Eine geheimnisvolle Krankheit sucht die Angler des Tihanyer Grabens am Plattensee heim. Alle sind stumm geworden. Kein Ton, wenn Fremde Fragen stellen. Wenn Journalisten kommen –
herrscht absolute Funkstille und Verdunkelung. Es gibt keine Welse im Graben. Wenn es sie trotzdem gäbe, gibt es sie eh nicht. Es sei denn, vielleicht einige Dreißigpfünder. Gesprächig werden die Jungs erst, wenn man sie provoziert: – Habe gehört, man hat hier gestern Abend einen 120-Pfünder erwischt. – Das kann nicht sein – brüllen sie prompt. – Nur der Janó hat letztes Jahr Derartiges gefangen. Janó, alias Rendetzky János, gehört als Welsangler zu den Veteranen, sonst ist er im besten Männeralter. Beruflich ist er ziemlich vernünftig, man sagt; er gehöre zu den besten Zahntechnikern Ungarns. Diejenigen, die mit ihm schon auf Wels geangelt haben sind ähnlicher Meinung über sein Können in Punkto Welsfischen. Es ist Winter, wir sitzen in einer Budapester Kneipe. Das Gespräch läuft mühsam an, ich bin gezwungen einen trickreichen Stoß zu geben. – Janó, reden wir nicht über den Graben! Welse findet man dort sowieso nicht. Offensichtlich fängst du deine guten Fische auch anderswo. Wo hast du denn früher geangelt? – Als Kind angelte ich viel und gerne am Korös. Wir saßen mit meinem Vater oft am Ufer, vor uns schlängelte der Fluss. Eine Kurve nach der anderen. Kein Zufall, dass der Fluß Korös heißt. (Der Name wurde aus dem Wort Kör=Kreis abgeleitet A.d.Ü.) Dann driftete ein Boot zwischen zwei Kurven langsam herunter. Ein Angler „arbeitete“ mit dem Wallerholz. Später, als ich 16-17 war beangelte ich auch häufig dieses Gewässer. Meine Wallerhölzer schnitzte ich schon damals selbst. Ich beobachtete, wie sie gemacht werden und kopierte ein uraltes Stück aus einem ungarischen Museum. Seit dem machte ich mehr als hundert Hölzer. Für die Theiß, für die Donau, für den Plattensee. Ich brachte in die Gegend von Pécs zu den umliegenden guten Wallerseen das erste vernünftige Wallerholz. Dort prügelten die Männer das Wasser mit großköpfigem, eher für die Donau typischem Gerät. Ich kam mit Einem, das pfennigstückgroßen Kopf hatte. Und ich fing auch. Sehr gut sogar. Seit dem findet man auch dort die Sorte „Janó“. Einmal bummelten wir ebenfalls in der Gegend von Pécs herum und besuchten einen See in einem kleinen Dorf namens Kovácsszénája. Wir fragten die Lokalklugen, ob Welse im See sind. Nie im Leben – hieß die Antwort. Ich setzte mich sofort in ein Mietboot, schlug kaum fünfmal mit dem Holz und bin fast aus dem Boot gesprungen. Aus allen Himmelrichtungen kamen die Welse. Das Echolot fing an verrückt zu spielen. Also, ich bin stolz auf meine Hölzer. Weißt du, das Welsfischen ist eine recht merkwürdige Sache. Ich war noch eine kleine Bursche als ich in einem Fischhandel den ersten Wels meines Lebens sah. Ich war erledigt. Die Kids in meinem Alter wollten alle Polizisten, Ärzte, Bahnhofsvorsteher oder Zugführer werden, ich wusste; ich werde Welsangler. Ich verbrachte als Kind mehrere Sommer am Südufer des Plattensees. Von den Älteren hörte ich schon damals, dass am Nordufer im Tihanyer Graben große Welse gefangen werden. Jahre später, die Angelabenteuer an der Theiß, Donau, Körös hatte ich bereits hinter mir, lernte ich jemanden am Plattensee kennen, der zu den erfolgreichsten Graben-Anglern gehörte. Er hat mir über den Graben soviel Interessantes