Kopyto: Erinnerungen an den Kult-Gummiköder

Der Kopyto hat früher den Gummiköder-Markt beherrscht, doch dann geriet er in Vergessenheit. Florian Pippardt schreibt über Erinnerungen an einen Kunstköder, der seine Angelei geprägt hat wie kaum ein anderer.

2023 kam der Kopyto aufgrund des Artikels bei Florian vermehrt zum Einsatz, hier in Schweden. Ausgerüstet mit Bauchdrilling und Einschraubgewicht läuft er ausgezeichnet über flachem Kraut!

Bild: F . Pippardt

2023 kam der Kopyto aufgrund des Artikels bei Florian vermehrt zum Einsatz, hier in Schweden. Ausgerüstet mit Bauchdrilling und Einschraubgewicht läuft er ausgezeichnet über flachem Kraut!

Der Kopyto ist ein absoluter Kultköder! Lange war er fast gleichbedeutend mit Gummiködern an sich, doch heute ist er aus den Regalen der Angelmärkte verschwunden. Woran das lag, was den Köder so besonders macht und woher er seinen Namen hat, erfährst Du in diesem Artikel.

Meine Erinnerungen an den Kopyto

Schneeweiße Gänseblümchen. Unzählige von ihnen. Willkürlich verteilt unterbrechen sie die Ruhe des tiefvioletten Stoffs wie ein Schneesturm aus übergroßen Flocken. „Ja, was gibt’s?“, ertönt eine Stimme. Erschrocken entfernt sich mein Blick von der zerknitterten, kunterbunten DDR-Kittelschürze und trifft auf zwei fragende Augen hinter einer getönten Hornbrille. „Ist der Andy da?“, frage ich kleinlaut.

Die alte Frau zieht ihre Augenbrauen hoch, hebt den Arm, dreht ihre kleine goldene Armbanduhr ums Handgelenk und wirft einen Blick darauf. „Es ist dreiviertel 3. Du kennst doch die Öffnungszeiten“, erwidert sie leicht vorwurfsvoll und zeigt auf das Plastikschild am Eingangstor hinter mir. Es war irgendwann mal weiß. Die Witterung der letzten Jahre hat sich in Wachstumsringen aus schwarzem Dreck abgelagert. Ein schemenhaft erkennbarer, ­blaugrüner Auerhahn scheint fleckig als letztes Relikt des prachtvollen BALZER-Logos durch den Schmutz.

Angelshop, Cartoon

Gab es so einen Angelshop in Deiner Nähe auch?

Der ­Firmenname ist nicht mehr zu lesen. Ebenso wenig wie alle „F“, das „S“ und das „N“ des Wortes „Öffnungszeiten“. Darunter hat sich ein Handballen vor nicht allzu langer Zeit den Weg durch die Staubablagerungen gebahnt und eine kleine Tabelle archäologisch freigelegt. „Montags bis Freitags 10 bis 14 Uhr. Samstags 10 bis 12 Uhr. Wenn dennoch geschlossen ist, bitte hier klingeln“, steht da. Abgeschlossen wird das Schild von großen, schwarzen Lettern: ANDY’S ­ANGELSHOP.

„Ist gut, Mama“, ertönt eine Stimme ­hinter der Kittelschürze. Mein Herz hüpft. Jawoll, der Andy ist da. Ich sehe ihn im Flur, er zieht sich die Schuhe an. „Kannst schon runterfahren, ich komme gleich“, fährt er fort, während seine Mutter sich mit einem Seufzen auf der Türschwelle umdreht. Glücklich schwinge ich mich auf mein Mountainbike und radele die Straße etwa 150 m herunter, bis zu einer alten Gartenanlage. Vor einem verrosteten Tor komme ich zum Stehen, lehne mein Fahrrad an und puhle mein Kleingeld aus der Hosentasche. 2 Euro, 4 Euro, … 6 Euro 40 Cent. Also quasi 7 Euro. Wenn Andy gute Laune hat, rundet er bestimmt auf.

