Wels am Neckar: Rückkehr eines legendären Welsgewässers

Die Nachrichten von kapitalen Fängen gingen wie ein Lauffeuer durch die Republik: Vor 25 Jahren hatte der Neckar unter Welsanglern einen legendären Ruf. Aber was haben die bekannten einstigen Hotspots zwischen Heidelberg und Mosbach heute noch zu bieten? Peter Merkel hat den Praxistest gemacht. Er hat an diesen Stellen eine Saison lang geangelt und zieht ein erfreuliches Fazit: Der Neckar ist als Top-Welsgewässer zurück.

Wels aus dem Neckar wird gelandet

Bild: P. Merkel

Ein Wels aus dem Neckar: Auch wenn die meisten Fische noch halbstark sind, lässt die Zahl der Räuber auf größere Welse in den nächsten Jahren hoffen.

Lange ist es inzwischen her, dass die von mir befischten Plätze absolute Geheimtipps waren und vielleicht die besten Spots, an denen man am Neckar auf Wels angeln konnte. Ich habe hier schon Mitte der 1990er-Jahre meine ersten Großwelse gefangen. Es waren zwar keine Ausnahmefische nach heutigem Standard, aber gezieltes Welsangeln war zu dieser Zeit in Deutschland so gut wie nicht verbreitet.

Wels unter Wasser

Bild: Kletr/Adobe Stock

Still und leise kehrt der Wels zurück: Am Neckar haben die Bestände wieder zugelegt. Der Fluss ist auf dem besten Weg, wieder einer der Top-Adressen für Welsangler zu werden.

Welsgewässer Neckar: Eine Reise in die Vergangenheit

Die Fangmethoden steckten noch in den Kinderschuhen und man musste sich sogar noch die Frage stellen, ob überhaupt Welse im Gewässer vorkommen. Mit der Zeit wurde das Welsangeln immer populärer und auch die Welsbestände verbreiteten sich in nahezu jedem Gewässertyp. Die Längenmaße der Top-Fische schnellten ebenfalls in neue Dimensionen. Man kann behaupten, der damalige 180er-Wels ist heute der 250er. Zu jener Zeit ging die Nachricht vom Fang eines 180 Zentimeter langen Welses aus Deutschland wie ein Lauffeuer durch die damals noch kleine Szene.

Es wurde viel gerätselt, interpretiert und vermutet. Das lag schlicht und einfach daran, dass nur wenige Erfahrungswerte zum gezielten Fang von Welsen existierten. Und es gab kein Internet – unvorstellbar aus heutiger Sicht der Informationsbeschaffung. Als Welsangler bekam man nichts geschenkt, jeder musste von der Pike auf lernen und seine eigenen Erfahrungen machen. Wer fangen wollte, musste viel Zeit am Wasser verbringen und seine eigenen Ideen in der Praxis ausprobieren.

Fangbild mit drei Welsen

Bild: P. Merkel

Ein Bild aus längst vergangenen Zeiten: Noch Ende der 1990er-Jahre konnten die Spezialisten am Neckar mehrere Großwelse an einem Tag fangen.

Montagen überdauern die Zeit

Einige der damaligen Erfindungen sorgen auch heute noch für Erfolge – so zum Beispiel die „Merkel-Montage“, die ich Ende der 1990er-Jahre entwickelt habe. Dabei handelt es sich um eine Art Bojen-Montage, bei der die kleine Fix-Boje durch die Spannung der Rute unter Wasser gezogen wird. Nur so konnte man in Schifffahrtsstraßen überhaupt angeln. Bei einem Biss wurde die kleine Boje durch eine lange Reißleine mit der restlichen Montage aus dem Wasser gezogen.

Illustration der Merkel-Montage fürs Welsangeln

Bild: B. Gierth

Der Name verrät’s: Unser Autor hatte die Idee zur sogenannten „Merkel-Montage“. Dank der Schnurspannung zum Stein wird die kleine Boje unter Wasser gezogen. Auf diese Weise ist auch ein Angeln bei Schiffsverkehr möglich. Bei einem Biss reißt die Schnur kurz vor dem Stein, der Fisch kann ungehindert mit dem Köder und dem Rest der Montage abziehen.