erzählt, dass ich im Jahre 1986 für ein Wochenende runtergefahren bin. Seit dem lässt mich Tihany nicht los. Aber wechseln wir das Thema, es gibt dort keine Fische mehr. – In Ordnung, keine Worte über die Welse. Sprechen wir über den Graben. Man sagt; er verändere stets seine Form. – Es stimmt. Zur Zeit streckt er sich in Richtung Füred. Der Graben selbst hat den Umfang eines dreiviertel Fußballfeldes. Die zugehörigen Verformungen des Seebodens sind links und rechts von der Fahrlinie der Fähre etwa 1 Kilometer breit. – Siehst du einen Unterschied zwischen Welsangeln in Flüssen und im Graben? – Kaum und doch. Vor einigen Jahren lernte ich einen heimischen Fischer an der Theiß kennen. Wir gingen zum Ufer, er rauchte wortlos eine Zigarette, beobachtete das Wasser und sagte: Janó, mein liebster, gehen wir nach Hause. Heute findest du hier nichts. Nach vier Tagen rief er mich an. Komm, wir legen beim Sonnenaufgang los! Es gab das gleiche Wetter, trotzdem fingen wir, wie die Weltmeister. Im Graben ist es ähnlich. Es gibt Zeiten, du fängst deine Welse mit zwei armseligen Blutegeln, nächsten Tag zeigen sie nicht die geringste Interesse, die nehmen aber den faustgroßen Köder wie ausgehungert an. Es gibt Zeichen, die dich durch die Natur führen. Wenn du die nicht siehst und nicht verstehst, gehe nicht Welsfischen. Manchmal denke ich, dass ich sehr viel weiß, in dem nächsten Moment kommt jedoch die Ernüchterung; Als Überraschung gibt es immer etwas. Die einzige Hilfe ist die jahrelange Erfahrung. Den Graben kannst du mit keinem anderen Ort vergleichen. Zu einem ist er Teil einer riesigen Wasserfläche in einer Größe von 596 Quadratkilometern. Der Plattensee ist der größte See in Mittel- und Westeuropa. Ein stehendes Gewässer, das bei der Tihany-Enge mit der Geschwindigkeit der Donau strömt. Ein Fluss im See. Es ist bekannt, dass die Benutzung des Wallerholzes im trüben Wasser wenig Erfolg bringt. In Tihany gibt es kein trübes Wasser. Im Graben und in der Umgebung kann sich der Sandschlamm infolge der enormen Strömung nicht niederlegen. Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo der Zander sich wohler fühlen könnte. Der Große Gott schuf diese paradiesische Stelle bestimmt für die Angler. Warum ist das Angeln hier anders? Vielleicht die permanente Überlegung und der ständige Zwang um nachzudenken machen den Unterschied. Die Fische lassen dich nicht, faul zu werden. Ich weiß, das sie hier, unter mir sind, kann ich sie trotzdem nicht überlisten. Ich habe schon früher einen 146-Pfünder gefangen, sah ich aber einen, der dreimal so groß war. Ich saß drei Tage ununterbrochen auf dem Kopf dieses unbekannten Riesen, konnte ich ihn aber nicht fangen. Tihany verspricht immer den großen und den noch größeren Fisch. Diese Gedanke treibt uns, hier zu bleiben und immer wieder zu versuchen. Weißt du, manchmal beobachte ich die Wettangler. Sie wiegen den Fang, stehen stolz auf dem Podest, weil sie im Sektor X 213 Gramm mehr Fische gefangen haben als die anderen. Ich kann sie nur belächeln. Für mich exsistiert ausschließlich das Raubfischangeln, vor allem das Welsangeln. Deshalb tut es mir weh, was mit dem Plattensee geschieht. Ich nenne ein Beispiel: Im Graben angelt regelmäßig ein ca. dreißigköpfiges Team. Die Jungs sind bescheuert, fanatisch und dem Welsangeln hoffnungslos verfallen. Vor fünf Jahren gab es noch kein einziges