Diese zehn Mythen über das Karpfenangeln im Winter sind weit verbreitet. Doch was ist wirklich dran?
1. Im Winter fängt man grundsätzlich schlechter!
Als wechselwarme Tiere fahren Karpfen bei kalten Wassertemperaturen ihren Stoffwechsel herunter. Sie fressen weniger, folglich sinken unsere Fangchancen. Es gibt aber Gewässer, in denen die Fangchancen zur kalten Jahreszeit steigen: Immer dann, wenn sich die Fische in der warmen Zeit über große Flächen verteilen, sich aber im Winter in einem kleinen Bereich konzentrieren. Dies sind zum Beispiel große, flache Seen mit nur einem kleinen tiefen Bereich. Sind 90 Prozent eines Gewässers flach und nur 10 Prozent tief, konzentriert sich oft der gesamte Karpfenbestand auf 10 Prozent der Gewässerfläche, statt wie im Sommer auf 90 Prozent.
In Kanälen und Flüssen verhält es sich ähnlich: Zur warmen Jahreszeit verteilen sich die Karpfen auf vielen Kilometern, im Winter konzentrieren sie sich zum Beispiel im einzigen Hafen. Wie gut man im Winter fängt, hängt also maßgeblich von der Gewässer- beziehungsweise Stellenwahl ab. Was gut oder schlecht ist, ist Ansichtssache. Für mich ist das nicht die reine Bissfrequenz. Denn eines steht fest: Mit der Kälte steigen die Chancen auf große Karpfen. Vor allem im Spätherbst und zum Winteranfang haben die kleinen Fische ihre Energiereserven schon aufgefüllt. Die Großkarpfen brauchen dafür länger. Hinzu kommt, dass alle Fische mit angesetztem Winterspeck deutlich mehr auf die Waage bringen. Das sind schnell mal 5 Pfund, bei richtig großen Karpfen auch schon mal 10 Pfund mehr als im Sommer.
2. Die Stellenwahl ist beim Karpfenangeln im Winter wichtiger!
Lokation ist im Winter noch viel wichtiger als zur warmen Jahreszeit. Im Sommer genügt oft Glück und Ausdauer, früher oder später trifft ein Karpfen auf unser Futter. Im kalten Wasser braucht man nicht darauf hoffen. Die Fische beziehen ihre Winterruheplätze und die können – je nach Gewässer – sehr klein sein. Genauigkeit ist beim Karpfenangeln im Winter wichtig. Die Karpfen fressen nicht nur wenig, sie ziehen vor allem deutlich weniger bis gar nicht umher, um Energie zu sparen.
Tiefe Gewässerbereiche – idealerweise mit Totholz oder überhängenden Büschen – sind der Schlüssel zum Erfolg. Optimal ist es, wenn Sie solche Bereiche am Nord- oder Ostufer finden, denn dort liegen sie im Windschatten der kalten Nord- und Ostwinde. Gleichzeitig scheint die Sonne auf dieses Ufer. Das sorgt für ein kleines bisschen angenehmere Temperaturen. Im Winter können 0,5 Grad den Unterschied machen.
3. Im Winter stehen Karpfen im Tiefen!
Tief ist relativ. In einem kleinen, durchschnittlich 1,5 m flachen Vereinsteich ist der einzige 3-Meter-Bereich sicher der Winter-Hotspot. Aber an einem tiefen Baggerloch kann eine geschützt liegende Bucht mit Büschen, unter denen es 2 bis 3 m tief ist, die bessere Wahl sein. Im Herbst entsteht langsam die Herbstvollzirkulation, es herrscht in allen Wassertiefen die gleiche Temperatur. Diese Gleichmäßigkeit beginnt in tiefen Gewässern häufig ab 12 Grad. Verantwortlich hierfür ist, dass abgekühltes Oberflächenwasser in die wärmeren Tiefenschichten sinkt und sich die Temperaturen dabei angleichen. Folgende Werte habe ich an einem Baggersee Mitte November gemessen: 2 m – 5,8 Grad Celsius; 4 m bis zum Grund in 8,3 m – 6 Grad Celsius.