Kalte Kippe, Kaffee, Weichmacher

Laut, böse und tief, wie ein nahendes Gewitter, erklingt der Motor von ­Andys Geländewagen. Er fährt die 150 m bis zum Laden immer mit seinem Nissan ­Pathfinder. „Dann wollen wir mal …“, murmelt er, rutscht vom Sitz und zieht seinen riesigen Schlüsselbund aus der Bauchtasche seines hellblauen Shimano-Kapuzenpullovers. Mit einem schweren „Klack“ öffnet sich das Schloss des rostigen Gartentors. Wir bewegen uns auf eine graue Baracke zu. Der verwitterte Rauputz ist flächenhaft von Moos und Giftefeu überzogen, am Sockel lehnen Reifen, ­Blumentöpfe und alte Holzbretter.

Über der Tür prangt eine Leuchtreklame aus gelbem Milchglas. ANDY’S ANGELSHOP. Kalte Kippe, Kaffee, Weichmacher, Monster Crab – eine Duftmischung, die bei jedem normalen Menschen einen Schwindelanfall auslösen würde, ist mein Türöffner in eine wunderbare Welt des Konsums. Ich flitze an Andy vorbei, der sich schnaufend an den Jalousien zu schaffen macht. Die Märzsonne wartet nur darauf, den Innenraum mit Licht zu durchfluten, und sprengt die Dunkelheit mit einem gleißenden Strahl.

Für 6,40 Euro bekomme ich 10 Kopytos – vielleicht

Das Licht reflektiert sich in einer Reihe ­ausgespülter Krautsalat-Plastikdosen und zieht mich magisch an. Im staubigen Schein erleuchten die Objekte meiner Begierde. Kopytos. In allen erdenklichen Farben. Orange mit schwarzem Kopf, Weiß mit blauem ­Rücken, Hellgrün, Chartreuse, Motoroil. Vier Etiketten pro Dose in unterschiedlich stark vergilbten Weißtönen dokumentieren die Nikotinbelastung im Innenraum und die Preisentwicklung der letzten Dekade.

  • 2 DM (dunkelgelb/hellbraun, ca. 12 Jahre alt)
  • 2 EUR (junge Banane, ca. 10 Jahre alt)
  • 1 EUR (Pergament, ca. 5 Jahre alt)
  • … und ganz frisch (Alpina angestaubt, ca. 1 Jahr alt): 0,70 EUR

Ich überschlage im Kopf. Das sind ja fast zehn brandneue Kopytos, die ich heute kaufen kann. Wenn Andy gute Laune hat.

Es ist 15 Jahre her, dass ich Andys Angelshop in meinem thüringischen Heimatort Bad Klosterlausnitz zuletzt besucht habe. Mein gesamtes Taschengeld verschwand in seiner Kasse. Ich habe meine Kopytos geliebt. Nicht nur einmal fanden sie sogar den Weg in die Schule, sehr zur Verwirrung meiner Lehrer. Dass sie mal ein Gummifischverbot einführen müssten, hätten sie bestimmt nie gedacht.

Kopyto wie Nokia: Wer nicht wirbt, stirbt

Das Gummifischverbot galt zum Glück nicht in den Schulferien. Ich fing damit fast alles. Barsche, Zander und ­Forellen im Dorfteich, dann einen meiner ersten Hechte im Urlaub im Hafen von Wiek (Rügen). Döbel bei Kajaktouren in Mecklenburgs kleinen Flüssen. Im ESOX sah ich den 16 cm Kopyto in blau-weiß auf einem Foto im zahnbesetzen Entenschnabel eines Riesenhechts vom Bodden, einmal steckte ein chartreusefarbenes Modell einem großen Barsch sogar auf dem Titelfoto im Maul.

Coverstar Kopyto, hier auf dem ESOX aus 2010.

Bild: Jahr Media

Coverstar Kopyto, hier auf dem ESOX aus 2010.

