Liebend gern durchwühle ich unser redaktionsinternes Fotoarchiv. Besonders, um mir die Evolution unseres geliebten Hobbys in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum vor Augen zu führen. Überlegen Sie mal: Vor gerade einmal 20 Jahren waren geflochtene Schnüre noch nicht Gang und Gäbe. Und vom Dropshot Rig sprach damals noch keiner. Es gibt noch Etwas, das vor 20 Jahren fast keiner in der Box hatte. Ein kleines Hilfsmittel, welches erst vor vergleichsweise kurzer Zeit auf einer kleinen Trendwelle über den Øresund von Schweden nach Deutschland surfte: Die Baitscrew (Köderschraube) für das Angeln auf Hechte im Flachwasser. Sie ist das Herzstück vom sogenannten Shallow Rig.
Shallow Rig: Die Baitscrew bricht das Jigkopf-Monopol
Der kleine Trend wurde groß und größer, heutzutage hat fast jeder Hechtangler, der Gummifische durchs Flachwasser kurbelt, auf das sogenannte „Shallow Rig“ mit einer „Baitscrew“ umgerüstet. Entschuldigen Sie das Wirrwar englischer Begriffe an dieser Stelle; aber ich habe mir die Namen auch nicht ausgedacht. Ein „Shallow Rig“ ist auf Deutsch übersetzt nichts weiter als eine „Flachwasser-Montage“; die „Baitscrew“ eine „Köderschraube“. Keine Sorge – mehr Englisch werden wir hier nicht brauchen.
Der Jigkopf verliert damit einen kleinen Teil seiner Monopolstellung. An dieser Stelle völlig zurecht, denn die Vorteile einer kleinen Metallschraube als Köderbefestigung liegen nahe:
- Der Gummifisch (fast hätte ich „Shad“ geschrieben … ;-)) sitzt bombenfest und reißt nicht aus.
- Die steife Achse im Gummifisch ist deutlich kürzer.
- Der Gummifisch lässt sich komplett unbeschwert fischen.
Und das sind nur die offensichtlichsten Verbesserungen. Der größte Pluspunkt am Shallow Rig ist für mich die Hak-Landungs- Quote; denn diese verbessert sich im Vergleich zum Jighaken um ein Vielfaches, wenn wir in die Köderschraube einen kleinen Stinger mit Drilling einhängen. Apropos, wo wir gerade an diesem Punkt stehen: Die Befestigung der Stahlschlaufe des Stingers am Öhr der Köderschraube ist ein wesentlicher Aspekt, der manchmal recht unbedarft gehandhabt wird. Auch einmal von mir, muss ich ehrlich eingestehen. Inwiefern? Holen wir hierfür kurz gedanklich Schwung.
Kein Schädel-Hirn-Trauma für Hechte
Das bekannte Shallow Rig mit der Baitscrew ist für Gummiköder um 15 bis 30 cm Länge entwickelt worden; denn das ist die Ködergröße, die in ausgedehnten Flachwassergebieten im Frühjahr und Herbst am meisten Sinn ergibt, um Fische zu suchen. Nun nutze ich Köderschrauben aber auch für deutlich kleinere Gummifische und Twister von 8 bis 12 cm Länge. Damit kann man nämlich wunderbar leise und dezent kleine Seerosenfelder oder flache Krautecken in schmalen Seen abfischen, ohne dem Hecht einen Gummischlappen auf die Fontanelle zu donnern.
Ein leises „Plitsch“ eines kleinen Köders hingegen erweckt seine Aufmerksamkeit und oft kann man schon nach Auftreffen des Gummifischs eine Bugwelle erkennen, die der vermeintlichen Beute schnell näher kommt. Dreht man eine normalgroße Baitscrew in einen kleinen 8-cm-Gummi, sieht der hinterher aus wie ein durchstochenes Spanferkel, und bewegt sich auch in etwa so flexibel. Dementsprechend muss man die Schraubengröße anpassen: Während für Gummis zwischen 15 und 30 cm Schrauben um 3 bis 5 cm Länge perfekt halten, benötigen wir etwa 0,5 bis 1 cm kurze Modelle für kleinere Shads und Twister. Shallow SPAX Standard und Shallow SPAX Small sozusagen.
Biss, Drill, Shallow Rig weg: Vorsicht bei offenen Schrauben!