Nach dem Lehrbuch kühlt das Wasser im Winter weiter ab. Da das Wasser bei 4 Grad die höchste Dichte hat, bildet sich am Grund eine „warme“ 4-Grad-Schicht mit kälterem Wasser darüber. Nur gibt es fast keine richtigen Winter mit wochenlangem Dauerfrost mehr. Die milden Winter der letzten Jahre sorgen dafür, dass sich unsere Gewässer über den ganzen Winter in der Vollzirkulation befinden und in fast allen Tiefen eine nur minimal abweichende Temperatur herrscht. Jetzt können wir in allen Tiefen Karpfen fangen. Darum gilt: Legen Sie Ihre Montagen in unterschiedlichen Tiefen ab, um die beste zu finden.
In der Vollzirkulation ist das oft erstaunlich flach – besonders, wenn am Ufer Büsche übers Wasser hängen oder Totholz im Wasser liegt. Beim Karpfenangeln im Winter mit 6 Grad Wassertemperatur habe ich selbst in 12 m tiefen Baggerseen in 2 m Tiefe gut gefangen.
4. Karpfen graben sich im Winter im Schlamm ein!
Karpfen nehmen im Winter nur noch wenig Nahrung zu sich. Das kann so weit gehen, dass sie über Tage oder Wochen überhaupt nichts fressen. Sie verhalten sich passiv, vergraben sich manchmal sogar ein Stück im Schlamm beziehungsweise liegen auf dem Boden. Das kann man durchaus mit einem Winterschlaf vergleichen. Dass Karpfen lange Zeit auf dem Gewässerboden verbringen, sieht man am oft starken Befall mit Fischegeln, wenn die Fische im Frühjahr gefangen werden. Dieser Zustand tritt besonders oft ein, wenn Karpfen kaum noch Fressbares finden.
Gibt es hingegen auch im Winter leicht zugängliche Nahrung, nehmen sie hin und wieder einen kleinen Imbiss. Gut, wenn es sich dabei um natürliche Nahrung handelt. Dann ist es möglich, ohne viel Vorbereitung einen Winterkarpfen zu fangen. Ist kaum natürliche Nahrung vorhanden, ist es von Vorteil, wenn man schon im Herbst regelmäßig Futter einbringt. Beginnt man damit erst mitten im Winter, ist es wesentlich schwieriger, die Fische wieder „in Gang“ zu bringen.
5. Es gibt spezielle Boilies für das Karpfenangeln im Winter!
Futter, das schwer im Magen liegt, ist nie gut. Die Karpfen sind länger gesättigt. Vor allem im kalten Wasser kann der langsame Karpfen-Stoffwechsel die Nahrung schlechter verdauen. Dies gilt besonders für fettreiche Köder.
Viele Fischmehle – beziehungsweise die darin enthaltenen Fischöle – werden im kalten Wasser fest. Ich habe schon Fischöle in meinen Boilies verarbeitet, die bei Zimmertemperatur flüssig waren und im Kühlschrank fest wie Butter. Das passiert auch im kalten Wasser. Ein Boilie mit solchen Fetten ist nicht nur schwer verdaulich. Das erstarrte Fett schließt Lockstoffe ein, die Attraktivität sinkt also nahe Null. Zwar gibt es Fette, die bei kalten Temperaturen flüssig bleiben, aber ich gehe auf Nummer sicher und verwende fettarme Boilies ohne tierische Zutaten. Ein Blick auf die Zutatenliste von Fertigboilies hilft bei der Köderwahl.
6. Im Winter sollte man sparsam füttern!
Da wir nicht wissen, ob die Karpfen in Fresslaune sind, fange ich mit wenig Futter an und erhöhe die Mengen erst, wenn ich regelmäßig Karpfen fange. Kenne ich den Bestand nicht, oder bin nicht sicher, ob die Karpfen fressen, fange ich mit einer Handvoll pro Rute an. Füttere ich eine Angelstelle vor, mache ich vor dem Ansitz vorsichtshalber einen Tag Futterpause. Auch beim Vorfüttern füttere ich lieber etwas weniger.
Man kann die Futtermenge immer erhöhen. Hat man zu viel gefüttert, kann es die Chancen ruinieren. Kleine Boilies sättigen nicht so schnell, der Karpfen nimmt mehr Köder auf. Das erhöht die Chance, dass auch unser Hakenköder dabei ist. Muss ich die Boilies nicht mit dem Wurfrohr auf Distanz füttern, halbiere ich die Kugeln mit dem Korda Kutter. Dadurch erhalte ich die doppelte Köderanzahl bei gleicher Sättigung.