Neckar-Waller: Hotspots für Großfischangeler

Aber nun zurück zu den „Oldschool- Plätzen“: Mit den Angelplätzen ist das früher schon so gewesen wie auch heute noch – durch Fänge werden sie bekannter, sodass immer mehr Angler ihr Glück an diesen Stellen versuchen. Mit der Zahl der Angler nehmen aber die Erfolge rapide ab. Die Plätze sind verangelt, der Angeldruck ist zu stark, die Fische verlassen den Gefahrenbereich und suchen sich neue Ruhe- und Fresszonen.

Zuerst sind an einem Fluss die offensichtlichen Spots wie Hafeneinfahrten, Kraftwerksausläufe und Spundwandspitzen im Visier der Angler. Oder aber es sind auch unscheinbare Plätze, die durch Mundpropaganda nach besonderen Fängen publik werden. Aber jeder kann sich sicher sein: Ein Platz, auf dem gut gefangen wurde, ist schon beim zweiten Angelversuch nicht mehr so gut wie er war. Auch der eigene Angeldruck auf selbst gefundene Spots ist nicht zu unterschätzen.

Angler beim Spinnfischen auf Wels

Bild: P. Merkel

Zum Spinnfischen auf Welse braucht man schweres, verlässliches Gerät.

Es gibt nur ein Mittel, eine Stelle über einen langen Zeitraum oder sogar Jahre am Leben zu halten: sich selbst zurückzunehmen und den Plätzen zwischen jedem Angeln einige Wochen Ruhe gönnen. Doch wer macht das schon? Wen juckt es nicht schnell wieder in den Fingern, an jenen Angelplatz zurückzukehren, an dem man sehr erfolgreich war?

„Oldschool-Plätze“ am Neckar sind wieder in

Auch diese „Oldschool-Plätze“ am Neckar standen auf einmal unter jahrelangem, wenn nicht sogar jahrzehntelangem Angeldruck. Teilweise reisten die Angler von weither an, um an diesen Stellen zu fischen. Die Fangerfolge waren nun äußerst überschaubar oder nicht mehr vorhanden. Und die heimischen Spezialisten angelten schon lange an allen möglichen anderen Stellen – mit weit größeren Erfolgen als noch zur Anfangszeit. Wer blickt da dann noch zurück?

Natürlich hat sich über die Jahre auch der Wels viel stärker ausgebreitet. Der eigentliche Grund für die neuen Erfolge ist aber, dass die nach wie vor wenigen Spezialisten dadurch den Neckar wie ihre Westentasche kennenlernten und einen genauen Überblick hatten, was am Fluss los ist und wo geangelt wird.

Peter und Hund Anton auf dem Boot

Bild: P. Merkel

Auch auf das Klopfen mit dem Wallerholz reagieren die Welse wieder positiv. Oder ist es vielleicht doch nur „Bootshund Anton“, der Peter immer wieder Fangglück beschert?

Wels-Hotspot Hirschhorner Schleife

Irgendwann kam ich dann auf die Idee, gerade diese alten Plätze mal wieder zu beangeln, weil dort schon jahrelang kein Welsangler mehr gewesen ist. Wie im bekannten Märchen kann man sagen, dass diese Angelspots in den „Dornröschenschlaf “ gefallen waren. Es wurde Zeit für mich, sie wach zu küssen. Mit zwei „Wild Cat’z“-Welsruten ausgestattet – die abschnittspezifischen Jahreskarten und ein großer Tauwurm-Vorrat wurden vorab im Angelladen besorgt – machte ich mich auf den Weg.

Zuerst fuhr ich nach Hirschhorn an die Neckarschleife. Hier befindet sich übrigens der mir bekannte – mit einer Wassertiefe von über zehn Metern – tiefste Bereich des gesamten Neckars. An der Angelstelle angekommen, prüfte ich zunächst kritisch, ob der Platz wirklich so gut wie unbefischt ist? Nach kurzer Sichtung war ich mir dessen sicher, denn wenn die Brennnesseln fast einen Meter hoch wachsen, dann kann schon länger kein Mensch mehr hier gewesen sein. Schnell montierte ich meine zwei Ruten und fuhr die Montagen leise mit dem Schlauchboot an die interessanten Stellen dieses Platzes. Grob gesagt platzierte ich sie an der sehr stark in die Tiefe abfallende Sandbankkante. Hier legte ich eine U-Posen-Montage aus und flussauf in die Außenkurve eine Merkel-Montage in der Nähe eines umgestürzten Baumes.

