Heilbutt angeln vor Island – Der Fisch des Lebens

Das Blatt wendet sich

Also suchten wir fieberhaft nach einem Plan, ihn ins Boot zu bekommen. Plötzlich sagte Dirk: Ich baue uns aus dem Ankerseil eine Schlinge, die wir mit dem Gaff um den Schwanz des Heilbutts legen. Das könnte klappen.“ Gesagt, getan. Diese war schnell gebaut, aber der erste Versuch, die Schlinge um den Schwanz zu legen, scheiterte kläglich, da sie viel zu klein für diesen Giganten war. Ab diesem Moment war der Butt wieder hellwach und rauschte abermals wie ein D-Zug in die Tiefe des Meeres. Nach einem weiteren harten Drill und zwei gescheiterten Versuchen, gelang es Thomas, den Fisch mit Hilfe des Gaffs in eine günstige Position nahe an die Bordwand zu bringen und Dirk konnte im dritten Anlauf die Schlinge erfolgreich am Riesenschwanz des Butts platzieren.

Jetzt hatte sich das Blatt gewendet: Wir hatten den Fisch sicher, aber leider noch nicht im Boot. Wie sehr hätten wir jetzt unseren vierten Mann Julius gebraucht! Wir atmeten kurz durch und beschlossen, unsere Kollegen auf dem anderen Boot anzurufen. Glücklicherweise hatten wir einen Netzempfang, was für diese Gegend nicht gerade üblich ist. Unsere Freunde fischten gerade im Seegebiet Spillir, ca. 13 Seemeilen von uns entfernt. Durchs Telefon berichteten wir von einem Butt von über 100 Kilogramm und dass wir besser jetzt als gleich Hilfe bräuchten. Diese Info war für unsere Jungs Grund genug, ihre Angeln unverzüglich einzuholen und sich sofort auf den Weg zu machen. Aber die Fahrzeit betrug mindestens 1 Stunde. In der Zwischenzeit versuchten wir es allein.

Drei bis vier Versuche, den Butt zu dritt ins Boot zu ziehen, scheiterten in einer Art unfreiwilliger Slapstick-Einlage, in der wir wohl nicht gerade die beste Figur machten, sondern uns anstatt des Fisches den einen oder anderen blauen Fleck zuzogen. Mittlerweile gesellte sich ein weiteres Angelboot zu uns und verfolgte aufmerksam unsere vergeblichen Bemühungen. Sie fotografierten das Geschehen, aber bei ruhiger See an Bord kommen und helfen wollten sie nicht. Völlig erschöpft saßen wir an Bord, mit dem Butt am Seil, aber mehr oder weniger ratlos. So oder ähnlich musste sich die Hauptfigur aus „Der alte Mann und das Meer“ gefühlt haben, als er den Fisch seines Lebens mit seinen bescheidenen Möglichkeiten zwar endlich am Boot, aber noch lange nicht in Sicherheit hatte.

Ein aussichtsloses kräftezehrend Unterfangen? Nicht ganz. Das Blatt sollte sich noch wenden.

Ein aussichtsloses kräftezehrend Unterfangen? Nicht ganz. Das Blatt sollte sich noch wenden. Foto: privat

Wir hatten uns selbst übertroffen

Irgendwie schien alles aussichtslos und wir dachten, wir wären einfach zu schwach für unser Vorhaben. Dann sagte Thomas entschlossen: „Jungs, wir versuchen es jetzt noch ein letztes Mal, sonst warten wir auf das zweite Boot.“ Wir waren uns einig, den letzten Versuch mit aller noch vorhandenen Kraft durchzuführen. Aber zwei bis drei Minuten Pause brauchten wir noch zum Durchatmen. Dann legten wir uns das Seil um die Handgelenke und auf „3“ sollte es losgehen. Als die „3“ kam ging die Post ab: Wir legten all unsere verbliebenen Kräfte zusammen! Laute Schreie wie: „Los!“, „Zieht!“, „Feste!“ oder „Er kommt!“ schallten über das Meer. Es gab ein wildes Durcheinander, wir alle drei fielen hin, dann ein dumpfer Schlag! Wir alle lagen auf dem Rücken, aber der Butt lag im Boot und schlug mit der Schwanzflosse. Unsere lauten Jubelschreie mussten noch bis Grönland zu hören gewesen sein. Die Schmerzen spürten wir in diesem Moment nicht. Als wir alle wieder auf den Beinen waren und realisiert hatten, dass niemand ernsthaft verletzt war, war unsere Erleichterung riesengroß: Ein gigantischer Heilbutt von über 2 Meter Länge lag in unserem Boot. Wiegen konnten wir ihn nicht, aber erste Schätzungen gingen deutlich über die 100 Kilo-Marke. Unglaublich, aber wir hatten uns selbst übertroffen und es tatsächlich geschafft.

Völlig erschöpft haben die drei (von links: lWilli, Dirk Thomas) den kapitalen Heilbutt ins Bott befördert.

Völlig erschöpft haben die drei (von links: lWilli, Dirk Thomas) den kapitalen Heilbutt ins Bott befördert. Foto: privat

Wir spulten den kompletten „Film“ zurück

Noch etwa eine Stunde saßen wir im Boot, ließen die Erlebnisse der vergangenen Stunden noch einmal Revue passieren und atmeten erst einmal wieder tief durch. Die Augen dabei immer wieder ungläubig auf den Butt gerichtet, freute mich über den „Fang meines Lebens“. Gelungen ist mir dies mit folgender Ausrüstung:

  • einer 0,21 mm geflochtenen Schnur
  • einer 30- 50 lbs-Rute von Eisele-Atlantik-Challenger
  • einer Penn Multirolle 321 GT
  • einem rotem Gummifisch…
  • …und nicht zu vergessen: Meinen beiden Bootskollegen Thomas und Dirk.

Wir waren uns alle einig: Keiner von uns wollte an diesem Tag noch Dorsche fangen, denn das war nicht mehr zu toppen. Daher beendeten wir unseren Angeltag, informierten unsere Freunde auf dem anderen Boot, die ja noch zu uns unterwegs waren und fuhren völlig erschöpft, aber überglücklich und natürlich voller Stolz zurück nach Flateyri, wo wir schon erwartet wurden. Unser Guide Tim kümmerte sich sofort um das Wiegen und Vermessen sowie um die professionelle Versorgung des Fisches in der dortigen Fischfabrik. Natürlich wurden auch jede Menge toller und unvergesslicher Fotos gemacht.

Der Lohn unsere Mühen

Und dann war es amtlich: Der Lohn unserer Mühen war ein Butt mit 156 Kilogramm und 2,28 Meter Länge. Ich bin mir sicher: Dieser Fisch ist der „Fang meines Lebens“ und wird nicht nur mir sondern allen Mitgliedern und Freunden unseres Hochseeclubs Pils & Pilker-Truppe in unvergesslicher Erinnerung bleiben.

Mein besonderer Dank gilt meinen beiden Bootskollegen Dirk und Thomas, die in jeder Situation richtig und beherzt gehandelt haben und natürlich allen anderen Mitgliedern und Freunden der Pils & Pilker-Truppe, bei unserem Guide Tim vor Ort in Flateyri und bei Matthias „Matti“ Bierwirth von Island-Pro-Travel für die perfekte Reisevorbereitung.

Petri Heil Euer „Willi“ (Wilfried Schürmann)


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