7. Boilies sind auch im Winter der beste Karpfenköder!
Der Erfolg der Boilies liegt in ihrer Selektivität. Durch ihre Härte können fast nur Karpfen die Köder fressen. Die Härte geht aber zu Lasten der Lockwirkung. Im Winter sind Weißfische deutlich weniger aktiv, sodass wir nicht zwangsweise auf selektive Boilies angewiesen sind. Frolic ist aufgrund seiner Löslichkeit ein hervorragender Winterköder. Ich greife auch gern auf Dosenmais zurück. Bei beiden Ködern ist auch das Risiko einer Überfütterung geringer. Denn im Gegensatz zu Boilies werden sich doch früher oder später ein paar Weißfische um das Futter kümmern.
8. Beim Karpfenangeln im Winter nur vorsichtige Bisse!
Bei kaltem Wasser sind die Fische träge. Alles läuft in Zeitlupe ab. Bei einem Biss piept der Bissanzeiger oft nur ein paar Mal und der Swinger steigt nur ein Stück. Wilde Fluchten sind selten. Das liegt aber an der Trägheit der Fische und nicht an einer größeren Vorsicht. Darum sollten Sie auch bei ein paar Piepsern anschlagen, bevor es dem Karpfen gelingt, den Haken wieder abzuschütteln. Da sich die Fische nur wenig bewegen, bevorzuge ich kurze Vorfächer, um den Karpfen wenig Spielraum und Zeit zu geben, den Köder wieder auszuspucken, bevor er sich an der Festbleimontage hakt. Auf hartem Boden sind meine Vorfächer nur 10 cm kurz.
9. Nur wer gut ausgerüstet ist, fängt gut!
Abgesehen von zuverlässigem Gerät, bestehend aus scharfen Haken, ausreichend starker Schnur und einer gut eingestellten Rollenbremse, hat die Ausrüstung streng genommen nichts mit dem Fangerfolg zu tun. Einen Karpfen interessiert es herzlich wenig, welches Zelt Sie haben oder wie bequem Ihr Stuhl ist. Aber besonders im Winter gilt: Ist es ungemütlich, schwindet der Spaß. Wer friert, verliert schnell die Motivation. Und die richtige Motivation und Zielstrebigkeit ist sehr wohl fangentscheidend! Warme Kleidung, Getränke und Essen sorgen dafür, dass Sie auch im Winter motiviert und mit Freude am Wasser sind.
Ich fische auch im Winter nachts. Da ich keine Zelte mag, verbringe ich das ganze Jahr unter meinem Ovalschirm. Im Winter kommt aber eine Wärmflasche mit in den Schlafsack. Das Wasser entnehme ich aus dem Gewässer und erhitze es mit meinem Gaskocher. Im Schlafsack sollten Sie nicht zu wenig anziehen. Bekommen Sie nachts einen Biss und müssen bei null Grad im eisigen Wind drillen, holen Sie sich schnell eine Erkältung! Neben der Kälte kann auch die lange Dunkelheit die Motivation drücken. Wenn es nicht beißt, kann es schnell langweilig werden. Ich selbst verbringe die Zeit gerne mit Lesen. Eine gute Kopflampe ist Pflicht.
10. Single-Hookbaits sind beim Karpfenangeln im Winter top!
Das Single-Hookbait-Angeln, also das Angeln ohne Beifutter, kann im Winter sehr erfolgreich sein. Fressen die Karpfen nicht, ist die einzige Chance, dennoch einen Biss zu bekommen, die Neugier anzusprechen. Vermutlich ist es Ihnen schon aufgefallen: Karpfen haben keine Hände! Wenn die Fische etwas inspizieren wollen, müssen sie es ins Maul nehmen. Das ist unsere Chance, sie zu haken. Auffällig gefärbte Köder, gerne auch Pop-Ups, können dann einen Anbiss provozieren.
Ich bin überzeugt davon, dass die Neugier „Was ist denn das?“ die Karpfen dazu bringt, unseren Köder ins Maul zu nehmen – sie beabsichtigen gar nicht, ihn zu fressen. Neongelb und Weiß sind meine bevorzugten Farben, wenn es auffällig sein soll. Sehr gern garniere ich meine Hakenköder mit neonfarbigen Plastikködern. Neongelber Kunstmais hängt bei mir fast immer am Haar. Ab Februar, an den ersten wärmeren sonnigen Tagen, kann es sich immer lohnen, einen auffälligen Pop-Up im lichtdurchfluteten Flachwasser anzubieten. Hier genießen die Karpfen gerne die erste Wärme des Jahres.
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