Mitglied, das im Jahr nicht mindestens 5 gute Fische gefangen hat. Jetzt gibt es 4-5 Angler, die mit enormen Zeitaufwand und Geräten der Oberklasse einige erwähnenswerte Fische landen. Der Rest planscht lächerlich im leeren Wasser herum. Ich war in der letzten Saison auch dabei. Na ja, sofort am Anfang erwischte ich einen 120-Pfünder, dazu gehörte aber eine gewaltige Menge an Glück. – Mein Gott! Janó! Es gibt Angler, die im ganzen Leben nicht mal einen 30-Pfünder fangen! – Das mag sein. Für uns ist das Welsangeln jedoch kein Hobby, sondern Lebensform. Ich bin voreingenommen, blind und selbstsüchtig. Die Alten haben mich hier in Tihany aufgenommen und akzeptiert. In diesem Kreis ist es so, als ob du in die Akademie der Wissenschaften als Ehrendoktor aufgenommen wärst. Dies ist unsere Welt, unser See. Unser ausgeraubter, vergewaltigter, gedemütigter See. Gut. Sprechen wir über den See. Man sagt, es seien eine ungeheure menge an Fischräubern. Die Behörden sprechen über Schäden in Milliardenhöhe. Der Plattensee verdient die erhöhte und besondere Aufmerksamkeit. Nicht wegen uns, 30 Welsfischern. Es kommen jährlich Hunderttausende von Touristen aus der gesamten Welt. Es gibt keinen anderen See mit solchen wunderbaren Gegebenheiten. Den mit einem Dutzend Fischereiaufsehern zu schützen, ist ein böswilliger Witz. Nach Angaben der Balaton Fischerei AG. werden Jahr für Jahr etwa 40 Km kleinmaschige Netze im See gefunden. Die Länge der ausgelegten Reihenhaken beträgt 16 Km. Vor den Schilfwänden findet man jeden Tag die grausamsten Fischfallen, die es je gab. Eine tödliche Kombination aus Styropor, Blei, Schnur und Haken. Wenn ein großer Zander die findet, schleppt er sie so lange bis er qualvoll verendet. Die kleineren krepieren an Ort und Stelle. (Ich habe die beschlagnahmten Fallen gesehen. Eine unvorstellbare Menge. A.d.F.) In Ordnung. Sprechen wir über den See. Vor einigen Jahren sammelten sich im Auftrag eines TV Senders aus Berlin die besten Welsfischer Europas, um einen See in der Türkei zu testen. Alle großen Teams der Firmen DAIWA, ABU, SHIMANO, PENN usw. waren mit dabei. Ich war als Vertreter Ungarns herzlich eingeladen. Als wir ins Flugzeug eingestiegen sind glaubte ich nicht, dass es mit dem enormen Gewicht starten kann. Wir schleppten ein mittelgroßes Angelgeschäft mit. Wir kamen am See an. Mondlandschaft. Sand und Felsen, kein Baum im 200 Km Umkreis. Ein Verzweifelter von uns ließ nach einigen Tagen die Bemerkung los; Wenn wir keinen Fisch sehen, könnten wir immer noch Pilze sammeln. Das Wasser ist bis zu 20 Meter tief, durchsichtig. Trinkwasserqualität. In zwei Wochen hat die genervte Bande einen einzigen 30-Pfünder gefangen. Sonst nichts. Eine absolute Oberpanne. Trotzdem. Die Veranstaltung bedeutete eine gewaltige Werbung für den See. Seit dem fischen Hunderte dort. Kannst du dir vorstellen, was man so mit dem Plattensee erreichen könnte? Falls er nicht vorzeitig ruiniert wird. Der Plattensee ist eine Weltwunder, der müsste nur entdeckt werden. Ich war bereits überall unterwegs, wo man gute Welse fängt. Ebro, Po usw. Das Welsfischen ist für die Veranstalter ein lukratives Geschäft. Die Welsfischer sind bekloppt. Die reisen bis zum Ende der Welt, um ihren Fisch zu fangen. Ist der Plattensee zu weit? Ein Artikel des ungarischen Sportfischermagazins Sporthorgász überarbeitet und übersetzt von Karl Wekesser