Als wir nach einer langen Fahrt durch die Wüste an unserem Campingplatz ankommen, scheint es, als wären wir in einem Flüchtlingslager gelandet. Luxus sieht definitiv anders aus: Unsere Unterkünfte für die nächsten 10 Tage sind selbstgebaute Zelte und eine strohgedeckte Hütte. Wir sind in Djibouti, Afrika, aber angesichts der kargen Vulkanlandschaft hier, könnten wir aber genauso gut auf dem Mond sein. Diese extreme Landschaft säumt die Ghoubbet-Bucht, die mit dem Roten Meer verbunden ist.
Abgesehen von einem einzigen Sandstrand gibt es überall messerscharfe Felsen. Außerdem schlägt uns ein scharfer Wüstenwind ins Gesicht. Beeindruckt von diesem extremen Ort beginnen wir, unsere Ruten zu montieren. Über das Angeln an dieser Bucht ist wenig bekannt. Alles ist möglich, von wunderschön gefärbten Snappern und Zackenbarschen bis hin zu riesigen Giant Trevallys (Kurz: GTs). Aber wo fangen wir an? Zuerst machen wir einen Spaziergang rund um das Camp. Wir beschränken uns auf kleines Gepäck: Eine Spinnrute mit 100 g Wurfgewicht, eine Handvoll Köder und etwas Ersatzmaterial.
Sind sie zu stark, fischt Du zu leicht!
Es dauert nicht lange, bis unsere Köder Abnehmer finden. Ein großer Snapper taucht aus dem tiefen, azurblauen Wasser auf. Er folgt dem Köder und kurz bevor es zu flach wird, schlägt er mit voller Wucht zu. Der Snapper nimmt Schnur… zu viel Schnur! Eine Sekunde später zerreißt das Geflecht an einem der Felsen, unter den sich der Fisch geflüchtet hat. Die Spinnrute mit 65 lbs Geflecht ist unter diesen Umständen tatsächlich noch zu leicht. Die Fische sind größer und stärker als wir erwartet hatten. Wir sind jedoch zu weit vom Camp entfernt, um eine andere Rute zu holen, also muss ich improvisieren. Ich drehe die Bremse also noch ein gutes Stück weiter zu – es geht um alles oder nichts!
Als wir weitergehen, sieht Michael von der Spitze eines Hügels einen großen Napoleon-Lippfisch, der mit seiner markanten, malachitgrünen Färbung deutlich hervorsticht. Michael klettert hinunter, während ich versuche, den Fisch nicht aus den Augen zu verlieren und ihn anweise, wo er hinwerfen muss. Mehrere Würfe platziert Michael in Richtung des Napoleons, leider jedoch, ohne einen Biss zu provozieren.
Djibouti: Wo Beute ist, sind Räuber nicht weit
Als wir weitergehen, machen wir in einer ruhigen Bucht einen Schwarm Köderfische aus. Da können die Räuber nicht weit sein. Diese Annahme wird sofort bestätigt, als Michael schon beim ersten Wurf einen Bonito an den Haken bekommt. Kurz vor der Landung wird der Fisch plötzlich von einem großen Zackenbarsch und einem Snapper angegriffen. In völliger Panik springt der Bonito fast ans Ufer, und das alles passiert direkt vor unserer Nase! Ich werfe meinen Stickbait in den Tumult, aber die Räuber sind völlig besessen von dem Beutefisch und schenken meinem Köder keinerlei Aufmerksamkeit. Mit einem Mal schüttelt der Bonito den Haken ab und schon sind alle Fische wieder im tieferen Wasser verschwunden. Räuber scheint es hier auf jeden Fall zu geben, doch auch nach einem Köderwechsel tut sich erst einmal nichts mehr.
Auf einmal taucht der große Snapper wieder auf. Er folgt meinem Stickbait und beim ersten Spinnstop kommt der langersehnte Biss in ganzer Härte. Der Snapper legt eine brachiale Preschflucht hin und versucht, die Felsen zu erreichen. Ich weiß, dass es dann sofort vorbei ist und so darf ich dem Fisch keinen Meter Schnur geben, koste es was es wolle. Meine Rute ist viel zu leicht für diese rohe Gewalt, aber sie hält. Als den Snapper schließlich seine Kräfte verlassen, klettere ich für die Landung hinunter. Während ich den Haken löse, fallen mir die leuchtend-orangefarbenen Augen des Fisches auf – Snapper sind wirklich wunderschöne Fische. Was dieser afrikanische See wohl noch zu bieten hat?
