Seit über einer Woche war der Spot großflächig gefüttert. Ich hatte mir eine Ebene auf etwa 6 Meter Wassertiefe mit recht festem Boden ausgesucht, auf der ich Fraßspuren entdeckte. Einige Fische konnte ich beim Rutenlegen auf dem Echolot gut erkennen, ich war also guter Dinge, dass etwas passieren könnte. Noch nie war ich an diesem See, die Montagen lagen auch erst seit einer Stunde im Wasser – doch in dieser Stunde konnte ich schon drei Piepser verzeichnen. Außerdem hatte jedes Mal die Rutenspitze leicht gewackelt. „Das ist doch nicht normal!“; Gedanken schossen mir durch den Kopf. Waren es Fische, die in die Schnur schwimmen? Das konnte nicht sein, die Schnüre waren abgesenkt. War mein einzelner 24er Sinker der falsche Köder? Konnte ich mir fast nicht vorstellen. War mein Haken stumpf? Nee, das bestimmt auch nicht. Oder arbeitete mein Rig nicht richtig? Das war irgendwie die realistischste Option.
Ein kurzes Rig hatte den Karpfen gehakt
Ich stellte mich hinter mein Setup, um die Sache zu beobachten. Es folgte der nächste Piep mit zitternder Rutenspitze – und ich tat etwas, was bei euch bestimmt für Stirnrunzeln sorgt. Aber es hat mir im Nachhinein die Augen geöffnet! Ich nahm die Rute auf und schlug volles Rohr an. Ich ging sogar währenddessen einige Schritte nach hinten. Die geflochtene Schnur pfiff im Wind und der Fisch hing – endlich! Den Drill ließ ich ganz ruhig ablaufen, denn ich wusste überhaupt nicht, wie der Haken sitzt.
Und meine Bedenken zeigten ihre Berechtigung: Der Haken saß so knapp in der Lippe, dass es ein Wunder war, diesen Karpfen nicht verloren zu haben. Die Fische hatten offensichtlich das 18 Zentimeter lange Semi Stiff Blowback-Vorfach samt Bleigewicht am COG-System genutzt, um den Haken mit dem 24er Boilie auszuhebeln. Sie wussten ganz genau, was sie da unten tun. Nur der Schuppi, der vor mir im Netz lag, hatte nicht mit meinem Anhieb gerechnet.
Eine Chance wollte ich meiner Montage noch geben, um zu prüfen, ob die Fehlbisse vorher nicht einfach Pech waren. Aber keine 30 Minuten später ging das blöde Gepiepse wieder los, nur konnte ich den Anhieb diesmal nicht verwerten. Ich musste handeln!
Hast Du schon mal mit einem 3 Zentimeter langen Rig gefischt?
Wie verhält man sich in einer solchen Situation? Ich tat etwas, was bei Dir möglicherweise zum zweiten Mal für Stirnrunzeln sorgen könnte: Ich kürzte das Rig von 18 auf gerade einmal 3 Zentimeter Länge (gemessen vom Hakenöhr bis zum Achter-Schlaufenknoten). Auch den Hakenköder änderte ich, nun hing ein 24er Cork Wafter aus meiner Range auf dem Haar. Der unbeschwerte Wafter wird in der Regel etwas tiefer inhaliert, meine Chance wollte ich somit verbessern.
Und das COG-Bleisystem tauschte ich gegen ein normales Inlineblei. Ins Blei steckte ich einen Quick Change Swivel, der das Vorfach in Kombination mit einem gekürzten Sleeve vom Blei wegdrücken sollte. Etwas gewöhnungsbedürftig sah dieses System schon aus, aber es hatte an einem anderen Gewässer schon mal funktioniert. Und sollte mich jetzt wieder zum Erfolg führen.
Erfolg mit kurzen Rigs: Wieso können Karpfen nicht einfach auf uns Angler hören?
