„Da vorne neben der Boje wird es schnell flacher und oben auf der Kante steht jede Menge Kraut bis einen halben Meter unter die Oberfläche“, mein Freund deutet auf einen imaginären Punkt 30 Meter vor dem Boot. Er kennt sich gut aus, war sicherlich schon zehnmal hier und kennt sich beim Angeln im Greifswalder Bodden bestens aus. Inzwischen dämmert es und wir sind an einen Flachwasserbereich in der Nähe des Hafens Lauterbach gefahren, um zu schauen, ob die Barsche heute Abend im Flachen rauben. Ich werfe den kleinen Gummifisch auf das vermutete Flachwasser, mache ein paar rasche Kurbelumdrehungen und lasse ihn kurz absinken.
Kurz bevor ich wieder kurbeln kann, gibt es einen satten „Tock“. Der Anhieb kommt automatisch und hart, die feine Barschrute verneigt sich tief im Rhythmus kräftiger Kopfstöße. Hoppla, ist das einer der immer häufiger werdenden Zander? Dann gibt es einen Schwall an der Oberfläche und der Fisch nimmt zehn Meter Schnur. Ist es doch ein mittlerer Hecht oder gar ein ganz kapitaler Barsch? Die Spannung an Bord ist groß – wer kämpft da bloß am anderen Ende?
Fast alles ist möglich beim Angeln im Greifswalder Bodden
Was den Köder auf dem Greifswalder Bodden nimmt, ist nie ganz klar. Es kommt eine breite Palette von Süß- und Salzwasserarten vor. Im zentralen Bereich des Boddens ist es nicht ungewöhlich, auf Wurm oder kleine und kleinste Gummiköder nebeneinander Brassen, Flundern, Barsche oder Hornhechte zu fangen. Selbst Dorsche kommen im späteren Frühjahr und Herbst weit in den Bodden hinein und sind dann willkommener Beifang.
Flundern lassen sich zu bestimmten Zeiten wunderbar gezielt beangeln, mitunter mitten in den Barschen. Auf dem Echolot sieht man regelmäßig Futterfischwolken – dabei ist nie klar, ob es sich um Sprotten, Ukeleis, Sandaale oder Rotaugen handelt. So eine Vielfalt übt einen ganz besonderen Reiz beim Angeln aus. Durch die vielfältigen und reichhaltigen Nahrungsquellen sind die Fische im Bodden in top Kondition und schmecken fantastisch.
Faktencheck Greifswalder Bodden
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Im Wandel der Jahreszeiten
Ein so großes und vielseitiges Revier bietet den Fischen zu den verschiedenen Jahreszeiten sehr unterschiedliche Nahrungsquellen. Als Angler gilt es, diese zu kennen und die Methoden und Angelplätze entsprechend zu wählen. Zu Beginn des Jahres stehen die Weißfische und mit ihnen viele Räuber im Winterquartier. Das sind tiefere Bereiche von Buchten und Häfen, denn was die Fische nun nicht schätzen, sind Strömung und zu viel Bewegung. Der Hafen von Lauterbach zum Beispiel ist im Winter komplett überbevölkert. Unter allen Arten von Weißfischen stehen nebeneinander Barsch, Hecht und Zander.
Bis das Eis kommt, steigert sich die Qualität der Angelei im Laufe des Winters. Januar und Februar sind im Hafen absolute Top-Monate, wenn es dabei nicht zu kalt wird. Irgendwann ziehen die Temperaturen langsam wieder an und das Leben im Flachwasser kehrt zurück. Jetzt haben die Hechte ihre verdiente Schonzeit. Auch die Weißfische und mit ihnen Barsche und Zander verlassen allmählich das Winterlager Richtung Bodden. Um die Barsche wird es für kurze Zeit etwas ruhiger, sie haben nun Anderes im Kopf. Zur gleichen Zeit treffen auf den zur offenen See gelegenen Riffen und Seegraswiesen die Meerforellen ein.
Die beste Zeit für die edlen Räuber liegt zwischen Februar und April. Sie lassen sich gut mit kleinen Blinkern und Kleinködern am Sbiro fangen. Mit dem Ende der Hechtschonzeit geht es wieder richtig los: Die Hechte haben nach dem Laichgeschäft großen Hunger. Zudem treffen Hornhechte in großen Mengen ein, die Barsche sind mit dem Ablaichen fertig und stürzen sich willig auch auf große Köder.
Im Laufe des Sommers verteilen sich die Räuber weiter: Große Freiwasserhechte ziehen den Heringen hinterher und jagen diese bis in den späten Herbst auf den offenen Wasserflächen. Kleinere und mittlere Hechte stehen auch im Sommer im Flachwasser und an dessen Kanten, wo sie Weißfische erbeuten und man ein tolles Sommerangeln erleben kann.
Steine und Barsche
Barsche suchen vermehrt Steinfelder und Riffe auf, auf denen sie Garnelen, Grundeln und anderen Kleinfisch jagen. Im Hochsommer kann man eine fantastische Mittelwasserangelei mit Wobblern auf Barsch erleben, wenn diese sich an den heranwachsenden Weißfischen mästen. Die Angelei auf Friedfisch ist kaum bekannt, hat aber unglaubliches Potential. Wirklich kapitale Rotfedern, Rotaugen und Brassen ziehen vor den Schilfgürteln ihre Bahnen – hier gibt es echte Chancen auf einen persönlichen Rekordfisch!
Die Herbstangelei ist vielfältig und ähnelt dem Fischen im Sommer. Allerdings legen die Räuber nochmal eine Schippe drauf, jagen intensiver, verteilen sich allerdings auch weitläufiger. Der Herbst ist auch eine ganz heiße Zeit, um es mal gezielt mit kleinen Gummis oder Wurm auf Flundern zu versuchen. Sandige Bereiche von Plateaus im offenen Wasser sind hierfür goldrichtig.
Die großen Fischschwärme ziehen langsam ins Winterlager, wenn die letzten Segelboote aus dem Wasser geholt werden. Die Räuber folgen ihnen – oft mit gewissem zeitlichem Abstand. Die Hechte zieht es mit geringeren Wassertemperaturen wieder vermehrt ins Flachwasser und spätestens Mitte November stehen auch die Chancen auf Großhecht im Flachen wieder richtig gut.
Kunstköder-TippEs fangen natürlich alle Köderarten beim Angeln im Greifswalder Bodden. Dünnblechige Blinker punkten im Flachwasser genauso wie Wobbler. Grundsätzlich liegt man mit Gummifischen und einer Auswahl unterschiedlich schwerer Jigköpfe aber richtig. Ein paar verschiedene Größen und Farben sollten es aber schon sein. Braune und Fluo-Farben haben sich bei den meisten Bedingungen bewährt. Der Angelshop vor Ort hält eine beeindruckende Palette vorrätig. |
Angeln im Greifswalder Bodden- Überraschung zum Schluss
Der Fisch ist inzwischen unter dem Boot und obwohl die Rute sich im Halbkreis biegt, ist er noch nicht an die Oberfläche zu bekommen. Zweimal hat er schon ein paar Meter Schnur genommen, doch die Kreise werden enger. Er kommt wieder hoch. Das erste Mal sieht man etwas: gräuliche Rundschuppen – hä, ein Weißfisch? Kurz vor dem Kescher kommt ein riesiges Maul zum Vorschein. Das gibt es doch gar nicht! Doch tatsächlich, eine Sekunde später liegt ein Mitte 60er Rapfen im Kescher. Was für ein einzigartiges Gewässer!