Herausfordernde Landung an der Küste von Djibouti
Am Abend lassen wir die bisherigen Erfahrungen Revue passieren und planen die nächsten Tage. Mit den Booten werden wir an verschiedenen interessanten Orten abgesetzt. Nach den Erfahrungen des Vortages wird es Zeit, dem Gerät ein Upgrade zu verpassen. So fällt meine Wahl auf eine GT-Popper-Rute, mit der ich in der Lage sein sollte, die Fische von den Felsen fernzuhalten. Bald gibt es die ersten Bisse, aber nichts bleibt hängen. Das ändert sich, als ein hungriger Zackenbarsch meinen Stickbait inhaliert. Leider kommt der Biss weit draußen. So schafft der Fisch es – ohne Schnur zu nehmen – in die Felsen und nicht einmal mein 200 lbs Mono-Vorfach verhindert den Abriss.
Zackenbarsch-Drill im Wasser
Zum Glück bekomme ich schon bald die nächste Chance: Wieder ein Zackenbarsch, der den Köder abfängt. Zackenbarsche sind starke Sprinter und versuchen, nach dem Biss direkt zurück in ihren felsigen Unterschlupf zu flüchten. Diesmal ist das Glück jedoch auf meiner Seite und ich kann den Fisch aus der Gefahrenzone heraushalten. Doch nun folgt die nächste Herausforderung: die Landung. Hierfür muss ich an einer Klippe entlang klettern. Der Zackenbarsch mobilisiert seine letzten Kräfte und steckt schließlich unter einem großen Felsen fest. Vom Ufer aus kann ich jetzt nicht viel ausrichten und beschließe, ins Wasser zu gehen.
Mit der Schnur in der Hand versuche ich, den Fisch zu erreichen, aber er ist einfach zu weit weg. Als ich schließlich unter Wasser tauche, sehe ich nur Felsen und keinen Zackenbarsch. Ganz im Wasser halte ich mich am Felsen fest und folge mit dem Fuß der Schnur. Plötzlich spüre ich ein Ziehen an der Leine: Er ist noch da! Nach einem Hin und Her schaffe ich es schließlich, den Zackenbarsch aus den Felsen zu manövrieren und an die Oberfläche zu befördern. Klatschnass klettere ich zurück ans Ufer, aber das war es wert!
Giant Trevally am Dropoff
Am Nachmittag steht ein anderes Gebiet auf dem Plan. Die Fliegenfischer werden in einem flachen Bereich nach GTs suchen, der Rest fischt an einer Kante zum tiefen Wasser, einem sogenannten Dropoff. Diese Felswand fällt hier beinahe senkrecht ab – ein regelrechter Großfischmagnet. Verschiedene Köder, Popper und Stickbaits, fliegen in Richtung der Kante. Nach einer Weile taucht ein riesiger GT aus dem Nichts auf und verfehlt meinen Köder nur haarscharf. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals beim Anblick dieses Monsters. Djibouti ist unter anderem für seine riesigen GTs bekannt, doch diese Fische aus nächster Nähe zu sehen, ist eine andere Nummer. Später verliere ich einen großen Fisch und auch Stewart bekommt einige Bisse.
Schließlich gelingt es ihm, in der Abenddämmerung noch einen schönen Red Snapper zu landen. Der Fisch wird zurück im Camp in ein grandioses Abendessen verwandelt und bietet eine willkommene kulinarische Abwechslung zu den üblichen Nudeln mit Soße. Die Fliegenfischer haben auch etwas Extremes erlebt, wie wir später erfahren. Neben den gesichteten GTs in den Untiefen stießen sie auf einen unheimlichen Fund: einen kompletten menschlichen Schädel! Wir haben schon gehört, dass vor ein paar Monaten ein Boot mit Flüchtlingen gesunken ist. Die Problematik schafft es zwar regelmäßig in die Nachrichten, aber sie mit eigenen Augen zu sehen, verleiht ihr noch einmal eine andere Tragweite…
Abenteuer in Djibouti: zwischen Wüste und Maschinengewehr
Die Erkundung des Sees zu Fuß ist bereits ein Abenteuer für sich. Nur mit Rucksack und Angelrute, auf der Suche nach neuen Fischgründen. Kilometerweit durchstreifen wir über unwegsames und völlig menschenleeres Gelände die karge Landschaft und diverse Klettereinheiten sind mit inbegriffen. Jeder Fisch, mit dem die Anstrengungen belohnt werden, sorgt für ein unvergleichliches Gefühl der Zufriedenheit. Dabei sehen wir einen Fischadler mit einem kleineren Trevally als Beute davonfliegen.