Du kannst es Dir denken, und ich kürze meine kleine Erfolgsstory etwas ab: Die Montagen lagen keine 10 Minuten auf dem Spot, dann gab es den ersten Run. Der Fisch war so perfekt und sauber in seiner Unterlippe genagelt, dass er nie wieder abgegangen wäre. Bis zum nächsten Morgen wiederholte sich das ganze sechs Mal mit idealem Hakensitz! Das Mini-Vorfach hatte einen perfekten Job gemacht. In den nächsten Kurzsessions sorgte das Rig für schlaflose Nächte. Die Fische fraßen, und das ist verwunderlich, sehr dicht am Grund und bewegten sich kaum. Und zwar obwohl ich sehr wenig fütterte und extrem breit streute. Normalerweise würde man davon ausgehen, dass sie in ihrem Fresswahn von Boilie zu Boilie „hechten“, oder? In diesem See ließen sie sich aber massiv Zeit.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mit diesem kurzen Rig nicht alle Fische haken werde. Aber sind wir ehrlich: Das kann kein Vorfach. Aber man kann seine Fangerfolge durchaus optimieren, wenn man die Riglänge an das Fressverhalten der Fische anpasst. Wie dicht sie am Grund kleben, hängt von vielen Faktoren ab. Die Futterplatzierung spielt eine große Rolle (breit gestreut oder auf einem engen Haufen), aber trotzdem kann man nie hundertprozentig sicher sein, siehe mein Beispiel. Eigentlich hätten sie sich viel mehr bewegen müssen; aber manchmal hören Karpfen eben nicht auf uns Angler.
Das macht es natürlich nicht einfacher. Behalte einfach im Hinterkopf: Bist Du am Wasser mal in einer ähnlichen Situation wie ich und hast das Gefühl, dass die Fische am Platz sind, kürze das Rig und binde mein Vorfach einfach nach. Wie das genau geht, erkläre ich Dir folgend.
Auch interessant
- KarpfenangelnKarpfen am Parksee: Die Freude am urbanen Angeln
- KarpfenangelnKarpfenmontage: Die besten Rigs im Überblick
Keine Sorge, das Blei schlägt niemandem ins Gesicht …
Bevorzugt nutze ich, wenn es der Gewässergrund zulässt, Inlinebleie. Diese lassen keinen großen Spielraum zu und haken den Fisch sofort. Seitenblei oder Helimontagen kommen bei weicherem Bodengrund und Krautbewuchs dran. Muss die Montage weit mit dem Boot herausgefahren werden, kommt bei mir das COG-System auf harten Böden zum Zuge, um das schwere Blei nach dem Biss loszuwerden.
Zurück zum normalen Inlineblei, welches ich am liebsten verwende. Falls Du Bedenken hast, dass das Blei dem Fisch ins Gesicht schlagen könnte, kann ich dich beruhigen. Es ist so dicht am Maul, dass es nicht genug Schwung bekommt. Wer mir nicht glauben möchte, für den habe ich trotzdem eine Lösung. Du kannst das Blei semifixed, also halb befestigt, fischen. Es hakt den Fisch und gleitet dann aufs Leader, wo es von einem kleinen Schlauch an Ort und Stelle fixiert wird.
Hinterm Blei folgt logischerweise mein kurzes Vorfach. Das binde ich aus einem Semistiff-Vorfachmaterial in 30lbs Stärke, meine favorisierten Haken sind 4er Wide Gape X oder Choddys. Das Vorfachmaterial sollte nicht zu weich sein, denn sonst könnte es sich zu schnell vertüddeln. Mono oder Fluorocarbon habe ich bisher ausgeschlossen; würde es doch meiner Ansicht nach den Hakendreh beeinträchtigen und nur mit einem Ringwirbel funktionieren. Aber mit einem Wirbel kann sich der Haken wieder verfangen.
Nur austarierte Hakenköder kommen zum Einsatz
Ich nutze mittlerweile bei diesen kurzen Rigs ausschließlich austarierte Hakenköder wie Wafter oder ein halben Sinker plus halben Pop Up. Der Haken muss immer unter dem Köder liegen, so wird er zu 100% schneller in der Unterlippe greifen, als es mit einem normalen Bodenköder, an dem der Haken auf dem Köder aufliegt oder seitlich herunterhängt, der Fall wäre. Bei der Ködergröße gibt es keinen Standard, von 15 bis zu 30 Millimeter zieh ich mir alles aufs Haar.
Ich wünsche Dir maximalen Spaß beim Basteln und Erfolg am Wasser. Auch im Winter bewegen sich die Fische langsam, dann könnte mein Rig genau das Richtige für Deinen See sein.