Der größte Feind des Meeresanglers ist extrem starker Wind. Wenn Sie zum Angeln nach Nordnorwegen reisen, ist es eher die Regel als die Ausnahme, während einer Woche einige Tage an Land festzusitzen. Am Nappstraumen hingegen müssen Sie sich keine Gedanken über die Launen des Wettergottes machen. Hier können Sie fast immer aufs Meer hinausfahren – an jedem Tag.
Selbst wenn der Wind stark weht, gibt es viele geschützte Plätze, an denen man gut auf die meisten unserer beliebtesten Zielfische angeln kann. Auf unserer Reise haben wir viel vor: In gerade einmal vier Angeltagen wollen wir Scholle, Dorsch und Heilbutt fangen – einen „Nappstraumen-Grand-Slam“.
Wilder Ritt auf den Wellen des Nappstraumen
Auch wenn der Wind heute nicht besonders kräftig bläst, haben wir einen ziemlich heftigen Seegang. Die starken Winde der Vortage hinterlassen ihre Spuren – unser Boot schaukelt durch die immer noch recht hohen Wellen. Das grüne Wasser der rauen See peitscht gegen die felsigen Ufer und türmt sich zu weißen Schaumkronen auf. In diesem Augenblick ist es einfach nur schön, sicher in unserem großen Aluminiumboot zu sitzen und dieses Schauspiel zu beobachten.
Nur nicht reinfallen
Am Steuer der Arronet hingegen steht unser Guide Erik Axner. Allein bei dem Gedanken, über die Reling hinab in die wilde und nur vier Grad „warme“ norwegische See zu fallen, stellen sich meine Nackenhaare auf. Da will ich nicht rein! Wir lassen unsere Jigs über Haraldskallen fallen, einer flacheren Stelle westlich der nördlichen Mündung des Nappstraumens. Das Echolot zeigt uns in diesem Bereich Tiefen zwischen 30 und 50 Metern an. Alles sieht perfekt aus. Jetzt brauchen wir nur noch unsere Ruten.
Nach zähem Start: Dorsch satt am Nappstraumen
Doch das Angeln ist zäh – sehr zäh. Etwas später fahren wir weiter und finden nördlich von Haraldskallen ein Plateau, das für uns einige Fische der Zehn-Kilo-Klasse bereithält. Zur besten Zeit geht es Schlag auf Schlag. Es sind viele tolle Dorsche, die mir unzählige Glücksmomente bescheren. Einige gute Speisefische nehmen wir mit nach Hause, aber die meisten müssen zurück. Wenn Sie es beim Drill ruhig angehen und die Fische nicht hektisch und schnell an die Oberfläche gebracht werden, können sie anschließend ohne Probleme wieder zurückgesetzt werden.
Nach ein paar Stunden Angeln meldet sich der Hunger, sodass einige von uns zurück ins Camp fahren, um das Abendessen vorzubereiten. Erik, mein Fotografenkollege Mathias und ich fahren weiter – mit der Hoffnung auf ein paar noch größere Fische.
Der Nappstraumen wartet mit prächtigen Dorschen auf
In einer halben Stunde ist die Strömung günstig, sodass sich dann auf der anderen Seite des Nappstraumen die Möglichkeit bietet, schöne Fische zu finden. „Ich kenne einen Platz namens Revlan. Er ist ein echter Joker und könnte bereits einen Versuch wert sein. Am Nappstraumen sind die Wege zwischen den Angelstellen nicht weit“, sagt Erik. Draußen auf Revlan ist die See ziemlich rau – aber was macht das schon, wenn sich Eriks Gespür für große Dorsche bewahrheiten sollte?
Die meisten Exemplare liegen über der Zwölf-Kilo-Grenze. Bei fast jedem Herunterlassen der Köder bekommen wir heftige Bisse – teilweise von noch größeren Kalibern. Bei der zweiten Drift wird es plötzlich ruhig. Andächtig blicken wir zu Erik, denn offensichtlich hat einer der ganz großen Dorsche des Nappstraumens auf seinen 400-Gramm-Jig gebissen. Der Fisch ist gut gehakt und Erik muss sich kräftig ins Zeug legen, um ihn an die Oberfläche zu pumpen.
Als er zwischen den Wellen auftaucht, erkennen wir schnell, dass es sich um einen wirklich kapitalen Fisch handelt – er wird mindestens 20 Kilo wiegen. Seine Flossen sind makellos, entlang der Flanken verläuft ein Perlenband aus rotbraunen Flecken – ein Abdruck der nordnorwegischen Meeresfauna. Der Bauch des Fisches ist rund, breit und weiß wie frischer Schnee. Der Dorsch sieht aus, als wäre er direkt den Seiten eines Lexikons unter dem Stichwort „Gadus morhua“ entnommen worden. Mit gehisster Siegesflagge kehren wir stolz zu den anderen in unser Camp nach Skreda zurück.