Auch Dorsche fing ich mit dem Kopyto bei den ersten Kuttertouren. Auf der Ostsee kam natürlich nur der orange Kopyto ran. Das war Gesetz. Weiß eigentlich jemand, wieso? Mir hat mal einer erzählt, weil orange die Farbe der Strandkrabben sei. Hab’ ich nie ­wirklich geglaubt.

Dann plötzlich verschwand der Kopyto. Aus den Magazinen, von Bildern und Videos. Er wurde einfach durch andere Modelle ersetzt. Wieso? Es ist wie beim Mobiltelefonhersteller Nokia: Einst Marktführer, dann wurde am Marketing gespart. Und ehe man sich versah, ploppten andere Gummifischfirmen aus dem Boden. Mit frischen Ideen, neuen Farben und guter Werbung. Wobei letztere das ausschlaggebende Kaufargument darstellt. Denn an seiner Fängigkeit hat der Kopyto in all den Jahren nichts eingebüßt.

Nachteil der Verpackung: Manche Schwänze knicken. Ab ins heiße Wasserbad, schon sind sie wieder gerade.

Bild: F . Pippardt

Nachteil der Verpackung: Manche Schwänze knicken. Ab ins heiße Wasserbad, schon sind sie wieder gerade.

Kommentare unserer Experten

Wir haben unsere Blinker-Experten gefragt, wie sie den Kopyto in Erinnerung behalten. Viel kontroverser könnten die Ansichten kaum sein.

Rainer Korn: „Vor rund 20 Jahren war der Kopyto Classic in 4 Zoll (rund 11 cm) in der Farbe „Klar Silber-Glitter/Schwarz“ unsere Bank in Sachen Pollack im Raum Hitra. Er sieht einem kleinen Köhler zum Täuschen ähnlich und wenn sich die fetten Pollacks, die wir regelmäßig im Mai dort in Größen zwischen 70 und 100 cm fingen, eines nicht entgehen lassen wollten, dann waren das Mini-Köhler! Eine ultralangsame Köderführung war übrigens der Schlüssel zum Erfolg. Für die großen Köhler war dieselbe Größe, aber die Farbe „Reinweiß/Schwarz“ der Knaller – die Kopytos wurden dann allerdings äußerst rasant, am besten ­vertikal über tiefem Wasser, eingekurbelt. Auch wenn ich heute viele andere Gummiköder in der Norwegenbox dabei habe: Diese beiden Modelle haben noch immer ihre festen Plätze darin – und bescheren mir auch heute noch oft fantastische Fänge.“

Rainer Korn schwört immer noch auf Kopytos in schwarz/weiß zum Seelachsangeln.

Bild: F. Bodrecht

Rainer Korn schwört immer noch auf Kopytos in schwarz/weiß zum Seelachsangeln in Norwegen.

Stephan Gockel: „Ich weiß nicht mehr, wie viele Barsche mir dieser geniale Gummiköder am Edersee an den Haken gelockt hat. Aber es waren viele, sehr viele. Der kleinste Kopyto in braun, 3 cm meine ich, überschwer mit einem 5 g Bleischrot auf dem Vorfach über den Grund gejiggt. Das war echt der Renner. Einer der Top-Gummifische überhaupt!“

Johannes Radtke: „Ich mochte den „Klopyto“ noch nie. Ein unförmiger Klumpen, total unelegant. Ich finde, dass es einer der hässlichsten Gummiköder überhaupt ist. Es gibt aber auch weniger emotionale Gründe, warum ich ihn nicht mag: Er verliert sehr leicht sein dickes Hinterteil, wenn die Zander mal vorsichtig dran knabbern. Zudem bedeckt der dicke Schwanzteller mit seinem reichlichen Material leicht die Hakenspitze beim Biss. Allerdings muss ich zugeben, dass ich damit so manches Mal ganz gut gefangen habe. Trotzdem: Dieses hässliche Teil wird von mir, wann immer möglich, persönlich diffamiert!“

Das macht den Kopyto aus

Diese Eigenschaften bringt der Kultköder mit:

Wer hat den Kopyto erfunden?

