Der Traum vom Großhecht lockt viele auswärtige Angler zum Angeln an die Bodden. Die Die Erwartungen sind jedesmal hoch und vollauf berechtigt: Denn nirgendwo sonst in Deutschland werden so viele Großhechte gefangen wie in den brackwassergefüllten Boddengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. Manchmal erfolgt beim Spinnfischen Biss auf Biss und zwischen den zahlreichen 70er und 80er Hechten befindet sich dann auch der ersehnte Meterhecht.
Aber manche Tour endet auch mit einer herben Enttäuschung. Denn Boddenhechte sind anders und auch die Gewässer, in denen sie leben, sind anders. Beginnen wir bei den Gewässern: Die Boddengewässer sind eigentlich flache Meeresbuchten der Ostsee. In ihnen vermischen sich das Salzwasser der Ostsee und das Süßwasser der Oder sowie kleinerer Flüsse zu einem einzigartigen Lebensraum aus schwach salzigem Brackwasser, in denen Lebewesen des Süß- und Salzwassers unmittelbar nebeneinander vorkommen. Für Hechte sind die Bodden dadurch ein riesiges Schlaraffenland: Heringe und Rotaugen, Barsche und Flundern, Sandaale, Aalmuttern, Stichlinge, Grundeln, junge Zander und Hornhechte – das Artenspektrum an Fischen in den Bodden, die einem hungrigen Hecht als Nahrung dienen können, ist extrem vielgestaltig und reichhaltig.
Angeln in den Bodden: Reichhaltig Nahrung steht den Hechten zur Verfügung
Die größte Bedeutung unter allen Futterfischen haben für den Boddenhecht jedoch die Heringe: Die Boddengewässer nebst den daran angrenzenden Seegewässern sind der Laichplatz des größten Heringsstammes der gesamten Ostsee, des sogenannten Rügenschen Frühjahrsherings. Dank dieser Fettfische sind die Boddenhechte unheimlich schnellwüchsig. Ein im Rahmen einer Studie im Greifswalder Bodden gefangener und untersuchter Hecht war bei einem Gewicht von 21 Pfund nur neun Jahre alt. Im Vergleich dazu wiegt ein neun Jahre alter Hecht aus einem norddeutschen Süßwassersee gerade einmal die Hälfte.
Durchschnittlich sind die Hechte, die zum Laichen in die Boddengewässer ziehen, zwischen 20 und 30 Zentimeter groß. Da die Hechte also große Beute gewöhnt sind, haben sie kein Problem damit, auch Spinnköder in 20 bis 30 Zentimeter Länge zu attackieren. Viele Gastangler machen jedoch den Fehler, zu kleine Köder einzusetzen. Damit lassen sich zwar auch Hechte fangen, nur ist die Wahrscheinlichkeit groß, sich dadurch mit vielen kleinen und mittleren Räubern „herumschlagen“ zu müssen und an den großen Hechten vorbei zu fischen.
Schweres Angelgerät
Der nächste Fehler, der oft begangen wird, ist das zu leichte Gerät. Zu großen Ködern gehören nämlich auch entsprechend harte, rückgratstarke Ruten. Dabei ist das Wurfgewicht nicht einmal das Hauptproblem – sondern vielmehr der harte Anhieb, der bei einem Biss gesetzt werden muss. Wenn ein großer Hecht den Köder attackiert, hält er ihn zwischen seinen Zähnen fest wie ein Hund ein Stück Fleisch. Die Rute muss so viel „Bumms“ besitzen, dass beim Anhieb dieses „Stück Fleisch“ so heftig bewegt wird, dass es rutscht und der Haken greifen kann. Viele Gastangler kommen mit ihren für mittlere Räuber ausgelegten Allround-Ruten an den Bodden und können mit diesen vergleichsweise leichten Ruten die großen Hechte dann nicht festmachen, weil der Anhieb den Köder im Maul der Räuber nicht bewegt und dadurch die Haken auch nicht greifen können.
Ein weiterer Fehler besteht darin, am Guide zu sparen. Das Problem ist nämlich, dass die Bodden ein hochkompliziertes, zur Ostsee offenes System mit sich ständig verändernden Strömungen, Wasserständen und Salzgehalten sind – und für die darin lebenden Süßwasserfische damit ein grenzwertiger Extrem-Lebensraum. Eine Extrem-Wetterlage kann beispielsweise durch Salzwasser-Einbrüche kurzzeitig Bedingungen schaffen, durch die Hechte gezwungen sind, ihre bisherigen Standplätze zu verlassen und weiträumig auszuweichen oder zumindest kurzzeitig das Fressen und damit auch das Beißen komplett einzustellen.
Auch die Futterfische bewegen sich in diesem völlig offenen System ungezwungen hin und her. Und die Räuber folgen ihnen. Bei einer Gesamtgröße von rund 1650 Quadratkilometern entspricht das einer Fläche, die dreimal so groß ist wie der Bodensee, auf der sich Hechte und Futterfische frei bewegen können. Es ist natürlich klar, dass solch eine riesige Wasserfläche nicht in drei Tagen erfolgreich erkundet und beangelt werden kann – noch dazu wenn man ortsfremd ist. Hinzu kommt, dass die Boddengewässer ebenso rauh und gefährlich sein können wie die offene Ostsee selbst, und dass es Stellen gibt, wo unmittelbar neben der Schifffahrtsrinne das Wasser so flach ist, dass man sich die Schraube des Bootsmotors beschädigen kann.
