Wenn jemand „Aal-Frettchen“ genannt wird, dann sagt das bereits viel über einen Menschen aus: John Sidley war aalbesessen und verbrachte fast jede Nacht am Wasser und saß auf dicke Aale an. Er versuchte zu ergründen, warum der Aal so eine faszinierende Fischart ist. Und so hat er auch mich stark beeinflusst.
Sein 1990 erschienenes Buch „Eels“ (die deutsche Version „Aale“ erschien damals im Jahr-Verlag) habe ich unzählige Male gelesen und es hat mir dabei geholfen, selber viele dicke Aale zu fangen. Johns größter Aal wog 7 Pfund 200 g. Er fing aber nicht nur große Aale, sondern auch unglaublich viele. Sein Wissen über diesen schlangengleichen Fisch war enorm, aber das Aalangeln hat sich weiterentwickelt.
Mehrmalige Aal-Fänge widerlegen alte Theorie
Gerne hätte ich gewusst, was John von meinem Artikel in der Zeitschrift „Coarse Angling Today“ über den Wiederfang von Aalen gesagt hätte. Der Aal-Guru erlag leider einem Herzinfarkt, bereits im Alter von 44 Jahren. Bis zum Oktober 2002 hatte man immer angenommen, dass ein einmal gehakter Aal entweder sterben oder das Gewässer verlassen würde, ohne wieder zu beißen. Doch wie falsch lagen wir mit dieser Annahme.
Eine von John Sidley entwickelte Montage, das sogenannte „J.S. Eel Rig“ brachte mir in meiner Anfangszeit als Angler so viele Aale, dass man heute die Stirn über meine Fänge gerunzelt hätte. Aber ich bin mir sicher, dass er moderne Aal-Montagen – wie das „Twig Rig“ (siehe Zeichnung) – verwendet hätte, weil er sich leidenschaftlich für das Wohlergehen und den Erhalt des Aalbestandes einsetzte. Im Jahr 1962 wurde der „National Anguilla Club“ (NAC), also der Nationale Aal-Club, gegründet. Und dieser ist der am längsten bestehende Angelclub in Großbritannien.
Im Laufe der Jahre wurden weitere Gremien ins Leben gerufen, die sich jeweils einer Fischart verschrieben. Darunter war auch der Britische Aalangler-Club, der nach John Sidleys Credo „Setzt Aale zurück“ (1975) handelte. Außerdem gab es die Aal-Studiengruppe (Eel Study Group), die später im NAC aufging. All diesen Gruppen lag der Schutz und das Wohlergehen des Aales am Herzen.
Vereinssatzungen verlangen: Dicke Aale zurücksetzen
Doch warum wachsen Aale in Großbritannien so enorm ab? Wenn es um das Angeln geht, betreiben wir Engländer es als Hobby. Fast alle Angler sind in einem Verein organisiert. Und da die meisten unserer Gewässer von den Vereinen gut gepflegt und kontrolliert werden, besagen die Regeln, dass die meisten Fische lebendig zurückgesetzt werden müssen. Allein diese Regelung erlaubt großen Aalen das Weiterleben nach dem Fang. Sie leben relativ unbehelligt in den Seen und wachsen immer weiter ab.
Schauen wir uns ein paar außergewöhnliche Fänge an, die offiziell bestätigt wurden. Der britische Rekord-Aal hatte ein Gewicht von genau 10 Pfund. Der Fisch biss im Jahr 1978 eher zufällig beim Karpfenangeln an der Rute von Stephen Terry. Weitere massige Aale kann man auf der Webseite nationalanguillaclub.co.uk bewundern, darunter auch Steve Pitts’ Aal von 9 Pfund 92 g aus dem Jahr 2020. Steve Ricketts fing Aale von 8 Pfund 250 g und 8 Pfund 360 g, Barry McConnell einen über 8 Pfund. Diese drei Angler haben keine Zeit und Mühen beim Aalangeln gescheut und sich zudem im Laufe der Jahre um den Schutz der Fische einen Namen gemacht.
Allerdings wurden weitaus größere Aale gefangen, unter anderem auch tot in Fallen. Aber die Fänger sind sich oft nicht sicher, was für einen gewaltigen Fang sie gemacht haben und wissen nicht, wie sie einen neuen britischen Rekord anmelden können.
Dicke Aale dank der Bedingungen in England
Es gibt weitere Faktoren, die Aale in Großbritannien größer abwachsen lassen als die auf dem Kontinent.
Mit kurzen Vorfächern und gezielt auf dicke Aale
Moderne Aalangler vermeiden lange Vorfachschnüre, wie sie damals noch beim J.S. Eel Rig üblich waren. Heute angeln wir mit kurzen Vorfächern, die einen Aal jedes Mal direkt in der Unterlippe haken. So kann man den Fisch problemlos abhaken und man ist sicher, dass der Haken nirgendwo in der Nähe von lebensnotwendigen Organen sitzt.
Ein weiterer Grund: Man fängt Aale nicht mehr so häufig als Zufallsfang. Die meisten Angler fischen auf Karpfen und verwenden Boilies und Pellets, die Aale nicht mögen. Noch vor zehn Jahren angelten die meisten mit Naturködern wie Maden und Würmern, die viel lieber von Aalen gefressen wurden. Der Boilie-Boom hat den Aalen also gutgetan.
Trotzdem drastischer Rückgang der Aalbestände
Kontraproduktiv war leider hingegen, dass in manchen Seen Welse besetzt wurden, die liebend gerne Aale fressen. Leider nehmen die Aalbestände weltweit bedrohlich ab. Die Gründe sind vielfältig und reichen vom Glasaalfang über Gewässerverschmutzung bis hin zum vermehrten Auftreten des Aalparasiten „Anguillicola crassus“, der sich in der Schwimmblase des Aales einnistet und diese schädigt.
Bei uns in England setzt sich auch der Angling Trust, der eng mit dem NAC zusammenarbeitet, auf politischer Ebene für den Erhalt aller Fischarten ein. Er kämpft gegen Aalfallen und das Aalangeln an Wehren, über welche die Fische ins Sargassomeer abwandern, um sich (hoffentlich) fortzupflanzen.
90 Tage, 4 Bisse: Englands härtester Aalangler
Von allen Mitgliedern des Aalangler-Clubs wird Steve Pitts nur als der „Aal-Mann“ bezeichnet, weil er regelmäßig die dicksten Aale fängt. Steve angelt in Gewässern mit einem eher niedrigen Aalbesatz, die er aber tunlichst geheim hält. Die besten Gewässer sind große Karpfenseen, in denen niemand auf Aale ansitzt. Auf die kapitalen Fische angelt Steve gezielt seit 1979. Sein größter Aal von über 9 Pfund biss auf zerhackte Fischstücke, die er in einem Netz anbot. Damit der Aal nicht tief schlucken konnte, kam ein extrem kurzes Vorfach hinter einem 120 g schweren Blei zum Einsatz.
Um einen großen Aal zu fangen, nimmt es Steve sogar in Kauf, mitunter auch 20 Nächte in Folge ohne einen Biss zu verbringen. In einem Jahr bekam er bei 90 Angeltagen vier Bisse – das muss man erst einmal psychisch verdauen. Hat er dann aber einen Aal am Haken, dann ist es meist ein Fisch zwischen 5 und 9 Pfund. Um solche Aale überhaupt bändigen zu können, braucht man geeignetes Gerät, das natürlich viel kräftiger sein sollte als normales Aalgerät. Steve will dem Aal im Drill keinen Zentimeter Schnur geben und verwendet deshalb harte Hechtruten sowie eine starke 0,45er Schnur.