Erfinder des Kopyto ist Witold „Victor“ Kowalczyk, ein gebürtiger Pole. Er erlag am 3. November 2015 beim Spinnangeln einem Herzleiden. Im Jahr 1995 erfand Victor die legendären 2,5- und 3-inch langen Kopyto-Gummifische, die auch in Deutschland so viel Anhänger gefunden haben, und die die Grundlage für den Aufstieg seiner Firma Relax-Lures legten.

 

Witold Kowalczyk erfand den Kopyto. Er erlag leider im Jahr 2015 beim Spinnangeln einem Herzleiden.

Bild: Archiv

Witold Kowalczyk erfand den Kopyto. Er erlag leider im Jahr 2015 beim Spinnangeln einem Herzleiden.

Victor lebte in den USA, von wo er die Produktion aller Relax-Köder steuerte. Da er aber in Polen geboren wurde, kam er immer wieder in seine Heimat zurück, um dort in den Stauseen auf Zander und Barsch zu angeln. Durch seine US-Connections hatte er immer das aktuelle Knowhow über Kunstköder. Ab 1998 arbeitete Victor dann eng mit der österreichischen Firma ShadXperts zusammen, die die Kopyto-Gummifische bis heute vertreibt und seit 1998 eine standardisierte, Riesen-Farbauswahl an Relax-Produkten anbietet.

„Kopyto“ ist Polnisch für „Pferdehuf“. Der Name bezieht sich auf den Schaufelschwanz des Köders.

Bild: F . Pippardt

„Kopyto“ ist Polnisch für „Pferdehuf“. Der Name bezieht sich auf den Schaufelschwanz des Köders.

 

Was bedeutet „Kopyto“?

Namensgebend für den Kopyto ist die Form des Schaufelschwanzes, der an einen Pferdehuf (polnisch „Kopyto“) erinnert und damit das aktionsreiche Laufverhalten ­ermöglicht. „Er schlägt aus wie ein Pferd“, sagte Witold Kowalczyk.

Die neuesten Kommentare

12.02.2024 21:46:49
Am Rhein fische ich Gummifische von 12 bis 20 cm mit einen 20 gr. Kopf.Damit komme ich auf dem Boden. Klar, in der Strömung treibt er immer ab, trotzdem bekomme ich Bodenkontakt.Komisch, ich hab 10er oder 12er mit 20g nicht auf den Boden gekriegt. Frag mal Thorben, der war dabei.
07.02.2024 11:51:12
Wie machst Du das? Ich hab den nicht auf den Boden gekriegt und musste am Rhein auf einen schlankeren Gufi umsteigen Am Rhein fische ich Gummifische von 12 bis 20 cm mit einen 20 gr. Kopf.Damit komme ich auf dem Boden. Klar, in der Strömung treibt er immer ab, trotzdem bekomme ich Bodenkontakt.
07.02.2024 02:18:06
Ha, da habe ich noch jede Menge von.Vor allen Dingen habe ich damit ne Menge Hecht gefangen - sogar Waller.Mein Favorit war Gelb mit schwarzem Rücken. Benutze ich heute noch am Rhein.Wie machst Du das? Ich hab den nicht auf den Boden gekriegt und musste am Rhein auf einen schlankeren Gufi umsteigen
06.02.2024 19:28:36
Bei wem geriet der in Vergessenheit?.........bei mir nicht.Aber der Drang, jeder Woche einen "neuen Wunderköder" zu präsentieren, ist ein unüberschaubare Anzahl von "Wunderködern" erschienen und der Kopyto fängt und fängt, sofern mit IHM angelt gruß degl
06.02.2024 18:06:04
Ha, da habe ich noch jede Menge von.Vor allen Dingen habe ich damit ne Menge Hecht gefangen - sogar Waller.Mein Favorit war Gelb mit schwarzem Rücken. Benutze ich heute noch am Rhein.
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