Unvergessliche Begegnung: Ein Pfeifen bricht die Stille
Der folgende Tag beschert uns strahlenden Sonnenschein und eine leichte Brise. Die Lofoten zeigen sich von ihrer eindrucksvollsten Seite mit schneebedeckten Berggipfeln, die sich in den Buchten im mintgrünen Wasser spiegeln. Das Wasser ist so klar, dass wir den Meeresboden in einer Tiefe bis zu zehn Metern sehen können. Im dünnen Wolkenschleier sehen wir Seeadler, die im Wind um die Berggipfel kreisen.
Walheimat Nappstraumen
Ich hänge gedankenversunken in der Landschaft und wache urplötzlich auf, als ich zehn Meter vom Boot entfernt ein Pfeifen höre. Killerwale! Wir sind umgeben von zwei oder drei Familien mit Tieren in allen Größen. Sie scheinen keinerlei Angst vor uns zu haben, wenn wir die Motoren in den Leerlauf schalten, um sie so wenig wie möglich zu stören. Ausgewachsene Tiere schwimmen Seite an Seite mit ihrem Nachwuchs, um ihnen die Kunst des Heringsfangs beizubringen. Wir sehen ihre weißen Bäuche, wenn sie immer wieder die Oberfläche durchbrechen, um Luft zu holen. Sobald ich eine der Familien aus den Augen verloren habe, suche ich umgehend nach weiteren Schwertwalen.
„Wach auf! Du hast Fisch!“
Ich habe ganz vergessen, dass wir eigentlich wieder angefangen haben zu angeln und wie unsere heutige Aufgabe lautet: Heilbutt. Da schreit mich Erik von der Seite an: „Wach auf! Du hast Fisch!“ Ich schnappe mir die Rute und habe Glück, denn trotz meines leicht verspäteten Anhiebs scheint der Fisch gut gehakt zu sein. Bereits in den ersten Momenten des Drills wird mir dank seiner heftigen Fluchten klar, dass er ziemlich kräftig ist – und wie immer mache ich mir Sorgen, dass die Schnur reißen wird. Aber ich habe gelernt, dass die Dinge niemals schiefgehen, solange ich das Richtige tue.
Nappstraumen-Heilbutt: Schnappschuss mit dem Kraftpaket
Dieser Drill ist nichts für über 60-Jährige, die nicht auch eine Jahresmitgliedschaft im Fitnessstudio haben. Können Sie sich nur annähernd vorstellen, welche Kräfte ein Fisch mit einem Gewicht von etwas mehr als zehn Kilo entwickeln kann? Endlich schaffe ich es, den Fisch unter Kontrolle und an Bord zu bringen. Nur eine Minute später habe ich ein paar tolle Bilder, die ich jenen Freunden vor die Nase halten kann, die immer noch nicht kapiert haben, wie gut man in Norwegen angeln kann.
Der Heilbutt ist ein überragendes Kraftpaket, das Respekt einflößt und bei einem Fehler schnell verloren gehen kann. Versuchen Sie zum Beispiel niemals, auch nicht bei einem kleinen Fisch, ihn mit der Hand zu landen, indem Sie ihn einfach an der Schnur hochziehen. „Es ist ein todsicherer Weg, sowohl Ausrüstung zu zerstören, Fische fallen zu lassen und im schlimmsten Fall einen Finger zu verlieren! Wir sprechen hier über pure Kräfte. Richtig große Fische von mehr als 50 Kilo sollten nicht ins Boot gehoben werden. Sie werden außen gemessen und wieder freigelassen“, erklärt Erik. An diesem Tag bin ich nicht der einzige Glückliche, denn in der Sonne und umgeben von den schützenden Felswänden des Nappstraumens fangen auch alle anderen Angler an Bord ihre Fische. Der ganz große Heilbutt lässt dabei aber immer noch auf sich warten.
Aktiv auf Schollen – eine herausfordernde Disziplin
Was die Schollen angeht, sind wir etwas zu früh dran. Die ganz großen Exemplare werden erst später im Jahr gefangen. Natürlich kann man bereits im Frühjahr auf sie angeln, nur sind sie dann nicht so kapital. Auf dem Weg zu den ersten Schollenplätzen berichtet uns Erik, dass die Fische im Herbst in noch wesentlich besserer Verfassung sind und einige Gäste nur für sie hierher kommen, um tagelang auf diese wahren Monsterschollen zu angeln.