Obwohl es schon aus Gründen der eigenen Sicherheit klüger ist, die Hilfe eines ortskundigen Guides in Anspruch zu nehmen, verzichten nicht wenige Angler aus Kostengründen darauf – und müssen erleben, dass Plätze, wo sie beim letzten Mal ohne Guide erfolgreich waren, plötzlich keinen Biss bringen. Das kann einem Guide natürlich auch passieren, denn die Verhältnisse unter Wasser können sich durch veränderte Strömungen von einen auf den anderen Tag komplett ändern. Aber ein Guide hat dann – im Gegensatz zu Ortsunkundigen – aufgrund seiner Erfahrung einen „Plan B“ in der Tasche, wie der Angeltag doch noch zu retten ist. So gesehen ist ein guter Guide nicht zu teuer, sondern quasi unbezahlbar.
Flexibilität ist beim Angeln in den Bodden gefragt
Hechte verhalten sich in den Boddengewässern extrem flexibel, wenn es darum geht, Futterfische zu finden. Einer der am häufigsten begangenen Fehler besteht beispielsweise darin, anzunehmen, dass große Hechte nur im tiefen Wasser zu finden sind. Dementsprechend häufig werden gnadenlos fleißig schwere Gummifische in den Bereichen ab vier, fünf Meter Wassertiefe geworfen – auch wenn es dort seit Tagen kaum nennenswerte Fänge gibt. Auf die Idee, dass auch ein Hecht von 1,20 Meter Länge flaches Wasser aufsucht, scheint niemand zu kommen. Häufig werden die dicken Hechtmuttis jedoch flacher als 3,5 Meter gefangen.
Ein weiterer Denkfehler, den vor allem Süßwasserangler machen, ist der Glaube an das Märchen vom „einsamen Wasserwolf“. Es mag sein, dass der Hecht in kleineren Gewässern mit weit verstreuten Kleinfischen ebenso weit übers Wasser verteilt ist. Aber auf den Boddengewässern trifft das in aller Regel nicht zu. Wer hier den ersten Hecht gefangen hat, kann meist davon ausgehen, dass sich im weiteren Umfeld des ersten Fanges weitere Fische aufhalten. Also nach dem ersten Erfolg nicht woanders hinfahren, sondern konzentriert weiterfischen
Aufgrund der insgesamt großen Zahl an Hechten gibt es auch erstaunlich große Zusammenrottungen dieser Raubfische. In extremen Fällen kann es dann passieren, dass mehrere Boote konstant auf einer kleinen Fläche von vielleicht 300 mal 100 Meter konstant den ganzen Tag über Biss auf Biss zu verzeichnen haben. Das sind jene Traumtage, von denen Bodden-Fans zehren, wenn es mal nicht so gut läuft.
Was neben den angesprochenen Traumtagen für eine Tour an die Boddengewässer spricht, ist die Tatsache, dass dort praktisch ganzjährig Fangsaison ist. Wenn am 1. Mai die Schonzeit endet, geht es „sofort in die Vollen“. Über den ganzen Sommer werden von Ortskundigen im Tiefwasser gute Hechte gefangen, wogegen das Flache vor allem von kleinen und mittleren Fischen bevölkert wird.
Im Herbst geht es dann wieder in den mittleren Wassertiefen Boddengewässer zur Sache, weil jetzt auch große Fische ins sich abkühlende Flachwasser ziehen. Die vielleicht spannendste Zeit des Jahres ist der Winter – also ausgerechnet jene Zeit, in der an den heimischen Vereinsgewässern nicht viel passiert. Dank des späten Schonzeitbeginns am 1. März lässt es sich auf den Boddengewässern von Dezember bis Ende Februar hervorragend fischen. Wer zu dieser Zeit die Fische findet, kann sich auf Traumtage mit dicken Hechten freuen.
Die wichtigsten Fragen zum Angeln in den Bodden im Überblick
Wie hoch ist die Chance, einen Meterhecht zu fangen?
Gut, aber dennoch schlechter, als es manchmal dargestellt wird. Zwar wachsen die Hechte extrem schnell, aber es werden insbesondere von Fischern, aber auch von Anglern viele Großfische entnommen. Schneidertage sind nicht völlig ausgeschlossen. Dennoch sind Hechte um 70 cm in der Regel relativ leicht zu fangen, da der Bestand fantastisch ist.
Wie sinnvoll ist es, einen Guide zu buchen?
Erfahrene Raubfischangler werden im Bodden auch ohne Guide ihre Fische fangen. Wenn man allerdings keinerlei Gewässerkenntnis hat und selten auf Hecht & Co. fischt, steigert man mit einem Guide die Erfolgsaussichten deutlich. Der Vorteil besteht darin, dass der Guide weiß, welche Stellen und Köder aktuell fängig sind.
Was sollte man beim Hechtangeln ohne Guide beachten?
An den Kanten der Fahrrinne ziehen immer ein paar Räuber vorbei, allerdings dürfen sie keinesfalls in der Fahrrinne ankern. Im Herbst stehen die Hechte gerne an tieferen Stellen, doch auch über Krautfeldern im Flachwasser sind Bisse zu erwarten. Die beste Methode ist das Spinnfischen. Mit Gummifischen und Wobblern um 15 cm, in grün, silber und blau hat man Köder dabei, die fast immer fangen.
Lohnt sich das Angeln vom Ufer?
Die Fänge beim Uferangeln sind im Normalfall schlechter als vom Boot aus. Eine Wathose ist Pflicht, dann sind gerade zum Saisonstart, aber auch kurz vor der Schonzeit durchaus schöne Fische für Uferangler drin. Komplett ausgestattete und führerscheinfreie Boote können während der Hechtsaison aber immer ausgeliehen werden.
Von den kapitalen Boddenhechten weiß jeder, was kann man sonst noch fangen?
Saisonal sind tolle Herings- und Hornhechtfänge möglich. Sehr gut ist auch der Barschbestand, Fische über 40 cm sind absolut keine Seltenheit. Weißfische gibt es ebenfalls, sie werden aber kaum beangelt.