Noch vor einigen Jahren galt unter Karpfenanglern die Devise, dass das Vorfach so weich wie möglich sein muss. Entsprechend kamen fast ausschließlich geflochtene Schnüre zum Einsatz – zuerst schwarzes Dacron, später spezielle Karpfen-Vorfächer aus geflochtenen Materialien. Warum die Flexibilität? Damit der Karpfen den Köder an der Haar-Montage, bestehend aus Boilie oder Partikeln wie Mais oder Tigernüsse, leicht einsaugen kann. An einem weichen Vorfach verhält sich der Köder sehr natürlich und der Fisch spürt bei der Köder-Aufnahme keinen Verdacht.
Die geflochtenen Vorfächer haben sich bewährt und bringen auch heute noch viele Karpfen an den Haken. Allerdings zeigte sich mit der Zeit, dass Vorfächer, von Karpfen-Spezialisten auch Rigs genannt, aus weichem Geflecht nicht nur Vorteile haben: Zum einen kann es ziemlich leicht passieren, dass sich das Rig beim Auswerfen verwickelt oder es von Krebsen und anderen Plagegeistern, die sich an den Ködern zu schaffen machen, verheddert wird. Und dann besteht die Gefahr, dass das Vorfach nicht wie gewünscht arbeitet. Es kann zu Fehlbissen kommen.
Stiff-Rig – Geniale Idee aus England
Hinzu kommt ein zweiter Nachteil: In vielen Gewässern haben die Karpfen mittlerweile schon schlechte Erfahrungen mit Rigs gemacht und sind bei der Köderaufnahme misstrauisch. Ein geflochtenes Vorfach liegt häufig nicht gestreckt auf dem Gewässergrund. Nach der Köderaufnahme hat der Karpfen also ein wenig Spielraum, bis das Gewicht der Festbleimontage wirkt und der Fisch gehakt wird. Diesen Spielraum können die erfahrenen Kapitalen nutzen, um den Köder samt Haken wieder auszuspucken. Die Flexibilität des Vorfachs kann sich also auch negativ auswirken.
Weniger Flexibilität und mehr Steifigkeit, dachten sich da ein paar englische Karpfenangler und erfanden das sogenannte Stiff-Rig (engl. stiff = steif). Sie setzen für die Herstellung ihrer Vorfächer nicht mehr auf weiches Geflecht, sondern auf dickes Monofilament (ab 0,40 Millimeter aufwärts). Zunächst wurde Amnesia, eine extrem steife Vorfach-Schnur aus dem Meeresangeln, für den Bau der Vorfächer eingesetzt. Mittlerweile hat dickes Fluorocarbon der Amnesia den Rang abgelaufen.
Fluorocarbon ist ähnlich steif, bietet aber den Vorteil, dass es im Wasser kaum sichtbar ist – genau richtig für klare Gewässer mit vorsichtigen Karpfen. Das dicke Monofilament neigt beim Auswerfen nicht zum Verheddern und liegt meist relativ gestreckt auf dem Gewässerboden. Das steife Vorfach lässt sich zwar nicht ganz so leicht einsaugen, aber wenn Haken und Köder den Weg ins Karpfenmaul gefunden haben, wird der Fisch in den meisten Fällen umgehend gehakt, weil er keinen Spielraum hat, den Köder wieder loszuwerden.
Bei Stiff-Rigs sieht man häufig, dass sie mit Pop-Ups und der sogenannten Anköderung am „D“ – einer Schlaufe aus steifem Schnurmaterial – verwendet werden. Die Teigkugel wird mit Hilfe eines Bait Bands oder eines kleinen Plastik- beziehungsweise Metallstifts an einem sogenannten Rig-Ring befestigt. Dieser Ring gleitet auf der D-förmigen Schlaufe am Hakenschenkel. Wie schon angedeutet, werden an diesem Vorfach meist auftreibende Boilies präsentiert. Ich habe dieses Rig aber auch schon sehr erfolgreich mit sinkenden Boilies eingesetzt.
Die Vorteile des Stiff-Rigs
- neigt beim Auswerfen nicht zu Verwicklungen
- kann nicht von Krebsen verheddert werden
- Blei-Gewicht wirkt besonders schnell auf den Haken
Erfolgreich kombiniert
Die Vorteile des weichen geflochtenen Vorfachs und des Stiff-Rigs kombinieren – geht das? Ja, das funktioniert, und zwar mit einem Kombi-Rig. Hierbei wird der größte Teil des Vorfachs aus steifem Material hergestellt, das sich nicht verwickelt und gestreckt auf dem Gewässerboden liegt. Die letzten Zentimeter vor dem Haken hingegen bestehen aus weichem Geflecht, das leicht eingesaugt werden kann. Einige Angler knoten Monofilament und Geflecht aneinander und erhalten so ein Kombi-Rig.
Für mich sind Verbindungsknoten zwischen Schnüren immer Schwachstellen, auf die ich gerne verzichte. Aus diesem Grund setze ich auf Kombi-Links. Das sind ummantelte Vorfachmaterialien. Auf den Spulen dieser Schnüre findet man meist die Begriffe „Coating“ oder „coated“. Diese Vorfächer sind ziemlich steif. Entfernt man mit Hilfe der Fingernägel vorsichtig die Ummantelung, kommt ein weicher, geflochtener Kern zum Vorschein. Ich entferne das Coating für das Haar auf etwa drei bis fünf Zentimetern vor dem Haken und erhalte so ein Kombi-Rig – ganz ohne Knoten Im Vorfach.
Hinged Stiff-Rig
In letzter Zeit habe ich erfolgreich ein weiteres Stiff-Rig eingesetzt, das den gewünschten Grad an Flexibilität aufweist – das sogenannte „Hinged Stiff-Rig“. Das Wort „hinged“ lässt sich mit „gelenkig“ übersetzen. Das Gelenk wird durch einen Ringwirbel erzeugt. Der Hauptteil des Rigs besteht aus dem schon erwähnten Kombi-Material. Es wird an den Ring des Wirbels geknüpft.
Ans andere Ende des Wirbels kommt ein kurzes Stück Fluorocarbon, an dem der Haken befestigt ist. Man angelt also mit einem steifen Vorfach, das allerdings aufgrund des Wirbels auf den letzten Zentimetern sehr flexibel ist. Das Hinged Stiff-Rig wird ebenfalls häufig mit Pop-Ups eingesetzt, funktioniert aber meiner Erfahrung nach ebenfalls mit Bodenködern. Am Wirbel wird etwas Knetblei (Putty) platziert, das die Auftriebshöhe des Pop-Ups begrenzt, wenn nicht das Gewicht des Wirbels schon ausreicht. Auch beim Angeln mit Bodenködern verwende ich das Knetblei. Das Blei begünstigt, dass der Haken später dort sitzt, wo er hingehört – in der Unterlippe des Karpfens.