Mit Grundkontakt zur Nappstraumen-Scholle
Die Herausforderung beim Schollenangeln besteht darin, nicht zu schnell zu driften, das Boot einigermaßen ruhig in der Strömung zu halten und gleichzeitig den Köder langsam über den Grund schleifen zu lassen. Wichtig ist es auch, die optimalen Bodenverhältnisse mit viel Sand zu finden. Dann wird das Angeln zu einer technisch anspruchsvollen Sache, die das richtige Gefühl erfordert. Der Köder sollte stets Grundkontakt haben und dann geht’s darum, die vorsichtigen Schollenbisse von den Unebenheiten des sandigen Bodens unterscheiden zu können.
Charakteristische Zeichnung
Wir angeln auf die Platten mit Garnelen sowie Sand- und Gulp-Würmern. Erik hebt schon bei der ersten Drift eine Scholle der Kiloklasse ins Boot. Er und auch Mathias fangen eine schöne Scholle nach der anderen, und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie Mathias einen richtig heftigen Biss bekommt. „Die ist wirklich groß“, sagt er. Er landet eine der schönsten Schollen an diesem Tag. Der knapp zwei Kilo schwere Fisch ist ein echtes Prachtstück mit großen roten Flecken. Die Zeichnung ist ansonsten schön gesprenkelt in der braungrauen Sandfarbskala gehalten. „Glückwunsch! Hättest du die gleiche Scholle im Herbst gefangen, hätte sie locker um die zweieinhalb Kilo gewogen“, sagt Erik.
Launiges Angeln am Nappstraumen
Ich selbst fange inzwischen an zu verzweifeln und muss mir eingestehen, dass meine Technik scheinbar keine Weltklasse besitzt. Aber das aktive Angeln macht richtig Laune, denn ich spüre immer wieder, wie Fische am Köder fressen. Plötzlich durchfährt meine Rute ein heftiger Schlag. Da wir mit leichterem Gerät angeln, fühlt sich meine allererste Scholle viel größer an, als das magere Kilo, das sie wirklich wiegt. Diese Angelei macht richtig Spaß. Und sogar ich, der zum ersten Mal mit dieser Methode angelt, fängt seinen Fisch.
Während ein paar Stunden Schollenangelns landen wir mehrere schöne Fische zwischen anderthalb und zwei Kilo. Es ist ganz klar, dass es hierbei in erster Linie um eine gute Technik geht und weniger um Glück. Dieses Mal war der Sandwurm ein unschlagbarer Köder. Die Garnelen landeten auf dem zweiten Platz, die Gulp-Würmer mussten sich mit dem Bronzerang begnügen. An anderen Tagen kann das wiederum völlig anders sein.
Die perfekte Drift ist der Schlüssel zum Erfolg
Am nächsten Morgen stellt uns das launische Bergwetter Nordnorwegens auf eine harte Probe. Heftige Ostwinde treffen direkt auf die starke Südströmung im Nappstraumen, was unsere Angelmöglichkeiten ziemlich eingrenzt. Für eine gute Drift brauchen wir die Unterstützung des Motors und steuern nach Südosten. Dank der schützenden Felswände des Nappstraumens können wir auch bei ungemütlichem Wetter weiter angeln. Mit zwei toten Köderfischen an einer Antitwist-Montage für Heilbutt fahren wir über die Hauptrinne des Straumen.
Erik erzählt total begeistert davon, wie effektiv es ist, die toten Fische knapp über dem Grund schweben zu lassen: „Der Hauptstrom im Nappstraumen schiebt sich über eine Fläche, die von großen Felsen umgeben ist und dem Heilbutt als Lebensraum dient. Wenn wir unsere Köderfische knapp über Grund treiben lassen, mit ein bis zweieinhalb Knoten in diese Richtung, dann stehen die Chancen gut, dass wir auf Fische treffen.“ Das Boot treibt an dem felsigen Bereich vorbei. Erik prüft die Fahrtrichtung und dass die Schnüre optimal hinter dem Boot ausgelegt sind. Wie auf Bestellung heult eine der Bremsen auf.
Der bärtige Mann und der Butt
Die Schnur zieht langsam ab und Mathias greift nach der Rute. Erik kurbelt schnell die anderen Köderfische aus dem Wasser und gibt Mathias grünes Licht, die Bremse zu schließen und Druck auszuüben. „Jetzt gilt es!“, schreit Erik. Wenige Augenblicke später tanzt Mathias mit einem großen Fisch am anderen Ende der Schnur ums Boot herum. Der Fisch übernimmt das Kommando. Die charakteristischen Fluchten des Heilbutts zwingen Mathias dazu, noch zwei komplette Rundgänge an der Reling zu machen, ehe er es endlich schafft, den Fisch an die Oberfläche zu holen.