Während des Angelns kommen wir in den Genuss dieser abgeschiedenen, schroffen Gebirgslandschaft. Doch gelegentlich werden wir aufgeschreckt, wenn die Armee Übungen abhält. Wir hören regelmäßig schwere Bombenangriffe, Chinook-Hubschrauber, die tief über den See fliegen und einmal wurde sogar das Ufer mit einem Maschinengewehr beschossen. All das ist Teil dieser extremen Region und auch einer der Gründe, warum der Angeldruck hier so niedrig ist.
Popper im Mondschein
Beim Angeln auf GTs spielte das Timing eine entscheidende Rolle. Nicola hat bei einem früheren Trip die Passage zum Meer mit großem Erfolg in der Dunkelheit befischt. Diesmal haben wir Vollmond und nutzen unsere Chance. Nicht nur den Fischen bietet der Vollmond eine bessere Sicht, sondern auch den Anglern. Denn sollte man bei der enormen Strömung in der Nacht über Bord gehen, sind die Chancen, bald wiedergefunden zu werden, ohne das helle Mondlicht nicht gerade hoch.
Die enge Passage ist um einiges flacher als der See, wodurch die Strömung zusätzlich hohe Wellen erzeugt, und gerade bei Vollmond herrschen besonders starke Strömungen. Die GTs haben in diesen Bedingungen erhebliche Vorteile gegenüber ihrer Beute, die der Tide kaum etwas entgegen setzen kann. Es ist eine Herausforderung, unter diesen Bedingungen das Boot stabil zu halten, aber der Aufwand lohnt sich. Am Ende können wir in knapp 2 Stunden 10 Bisse verbuchen und 6 GTs zwischen 10 und 30 kg landen – ein wirklich produktiver Abend.
In Djibouti auf den Hai gekommen
Neben dem schweren Angeln auf GT, Snapper und Zackenbarsch ist auch das Fliegenfischen mit leichtem Gerät möglich. Es gibt genügend flache Bereiche, in denen man auf Sicht angeln kann und die Chance, Fische zu verlieren, ist dort nicht so groß. Wir sehen erstaunlich viele kleinere Napoleon- Lippfische, eine mittlerweile leider seltene Art, die hier aber noch häufig vorkommt. Hinzu gesellen sich verschiedene Arten von Rifffischen, Drückerfische und Hornhechte. Mein Rapala-Stickbait war Zeuge der großen Fischdichte und wurde am Ende des Trips – besonders am letzten Tag – regelrecht verstümmelt.
Zusammen mit Henk fischen wir an einer langen, flachen Uferlinie. Henk benutzt eine Fliegenrute und ich folge ihm mit der Spinnrute. Mehrmals stoßen wir auf jagende GTs, die aber nicht in Beißlaune sind. Ein wiederkehrendes Phänomen, denn nur Nicola konnte auf dieser Reise einen (großen) GT mit der Fliege fangen. Wir fangen einige Rifffische, aber die größeren Arten sind bislang nicht interessiert, bis ich plötzlich einen Schwarzspitzenhai entdecke. Schnell befördere ich meinen Stickbait in die Nähe des Hais, der sofort reagiert. Aggressiv verfolgt er den Rapala und nachdem er ihn geschnappt hat, dreht der Hai völlig durch! Eine wilde Flucht folgt und harte Kopfstöße durchzucken den Blank meiner Rute.
Während ich über die Felsen laufe und dem Hai folge, versuche ich, die Rute so hoch wie möglich zu halten. Überall gibt es scharfe Korallen, von denen ich die Schnur fernhalten muss. Nach den ersten Fluchten bekomme ich den Fisch etwas besser unter Kontrolle, aber in im Uferbereich fängt er an, aggressiv um sich zu schnappen. Die Landung muss entsprechend mit größter Vorsicht erfolgen, denn das nächste Krankenhaus liegt eine Tagesreise entfernt. Schließlich klappt es jedoch nach ein paar Versuchen, und der Hai kann erfolgreich gelandet und nach ein paar Fotos released werden. Was für ein toller Abschluss dieser Reise!
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