Grundel: Fressen und gefressen werden!
Im Rhein-Main-Donau-System macht sich die Schwarzmundgrundel breit und wird dort für Spinnfischer zum Frust-Objekt. Stephan Gockel macht aus der Not eine Tugend. Er schickt die gierigen Mini-Monster zurück zum Grund - als Köderfisch!
Wer von Euch hat schon eine Schwarzmundgrundel gefangen? Nur die wenigsten kannten damals diesen Einwanderer aus dem Donauraum. Ich kann mich noch genau an mein erstes Grundel-Erlebnis am Weseler Rhein-Ufer erinnern. Ich freute mich wirklich, denn ich ging in meiner Unwissenheit von einer Koppe in Mini-Format aus. Natürlich behandelte ich das Fischchen mit aller Vorsicht und entließ es zur weiteren Vermehrung zurück in sein Element.
Heute sieht die Sache schon ganz anders aus. Aus dem damals so interessanten und seltenen Fisch ist mittlerweile ein echter Plagegeist geworden, der sich mit einer explosionsartigen Massenvermehrung unbeliebt gemacht hat. Kaum ein Fluss mit Verbindung zum Rhein-, Main- und Donausystem ist frei von diesen Grundeln. Sogar der frühere Plagegeist Kaulbarsch wurde von ihnen verdrängt.
In ihrer eigentlichen Heimat müssen Grundeln mit viel mehr verschiedenen Raubfischarten ums Überleben kämpfen, als es bei uns der Fall ist. Nicht nur Hecht, Barsch, Zander oder Wels stellen ihnen dort nach, sondern auch verschiedene Störarten und Wolgazander. Daher haben sie im Laufe der Evolution eine Strategie zum Überleben ihrer Art entwickelt: Massenvermehrung! Außerdem sind sie zu Laichräubern geworden, um die Anzahl ihrer Jäger zu dezimieren, bevor diese so groß sind, dass sie ihrerseits die Grundeln fressen können.
Stimmung ist gekippt
Auch die Stimmung der Angler in Deutschland ist deutlich gekippt: Aus dem Lächeln über die Grundeln ist mittlerweile Wut geworden. War es früher die Wollhandkrabbe, die den Ansitzanglern das Leben schwer gemacht haben, sind es nun die Grundeln, die Angler fast verzweifeln lassen. Nicht nur Naturköder wie Maden, Würmer, oder Fischfetzen werden zerfetzt und zerknabbert. Die Biester attackieren sogar jegliche Art von Kunstködern, selbst in für sie eigentlich nicht zu bewältigenden Größen!
Mir persönlich machen die Grundeln besonders beim langsamen Vertikalangeln schwer zu schaffen. Je näher man an ein steiniges Hindernis oder an einen Buhnenkopf heran kommt, je extremer wird es. Nicht nur der Tauwurm am Dropshot-Rig, sondern selbst kleine Köderfische werden energisch von den Grundeln angegangen, die sich an solchen Versteckplätzen ballen. In allem, was eine Grundel nicht in einem Rutsch verschlucken kann, verbeißt sie sich und schlägt solange mit dem Kopf hin und her, bis ein schluckbares Stück herausgerissen ist.
Mit Humor betrachtet bekommt die Farbe Elektric Chicken eine komplett neue Bedeutung: Die vielen Vibrationen der Grundel-Attacken in der Rute fühlen sich nämlich fast wie kleine elektrische Schläge an. Das könnte sogar lustig sein wenn sie damit nicht teure Hightech-Gummis buchstäblich zerfetzen würden. Je weicher der Gummi, um so schneller geht das. Wenn der Gummiköder dann auch noch appetitlich mit Aromastoffen versetzt ist, vergehen oft nur Sekunden, bis der erste “Elektric-Bite“ am Köder zerrt.
