Die meisten Angler verbinden Meerforellenangeln mit kalten Fingern, tagelangem Warten auf den Biss, Wathosen oder Trollingbooten. Matthias Wendt zeigt, dass es auch anders geht – zum Beispiel mit der Spinnrute vom treibenden Boot.
+++ Küstenblinker: Die richtige Farbwahl zum Meerforellenangeln +++
Der Wind drückt unser Boot langsam übers Wasser, über Sand-, Stein- und Tangfelder hinweg. An Bord herrscht Ruhe, wir konzentrieren uns aufs Angeln, der Motor ist ausgeschaltet. Während ich ganz in Gedanken einen Schwarm Tobiasfische im flachen Wasser beobachte, kreischt hinter mir plötzlich eine Rollenbremse auf. Fisch! der Ruf geht durch Mark und Bein. Mein Kumpel Waldo hat eine Meerforelle im Drill. Von einer Sekunde auf die andere findet die meditative Stimmung an Bord ein jähes Ende. Hastig holen wir unsere Köder ein, damit es während des Drills nicht zu Verwicklungen kommt. Der Fisch macht an der leichten Rute ordentlich Druck, doch ein paar Sprünge und Fluchten später liegt er sicher im Kescher 74 Zentimeter, was für eine Meerforelle. Jetzt lacht nicht nur die Sonne. Was für ein Tag!
Eigentlich hatte ich mir für dieses April-Wochenende etwas anderes vorgenommen. Watschen an der Küste stand in meinem Kalender, Spinnrute und Watklamotten waren bereits im Kofferraum verstaut. Doch dann kam die Einladung von Bodden-Guide Jörg Schütt dazwischen. Sein Plan: vor Rügens Küste vom treibenden oder verankerten Boot aus mit der Spinnrute auf Meerforellen zu angeln.
Dass das funktioniert, hatte ich schon einige Jahre zuvor festgestellt, als ich mit einem Leihboot vor der dänischen Insel Alsen unterwegs war. Mehr durch Zufall Wind und Strömung hatten das Boot dicht unter Land getrieben ging mir damals im etwa zwei Meter tiefen Wasser eine schöne Meerforelle an den Blinker. Weitere Angelversuche im Flachwasser folgten, fast jedes Mal waren sie erfolgreich. Schon deshalb war ich bereits vor unserer Tour nach Rügen zuversichtlich gewesen, dass es auch dort mit den Meerforellen klappen könnte. Wer im Frühjahr oder Herbst als Watangler an der Küste unterwegs ist, muss schon viel Einsatz und Durchhaltevermögen zeigen, um Meerforellen zu fangen. Das Problem beim Spinnschen ist in erster Linie der eingeschränkte Aktionsradius. Durch die begrenzte Wurfweite erreicht man viele Fische gar nicht erst. Weitaus effektiver ist es dagegen, mit einem eigenen Boot zum Schleppangeln in See zu stechen. Für die meisten Angler ist das jedoch utopisch, denn Boot und Zubehör verschlingen gut und gerne ein Jahresgehalt.
Und auch das nötige Wissen muss man sich erst einmal aneignen, denn Trolling bedarf jahrelanger Erfahrung, ehe man wirklich weiß, was man tut und ehe man regelmäßig fängt. Ein Nachteil ist auch die Scheuchwirkung, die von einem Boot in Schleppfahrt ausgeht, vor allem über relativ flachem Wasser bis drei Meter, von der Hängergefahr mal ganz abgesehen. Genau in diesen Bereichen halten sich die Meerforellen jedoch mit Vorliebe auf. Nicht nur deshalb ist das Spinnfischen vom treibenden oder verankerten Boot ein guter Kompromiss. In manchen Fällen ist es sogar noch effektiver als das Schlepp- und Watangeln zusammen. Zum Beispiel, wenn man eng begrenzte Hotspots wie Steinriffe, Sandbänke oder Seegraswiesen beackern möchte, alles Stellen, die von Meerforellen gerne aufgesucht werden. Fest steht, dass man mit dieser Methode erfolgreich ist, und ich frage mich, weshalb sie kaum ein Angler einsetzt. Selbst in den Gewässern um Rügen und Hiddensee gibt es nur eine Handvoll Leute, die sich bisher mit dieser Angelart beschäftigt haben.
Alle Neune
Der erste Tag unserer Tour geht zu Ende, das Ergebnis ist mehr als befriedigend. Vier Angler, vier Meerforellen alle zwischen 63 und 74 Zentimeter lang. Was will man mehr? Am nächsten Morgen geht es wieder in Richtung Hiddensee. Und schon nach einer halben Stunde Angeln liegt die erste Meerforelle im Boot 64 Zentimeter misst der Fisch. Das fängt ja gut an. Doch es kommt noch besser. Bis zum Mittag haben wir sieben gute Forellen an Bord, zwei weitere Fische gehen im Drill verloren. Eine Stelle hat sich als besonders ergiebig erwiesen: ein großes von weitläugen Sandächen umgebenes Tangfeld dicht unter Land, knappe 100 Meter vom Ufer entfernt. Immer wieder lassen wir uns an dieser Stelle vorbeidriften und suchen mit unseren Blinkern das Tangfeld ab.
Limit erreicht
Bei jeder zweiten Drift hat einer von uns einen Biss, manchmal sehen wir durch unsere Polbrillen, wie die Forellen den Köder im flachen Wasser verfolgen und zupacken. Meerforellen auf Sicht fangen so etwas haben wir bisher noch nicht erlebt, wir sind begeistert. Gegen 14 Uhr haben wir das Fanglimit von drei Meerforellen pro Mann erreicht. Spätestens jetzt sind wir uns sicher: Im nächsten Frühjahr kommen wir wieder! Dass wir gut fangen würden, war aber in gewisser Weise absehbar. Jetzt, Anfang April, ziehen die Laichschwärme der Heringe dicht unter Land, gefolgt von den dicken Killerforellen. Ab Ende April folgen diese Fische den Heringen in tieferes Wasser und sind dann praktisch nur noch für Schleppangler erreichbar. Eine weitere heiße Phase für das Angeln in Küstennähe reicht von Oktober bis Dezember. In dieser Zeit ziehen ebenfalls einzelne Heringsschwärme unter Land. Die ihnen folgenden Forellen sind allerdings nicht so zahlreich wie im Frühjahr.
Schonzeit beachten
Doch aufgepasst: In den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns sind Meerforellen vom 15. September bis 14. Dezember geschont. Schonzeiten gibt es auch an der schleswig-holsteinischen und dänischen Küste, die jedoch nur für gefärbte Forellen bzw. in Mündungsbereichen von Zuflüssen gelten. Silberblanke Fische dürfen dort auch während der Schonzeit gefangen und entnommen werden.
Gerätekiste zum angeln auf Meerforelle
- Spinnrute mit 2,70 bis 3 Meter Länge, Wurfgewicht zwischen 15 und 40 Gramm.
- Stationärrolle mittlerer Größe (4000er).
- Monofilschnur, Durchmesser 0,25 bis 0,30 mm, möglichst abriebfest. Geflochtene Schnüre sind weniger geeignet, da aufgrund der geringen Dehnung und fehlenden Abriebfestigkeit mit Köder- und Fischverlusten gerechnet werden muss.
- Blinker und Küstenwobbler in den Farben Grün-Silber, Blau-Silber oder Schwarz-Silber, Gewichte zwischen 16 und 30 Gramm.
- Großer stabiler Bootskescher.