Ich harrte der Dinge, die da kommen sollten. Warten musste ich nicht lange, denn kurz nach Einbruch der Dunkelheit fing ich nach vielen Jahren hier wieder einen circa einen Meter langen Neckarwaller – und somit auch einen Wels, den es vor 20 Jahren hier noch nicht gegeben hat, wie seine überschaubare Größe zeigt.

Tauwurmbündel als Köder für Welse

Bild: P. Merkel

Peter hat in den zurückliegenden Jahrzehnten unzählige Welse aktiv beim Klopfen und mit Tauwurmbündeln gefangen.

So strömt der Neckar

Der Neckar ist ein Nebenfluss des Rheins von 362 Kilometern Länge – mit dem längeren Oberlauf Eschach sogar von 380 Kilometern –, der mit seinem annähernd 14.000 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet den zentralen Teil Baden-Württembergs entwässert. Hydrologisch ist er nach Länge wie auch nach Wasserführung der zwölftgrößte Fluss Deutschlands. Der Neckar entspringt auf der Baar bei Villingen-Schwenningen auf 705 Metern über Normalnull.

Zunächst fließt er zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb nach Nordosten, ab dem „Neckarknie“ bei Plochingen nordwestwärts bis nordwärts durch die Ballungsräume von Stuttgart und Heilbronn, dann ab Eberbach im Odenwald westwärts bis Heidelberg und schließlich in der Oberrheinischen Tiefebene nordwestwärts bis Mannheim. Dort mündet er auf 88 Metern Meereshöhe in den Rhein. Seine drei größten Nebenflüsse sind die Enz, der Kocher und die Jagst.

Der Neckar ist von Plochingen abwärts mittels Stauhaltungen zum Großschifffahrtsweg (Bundeswasserstraße) ausgebaut mit bedeutenden Häfen in Stuttgart, Heilbronn und Mannheim. Durch Begradigungen, Eindeichungen und anderes haben die Gewässerstruktur und die Fließdynamik des vormaligen Naturflusses sehr gelitten und die strukturreichen Auenlandschaften sind oft verschwunden. Inzwischen wurden einige Altwasserabschnitte (Altneckar) renaturiert, die Wasserqualität hat sich seit den 1970er-Jahren erheblich verbessert.

Luftbild Hirschhorner Schleife

Bild: P. Merkel

Die Neckarschleife bei Hirschhorn ist bis zu zehn Meter tief und bietet den Welsen ideale Unterstände.

Der Neckar fließt fast nur durch Baden-Württemberg. Allein im Odenwald bei Neckarsteinach und bei Hirschhorn ist er abschnittsweise Grenzfluss zu Hessen. Der Stadtteil Ersheim von Hirschhorn, in einer engen nördlichen Neckarschlinge gelegen, und ein flussabwärtiger Abschnitt des linken Ufers sind die einzigen Landesteile Hessens links des Neckars.

Entwicklung des Welsbestands im Neckar

Zwischen den Jahren 1990 und 2000 nahm der Welsbestand im Neckar sehr langsam zu, das spezialisierte Welsangeln war auch in Deutschland geboren. Zwischen 2000 und 2010 hatte der Neckar eine Hochphase. Er wurde stark beangelt, was an den tollen Durchschnittsgrößen der Welse und einem einzigartigen Bestand lag. Der Neckar war das Top-Welsgewässer in Deutschland. Ab etwa 2010 veränderte sich die Situation jedoch drastisch, der Bestand brach ein. Von den einst hier vorkommenden Großwelsen waren offenbar nur noch wenige vorhanden und auch die jungen Exemplare waren auf einmal deutlich seltener anzutreffen.

Es ist schwer zu sagen, was der Grund dafür ist. Der hohe Angeldruck kann nicht allein schuld sein, auch wenn er seinen Teil dazu beigetragen hat. Ich vermute, dass sich der Fluss allgemein verändert hat und den Welsen der Lebensraum nicht mehr zugesagt hat. Ein Großteil der Welse wird in den Rhein abgewandert sein, was sich damit decken würde, dass sich genau im Mündungsbereich des Neckars bei Mannheim der Rhein ab diesem Zeitpunkt zu dem aktuell besten Welsrevier in Deutschland entwickelt hat.

Seit ungefähr 2018 ist am Neckar erneut eine Veränderung festzustellen: Es gibt wieder unglaublich viele kleine Welse, die für viel Action beim Klopfangeln oder Angeln mit Tauwurmbündel sorgen. Solch ein Exemplar fing ich ja an diesem ersten Platz und es folgten einige ähnlich große Fische in den nächsten Stunden. Die schlechten Tage hat der Fluss hinter sich. Der Neckar ist „back“ – und so treiben sich inzwischen auch die alten Hasen des Welsangelns wieder an seinen Ufern herum.

