Ich kann gar nicht genau sagen, wie viele Reportagen ich über das Heilbutt angeln vor Island, Fänge und Angelreviere in der Kutter & Küste mit größtem Interesse regelrecht verschlungen habe. Denn der Heilbutt stand und steht auf meiner Liste der offenen Zielfische ganz oben. Von daher war der Traum, einen Heilbutt zu fangen, ein ständiger Reisebegleiter auf meinen Norwegen- und Islandtouren. Unser Hochseeclub Pils & Pilker existiert seit 1995 und fischt nunmehr seit 2008 jedes Jahr einmal in Island. Für 10 Tage ist das kleine Fischerdorf Flateyri dann ist unser Zuhause, wie auch in diesem Jahr.
Der Fang meines Lebens!
Am 05. August 2016 verließen meine Angelfreunde Dirk Mäder, Thomas Tharra und ich gegen 10.00 Uhr den idyllischen Hafen von Flateyri. Unser vierter Mann Julius, Dirks Sohn und trotz seiner erst 17 Lenze bereits erfahrener Hochseefischer, blieb an diesem Tag aufgrund einer Unpässlichkeit im Dorf zurück. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Wir würden ihn heute noch schwer vermissen. Bei ruhiger See fuhren wir also zu dritt in Richtung Eldingar, um wie üblich Dorsche jenseits der 10-Kilo-Marke, wenn möglich deutlich darüber, zu fangen. An den Tagen zuvor verzeichneten wir in diesem Seegebiet bereits gute Ergebnisse in unseren Fischkisten, die jedes Mal prall gefüllt waren. Große Dorsche und Seelachse zu fangen, sollte daher auch für diesen Tag kein Problem darstellen.
In Eldingar angekommen, lief zunächst alles nach Plan. Wir fingen Dorsche zwischen 5 und 10 Kilo, teilweise darüber. Nach ca. 1,5 Stunden Angelzeit wurden die Dorsche jedoch zunehmend kleiner, daher wir beschlossen, unser Glück an einer anderen Stelle herauszufordern. Gesagt – getan. Nach kurzer Fahrzeit rauschten die Pilker und Gummifische wieder hinab zum Meeresgrund. Bei Dirk und Thomas schien der Plan sofort aufzugehen. Dorsche über 10 Kilogramm zeigten sich schnell an der Wasseroberfläche. Nur bei mir stieg wieder so eine „Luftpumpe“ (ein bei uns üblicher Ausdruck für kleinere Dorsche) ein. Also begann ich mit lautem Meckern und Murren, den kleinen Fisch von geschätzten 3 Kilogramm aus ca. 70 Meter Wassertiefe heraufzukurbeln. Da der Fisch recht klein war, gelang dies auch sehr zügig, jedenfalls auf den ersten 10 bis 15 Metern. Doch dann kam alles ganz anders!
Der Wendepunkt
Ich verspürte im Mittelwasser einen starken und heftigen Ruck in meiner Rute, die von diesem Moment an nur noch in einem Halbkreis zur Wasseroberfläche zeigte. Die Tatsache, dass die Bremse meiner Multirolle exakt justiert war, machte sich in diesem Moment mehr als bezahlt. Eine gute Vorbereitung ist eben alles. Ich setzte all meine Kraft dagegen, um meine Rute festzuhalten. Ich sagte nur: „Hier stimmt irgendetwas nicht!“ Dirk und Thomas machten sich (nicht zum ersten Mal) über mich lustig. Es kamen Sprüche wie „Na Willi, hast Du jetzt schon einen Hänger im Mittelwasser“, oder „Machen Dir jetzt auch schon die kleinen Dorsche Probleme?“. Doch das Lachen sollte den beiden schnell vergehen, denn der sogenannte „Hänger im Mittelwasser“ wurde mehr und mehr lebendig und es lief eine beängstigende Menge Schnur von der Rolle, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Jetzt bemerkten auch meine Kollegen das Geschehen an meiner Rute. Sofort kamen in der bei uns üblichen Kameradschaft alle anderen Köder aus dem Wasser.
Machtlos
Wie gesagt, ich konnte nichts machen, außer die Rute festzuhalten und mich mit aller Kraft gegen das zu stemmen, was sich dort unten meinen Köder mitsamt dem kleinen Dorsch einverleibt hatte. Auf einmal kamen auch von meinen beiden Kollegen keine Sprüche mehr, denn uns wurde schnell klar, dass etwas wirklich Großes angebissen haben musste. Und der Fisch, der dort am Haken hing, machte uns schnell klar, wer hier der Chef im Ring ist. Was blieb mir also anderes übrig, als zunächst nach seinen Regeln zu spielen? Eine solche Urgewalt und Kraft hatte ich bis dato noch nie von einem Fisch an meiner Angel verspürt.
Hatte ich mir 5 Meter Schnur geholt, nahm der Fisch sich gefühlte 25 Meter. Das ganze Spiel ging eine gute Stunde hin und her. Beim Drill schossen mir Gedanken durch den Kopf wie: „Hält der Knoten? Habe ich den stabilen Wirbel verwendet? Ist das Vorfach auf Dauer dick genug?“ Aber ich konnte nur eins machen: Ruhe bewahren. Und nach ca. 1,5 Stunden Drillzeit zeigte sich der Fisch dann zum ersten Mal an der Wasseroberfläche. Die ersten Worte von Thomas waren: „Das ist ein Butt von über 100 Kilogramm“. Wir waren alle nervös, denn eine solche Situation hatten wir trotz unserer langjährigen Hochseeerfahrung noch nie erlebt. Schnell erkannten wir, dass der Fisch zu unserem Leidwesen bereits größere Verletzungen davongetragen hatte, so dass ein waidgerechtes Zurücksetzen bedauerlicherweise unmöglich war. Spätestens ab jetzt war beherzte Teamarbeit angesagt.