus viel mehr einzelnen Kugeln als ein Kilo herkömmliche 20 Millimeter-Boilies. Verteilt man die Minis auf dem Futterplatz, erzielt man den Partikel-Effekt: Die Karpfen können nicht mehr jeden Köder einzeln untersuchen, sondern müssen die kleinen Kugeln ungeprüft einsaugen – besonders wenn noch andere Artgenossen am Platz sind, die ihnen das Futter streitig machen können.

Kleine Kugeln – kleiner Haken

Beim Angeln mit Mini-Boilies muss alles etwas feiner ausfallen. Eine 10 Millimeter-Kugel und ein 2er Haken passen nicht zusammen. Ein Haken der Größe 8 oder 10 ist deutlich besser geeignet. Man kann natürlich mit einem Mini-Boilie am Haar angeln. Gerne ziehe ich auch zwei kleine Kugeln auf. Seit einiger Zeit sind auch Mini-Pop Ups in fluoreszierenden Farben erhältlich. Mit einem Schneemann, bestehend aus einem sinkenden und einem hellen, auftreibenden Boilie kann man farbliche Akzente setzen und für Aufmerksamkeit bei den Karpfen sorgen. Im Gegensatz zu größeren Boilies lassen sich die kleinen Kugeln nicht mit dem Wurfrohr anfüttern. Aber es gibt dennoch mehrere Möglichkeiten, um sie an den Futterplatz zu bekommen: Mit der Futterschaufel auf kürzere Distanz oder mit der Rakete auf weitere Entfernung. Beim Füttern mit der Rakete sollte man allerdings etwas mehr Zeit einplanen als gewöhnlich. Denn es dauert deutlich länger, ein Kilo kleine Boilies anzufüttern als die gleiche Menge Kugeln in Standardgröße. Ambitionierte Karpfenangler können den Laderaum ihres Futterbootes mit den Minis befüllen und sie punktgenau an der gewünschten Stelle absetzen.

Kleine Kugeln stehen bei den Karpfen hoch im Kurs.

Ich bevorzuge es, wenn ein paar kleine Kugeln in unmittelbarer Nähe meines Hakenköders liegen. Um das zu erreichen, stelle ich ein kleines PVA-Paket her, das ich mit Mini-Boilies fülle und dann einfach am Haken befestige. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Boden an der Stelle, die befischt wird, nicht zu weich ist. Sonst besteht die Gefahr, dass das Paket samt Köder im Schlamm versinkt. Einen Nachteil haben die Minis allerdings auch: Sie locken Weißfische an. Wenn im Gewässer viele große Brassen und Rotaugen vorkommen, kann man versuchen, den Plagegeistern durch die Verwendung eines Multi-Hair-Rigs ein Schnippchen zu schlagen. Diese Montage hört sich kompliziert an, ist sie aber nicht. An einem Rig-Ring werden einfach mehrere Hairs befestigt, die mit Mini-Boilies bestückt werden. So erhält man einen voluminöseren Köder. Ein Allheilmittel gegen Weißfische ist diese Montage allerdings auch nicht. Aber vielleicht haben Sie ja auch Lust, neben Karpfen auch die eine oder andere kapitale Schleie oder einen großen Döbel zu fangen. Wenn ja, sollten Sie vor den kleinen Kugeln nicht zurückschrecken. Probieren Sie sie doch aus, bevor ein anderer Angler rauschende Fangserien erlebt.

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