Da, ein kleiner Ring 20 Meter rechts von mir. Eine Meerforelle? Oder doch nur ein kleiner Baitfish, frage ich mich, während ich meinen ersten Leerwurf mache. Ich befinde mich an einem typischen Sommerplatz bei perfekten Bedingungen, leichte Wellen, schwacher Wind, hohes Wasser und Strömung. Es ist ein perfekter Angeltag. Beim dritten Leerwurf sehe ich den Ring erneut, jetzt lasse ich die Schnur schießen. Zwei Meter zu weit nach links, shit!
Egal, das muss reichen, mein Atem wird flacher und ich spüre einen leichten Druck im Hals. Meine Knie werden weich. Stumm mit der Haltung eines Graureihers strippe ich die Fliege ein. Und tatsächlich, ich spüre einen Gegenzug in der Schnur, mein Anhieb kommt jedoch viel zu spät. Ich fluche innerlich.
Ein traumhafter Meerforellendrill und ein perfekter Angeltag
Gedanklich noch beim Fehlbiss, beisst der Fisch ein zweites Mal. Jetzt bin ich besser vorbereitet, der Anhieb sitzt und ich merke direkt, dass es ich um einen guten Fisch handelt. Also Schnur aufkurbeln, die Bremse justieren und währenddessen nach hinten laufen. Draußen schäumt der Fisch an der Oberfläche. Zweimal durchbricht die Mitte 50er Meerforelle die Oberfläche und legt tolle Fluchten hin.
In dem Moment, wo der Fisch über den Kescherrand gleitet, erfüllt mich großes Glück und sehr viel Dankbarkeit. Am ganzen Körper zitternd stolpere ich zurück ans Ufer. Nachdem der Fisch versorgt ist setze ich mich an den Strand und genieße die frühsommerliche Abendstimmung. Neben mir liegt eine Meerforelle wie aus dem Bilderbuch.
Ganz so schön war es in Wirklichkeit nicht …
Das klingt doch alles zu perfekt, oder? Die Wahrheit ist, die Geschichte ist fiktiv und unwahrscheinlich. In Wirklichkeit sah mein „perfekter Angeltag“ ganz anders aus: Ich kam an meine Angelstelle, die schon von drei Sportsfreunden besetzt war, knickte auf dem Weg zwischen den Steinen um, musste dank der Mitangler auf eine uninteressante Stelle ausweichen und zu allem Überfluss goss es auch noch wie aus Kübeln.
Ob ich wenigstens eine Forelle gefangen habe? Nein, natürlich nicht, aber die Kollegen neben mir fingen auf MEINEM Hotspot wie blöd. Auf dem Rückweg war mit mir nicht gut Kirschen essen. Das bemerkten die glücklichen Fänger von neben an nicht, so dass sie auch noch anfingen, dumme Fragen zu stellen. „Bei dir haben sie wohl nicht gebissen, wa?“, fragte einer der Schaulustigen. Gerne hätte ich eine Hand voll Kieselsteine in die Hand genommen und die Mitangler damit bombardiert. Geschunden zu Hause angekommen frage ich mich, warum ich mir das überhaupt antue.
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Dieser Motor treibt mich immer wieder ans Wasser
Die Antwort ist einfach, es könnte ja immer dieser eine perfekte Tag kommen, wo einfach alles passt. Diese Vorstellung, dass ein Angeltag theoretisch so perfekt laufen könnte, ist für mich sehr wichtig. Sie wirkt wie mein Motor, der mich immer wieder aufs Neue dazu antreibt, loszugehen – und das selbst nach vielen Nullnummern. Ich glaube, als Angler ist es essenziell zu träumen, um unsere Leidenschaft am Leben zu halten und ganz bestimmt werden einige von uns irgendwann tatsächlich ihren Traumtag am Wasser erleben.