Nach einem turbulenten Kampf zwischen dem König der Nordmeere und dem bärtigen Alten kann Erik endlich den Landehaken durch die Weichteile des Heilbutts im Unterkiefer ziehen. Der Fisch misst vom Schwanz bis zum Kopf 143 Zentimeter und kommt laut Gewichtstabelle auf 40 Kilo – ein respektabler Fisch und dazu noch der größte der Woche. Während sich Mathias den Schweiß von der Stirn wischt, verschwindet der Fisch mit kraftvollen Schwimmzügen völlig unversehrt zurück auf den Meeresgrund. An Bord herrscht Schweigen – wie beim letzten Akt in einem Shakespeare-Drama. Das Hochseeangeln in Nordnorwegen hat etwas Magisches.
Nappstraumen-Grand-Slam geglückt!
Wir haben alle drei Disziplinen erfolgreich abgeschlossen. Der Nappstraumen hat uns einen traumhaften Grand Slam beschert. Wir verbannen unser anfängliches Lampenfieber und genießen die Fangerfolge bei einem guten Drink. Über die sozialen Netzwerke haben wir erfahren, dass Jimmy Andersson von Nordic Sea Angling inzwischen neue interessante Stellen in Nordnorwegen gefunden hat. Unsere Fantasie ist geweckt: Gibt’s noch mehr Orte, die so cool sind wie der Nappstraumen? Gibt’s andere Arten, größere Fische und ähnlich faszinierende Plätze? Wir haben ein neues Problem: Wie schaffen wir es, nächstes Jahr wieder hierher zu kommen? Nordnorwegen, die Lofoten und nicht zuletzt der Nappstraumen haben uns alle gepackt.
Eriks 5 Top-Tipps
- Achten Sie auf die Gezeiten. Nehmen Sie an der Wende teil und fischen Sie, wenn der Wind der Strömung folgt.
- Probieren Sie verschiedene Methoden gleichzeitig aus, um die erfolgreichste für den Tag zu finden.
- Angeln Sie je nach den aktuellen Bedingungen auf verschiedene Fischarten, um die Ausbeute des Tag zu maximieren. Vergessen Sie nicht die leichte Ausrüstung und Garnelen für Schollen.
- Trauen Sie sich, auch in den ganz flachen Bereichen auf Heilbutt zu angeln. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sie hier Fische in Tiefen von nur fünf bis sechs Metern fangen.
- Wenn Sie Dorsche fangen wollen, versuchen Sie es mit Köderfischen immer in der Nähe von Plateaus.
Angeln und Wohnen am Nappstraumen
Das Angelcamp von Nordic Sea Angling in Skreda liegt gut geschützt tief im Nappstraumen. Die Unterkünfte ragen auf Stelzen aus dem Wasser, die Boote sind unter den Häusern vertäut. Die Hütten sind gut ausgestattet, die größte bietet Platz für bis zu zehn Personen. Das Ferienhaus ist modern ausgestattet mit einer geräumigen Küche, zwei Toiletten und bietet im riesigen Wohnzimmer viel Platz für ein geselliges Miteinander. Was Sie an Angelausrüstung benötigen, können Sie entweder vor Ort mieten oder zu durchschnittlichen Preisen kaufen.
Die Mietboote haben einen hohen Standard. Es sind robuste, 23,5 Fuß lange Arronet-Aluminiumboote, ausgestattet mit 135-PS-Motoren. Unten auf dem Steg gibt es einen Filetiertisch samt Wasserschlauch. Campgästen steht ein Leihauto zur Verfügung. In nur zehn Minuten erreicht man das Stadtzentrum von Leknes. Hier gibt es ein großes Einkaufszentrum, einen Spirituosenladen und mehrere Restaurants – für diejenigen, die ihren selbst gefangenen Fisch nicht essen möchten. Für Buchungen und weitere Informationen besuchen Sie im Internet nordic-sea-angling.se.
Nappstraumen: Top-Revier für Profis und Anfänger
Der Nappstraumen ist ein anglerisches Traumrevier und bietet zudem eine atemberaubende Kulisse. Er durchbricht die Lofoten und verbindet dabei den Vestfjord mit dem Atlantik. Täglich schieben sich die Wassermassen durch die Meerenge. Die Strömung sorgt für einen reich gedeckten Fangtisch. Kapitale Dorsche, Seelachse, Schollen und Heilbutte sind die beliebtesten Arten. Das Angeln am Nappstraumen ist sehr abwechslungsreich. Aber man muss kein Profi sein, um zu fangen. Hier landen auch Anfänger tolle Fische. Der Fang besonders großer Exemplare – eventuell sogar der Fisch des Lebens – ist jederzeit möglich.