Mit Merkel-Montage zum Wels

Am folgenden Angeltag besuchte ich einen zweiten Platz. Auf den ersten Blick ist dieser viel eintöniger als die Stelle des Vortages. Im Endeffekt sieht es hier aber genauso aus, wie auf jeder anderen Geraden des Neckars. Die erste Kante befindet sich kurz hinter der Steinpackung keine fünf Meter vom Ufer entfernt. Und dann gibt es noch die kleinere Kante zur Fahrrinne in einer Entfernung von etwa 20 Metern. Das Angeln ist somit selbsterklärend. Auch hier präsentierte ich meine Köder nah am Ufer an einer Merkel-Montage und an der zweiten Kante mit einer U-Posen-Montage. Aufwärts angelte ich hier nicht.

Angler legt eine Merkel-Montage auf Wels aus

Bild: P. Merkel

Die von Peter entwickelte Montage ermöglicht einen Einsatz auch bei Schiffsverkehr. Durch Spannen mit der Rute wird die Boje unter Wasser gezogen. Um sie auszulegen, braucht man ein Boot. Ein kleines Schlauchboot reicht.

Abwärts lagen in den längst vergangenen Zeiten immer zehn bis zwölf Großwelse. Dieses alte Wissen setzte ich ein, denn schließlich wollte ich herausfinden, ob das immer noch so sei. Am Neckar hat sich gerade auch in den Randbereichen viel zum Positiven für alle Fischarten verändert. Es kommt starker Krautbewuchs vor und viele Seerosenfelder haben sich angesiedelt. Das ist schön zu sehen und macht Hoffnung für die Zukunft des Flusses. Nach etwa zwei Stunden erhielt ich einen Biss an Spot Nummer zwei. Wieder war es ein Wels, dieses Mal ein deutlich größerer Fisch als am Vorabend. Er lieferte mir einen spannenden Drill am Ufer. Aber auch dieser Fisch gehörte nicht zu den alten „Mega-Welsen“ in diesem Bereich.

Aktiv auf den Neckar-Waller

In den folgenden Tagen und Wochen versuchte ich mein Glück beim Blinkern unterhalb der vielen Neckarschleusen. Von der Schleuse in Heidelberg bis Neckarzimmern klapperte ich jedes Bauwerk mehrmals ab.

Schleuse im Neckar

Bild: P. Merkel

Unterhalb der Schleusen lohnt sich im Frühjahr das Blinkern auf Welse. Dabei gilt es jedoch, den vorgeschriebenen Abstand bis zur Schleuse einzuhalten.

Aber auch hier habe ich nach sehr vielen Versuchen und gefühlten 10.000 Würfen nur zwei halbstarke Welse fangen können. Im Hochsommer versuchte ich es mit dem Wallerholz und jeder Menge Tauwürmern als Köder. Gerade der Bereich von Mannheim bis Neckargemünd war früher immer für gleich mehrere Großwelse gut, aber auch hier konnte ich nur kleinere Exemplare landen.

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Im Herbst hingegen lief es hier etwas besser und ich konnte ein paar halbstarke Welse in den tiefen Bereichen des Neckars fangen. Zugegeben: Nach allen positiven wie auch negativen Entwicklungen am Neckar, denke ich nicht wirklich daran, nach starken 15 Jahren noch einen dieser Urwelse hier anzutreffen. Ich musste aber durch die Praxis in Erfahrung bringen, was am Fluss wirklich los ist. Viel Fisch ist zumindest wieder los.

Fangbild Wels am Neckar

Bild: P. Merkel

Wird das Wasser kühler, ziehen sich die Welse an die tiefsten Stellen im Fluss zurück. Weil sie dabei viel Energie verlieren, müssen sie noch einmal richtig fressen.

Ich hatte ein super Jahr am Neckar, denn die Angelei an den „Oldschool- Spots“ war spannend und ganz nebenbei habe ich wieder einen Eindruck vom aktuellen Welsbestand am Fluss bekommen. Es waren Erfahrungen, mit denen man positiv in die Zukunft schauen kann. Ich behaupte, dass es nur noch wenige Jahre dauern wird, bis der Neckar wieder das Top-Gewässer fürs Welse in Deutschland sein wird!


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