Die großen Schrauben gibt’s überall, bei den kurzen muss man sich etwas umgucken. Ich nutze die „EZ Lure Keeper“ von Camo Tackle – aber die haben eine Besonderheit, welche mich zurück an den Ausgangspunkt der vor dem Absatz angeschnittenen Geschichte bringt. Die Lure Keeper besitzen kein geschlossenes Öhr, weil sie keine Köderschrauben im klassischen Sinne sind; sondern Köderhalter (wie der englische Name schon sagt). Eigentlich werden sie komplett im Gummi versenkt und von einem Einzelhaken durchstochen (z.B. beim Dropshot), um das frühzeitige Ausreißen weicher Köder zu verhindern. Wir können sie aber anderweitig gut nutzen, wenn wir das offene Öhr beachten.
Zu meiner Missglücksstory: Ich fädelte meinen Stinger mit Drilling auf den Lure Keeper, schraubte ihn dann in den Gummifisch und hängte vorne mein Stahlvorfach ein. Biss, Drill – alles weg. Nur eine einsame Schraube pendelte zu mir zurück. Der Hecht drehte sich nach dem Hakensetzen ein paar Mal, schüttelte den Köder irgendwann von der Schraube und zog das Stahlvorfach ebenso heraus. Ups… Also, wichtig: Bei kleinen, offenen Schrauben muss der Stinger mit in den Karabiner des Stahlvorfachs gehängt werden. Bei geschlossenen Schrauben hingegen nicht – hier können Sie die Stahlschlaufe mit einem Sprengring am Öhr der Schraube anbringen. Der Karabiner wird solo in die Schraube geklinkt. Klingt komplizierter, als es ist. Gut bebildert können Sie hier alles nachvollziehen.
Shallow Rig in Schieflage? Speck auf die Rippen!
Die Montage für Schraubengummis ist ungeheuer simpel. Die Stinger klemme ich immer selbst aus 7×7-Stahl und kleinen Drillingen (Gamakatsu T13B sind die besten!). Eine Flunke des Drillings kommt in den Bauch des Köders. Nun noch den Stinger – wie zuvor angesprochen, je nach Schraubentyp – mit dem Karabiner verbinden, fertig! Moment, fast: Denn manche Gummifische mit dickem Paddelschwanz kippen an dieser Montage auf die Seite; als Beispiel sei hier der Lunker City Shaker genannt.
Um sie zu stabilisieren, müssen wir ihnen etwas Speck auf die Rippen geben. Der Bauch braucht Gewicht! Deshalb schraube ich kleine Blei- oder Tungstengewichte mit eingegossener Schraube in den Köderbauch, die gibt’s zum Beispiel von Daiwa oder Savage Gear (sog. „Belly Weights“ oder „Screw-In-Weights“). Bei kleinen Gummifischen geht das auch mit einer handelsüblichen Schraube aus dem Baumarkt.
Und noch eine dritte Option (und ein weiterer englischer Fachbegriff): „Nail Sinker“, also Beschwerungs-Stifte. Am allerbesten sind Nail Sinker aus Tungsten, weil sie deutlich kürzer und dezenter als Varianten aus Blei sind – sonst haben wir zwar eine schön kurze Baitscrew im Gummifisch, verwandeln den Köder durch den langen Blei-Stift aber trotzdem in ein steifes Spanferkel. Den Trick mit den Nail Sinkern hätte ich Ihnen fast verheimlichen müssen, denn die Dinger widersprechen meiner Überschrift – schließlich werden sie gestochen und nicht geschraubt. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, oder?
Noch nicht auf der Shallow-Welle? Springen Sie!
Falls Sie von der Köderschrauben-Welle noch nicht erfasst wurden, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich jetzt ins kalte Wasser zu stürzen und umzurüsten. (Also gedanklich. Bitte keine Arschbombe in den Vereinsteich, der Hecht braucht seine Winterruhe…) Spätestens zum Saisonstart werden Sie froh sein, 20 Euro für Metalldraht ausgegeben zu haben, wenn die erste Bugwelle Ihren kleinen Gummifisch verfolgt, ihr Puls rast und das Adrenalin durch jede Faser schießt – wie kurz darauf der Hecht, der sich Ihren Köder einverleibt und sicher am kleinen Stingerhaken des Shallow Rig hängen bleibt.
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