Extrem bei Fransen
Extrem wird es, sobald man mit Fransenködern fischt. Hat dieser zum Beispiel 12 Fransen, dann sollte der Zander sich schon beeilen, falls er einen intakten Köder attackieren möchte. Denn spätestens nach 12 Grundelbissen ist aus dem Fransen-Schwanz ein Pin-Tail oder Wurm geworden. Aber richtig hart trifft es jene, die auf Köder mit einem kleinen Schwanzteller. Entweder man hat einen guten Vorrat von den Lieblingsködern im Gepäck, oder der Angeltag ist schneller vorbei, als es einem lieb ist. Es gibt Tage, da scheinen die Grundeln nur darauf zu warten, die kostbaren Köder einen Schwanz kürzer zu machen.
Jedoch gibt es auch Tage, an denen die Grundeln fressfaul erscheinen. Doch das sind meist jene Tage, an denen eine plötzlich hereinbrechende Kaltfront oder andere Wetter-Unbilden Zander und Co. ebenfalls den Appetit verdorben haben. Dennoch tritt sie in einer viel größeren Stückzahl auf als unsere Räuber, und man muss schon sehr viel Glück haben, wenn ein Zander oder Barsch vor den Grundeln am Köder sein soll.
Punkt der Entscheidung
Damit sind wir an dem Punkt angelangt, dass man sich als Raubfischangler entscheiden muss, wie man mit dem Problem umgeht. Betrachten wir die Grundeln dazu einfach aus einem anderen Blickwinkel:
- Einerseits bringen sie als Laichräuber natürlich Unheil über die Fischbrut.
- Andererseits jedoch sind sie selbst auch eine ergiebige Futterquelle für unsere Raubfische. Besonders der Zander scheint von den reichlich vorhandenen Grundeln zu profitieren.
Natürlich muss man das mal wissenschaftlich genauer untersuchen. Aber rein subjektiv gesehen nehmen die Fänge wohlgenährter Zander in den Gewässern mit einer Grundel-Schwemme seit wenigen Jahren kontinuierlich zu.
Ich mache mir die Grundeln mittlerweile zunutze. Allein schon die Tatsache, dass die Zander Grundeln zum Fressen gern haben, lässt mich nicht lange zögern, eine gefangene Grundel an den Fireball-Jig zu hängen, um sie vom Jäger zum Gejagten zu machen. Grundeln ergeben einen zähen, bissfesten Köderfisch für jede Art von Köderfisch-System.
Wer weiterhin lieber auf Gummiköder schwört, muss eben auf Köder zurückgreifen, die ein wenig fester in der Gummimischung sein oder einen so großen Schwanzteller haben, dass die Grundeln ihn nicht abreißen können. Filigrane Gummiköder mit dünnen Beinchen oder dünnen Schwänzen sollten in grundelverseuchten Revieren in der Gerätebox bleiben. Massivere Shads und V-Tails werden es am Wasser schon richten.
Ein weiterer Aspekt ist es, dass die Grundeln natürlich auch die Aufmerksamkeit der Räuber in der Nähe auf den Köder lenken, den sie gerade gemeinschaftlich zerlegen. Dieser Futterneid auf die Grundeln hat schon einige Räuber schwach werden lassen. Last, but not least: Ich habe fest gestellt, dass die Grundeln im Winter nicht unbedingt in die tiefsten Bereiche eines Gewässers oder in angrenzende Baggerseen ziehen. Sie bleiben auch im Winter lieber in der Nähe ihrer geliebten Steine und Versteckplätze. So hat man wenigstens im Winter Ruhe vor ihnen, wenn man tief fischt.
Fangspaß in Ultraleicht
Auch wenn die Schwarzmundgrundel kein Sportfisch ist, so habe ich schon Angler kennengelernt, die gezielt die größeren Exemplare mit der Spinnangel beangeln. Es hat sogar einen gewissen Spaßfaktor, die Schwarzmäuler mit sehr leichtem Angelgerät zu fangen. Das Ganze ist sogar recht unproblematisch: Ganz wild sind sie nämlich auf kleine Tubes. In der Nähe von steinigen Untergrund lässt man ihn höchstens dreimal auf dem Grund aufkommen und schon hat sich eine an ihm vergriffen. Übrigens lassen sich die so erbeuteten Mini-Räuber hinterher nicht nur als Köderfisch verwenden. Angeblich sollen sich die größeren Exemplare sogar im der Küche verwerten lassen.