„Weihnachtsorgie in den Bodden“

Ich glaube alles fing mit einer Email an, in der mir Uli mitteilte, dass er seine angeln.de-Tour im Dezember ganz an das Team Bodden abtreten könne, um privat ein paar Tage in…

den Bodden zu fischen. Der Wetterbericht sah gut aus. Genau so eine Tour hatten wir uns eigentlich nach einigen lustigen aber auch wettertechnisch harten Touren der letzten Wochen vorgestellt. Zwar war so eine Überfalleinladung nicht so einfach zu organisieren, aber irgendwie habe ich es natürlich doch hinbekommen zur vorweihnachtlichen Hechttour mit am Start zu sein. Unsere Hinfahrt war sehr angenehm, kein Boot störte hinten an Ulis Auto, da dieses schon vor Ort auf uns wartete. Ich muss nämlich wirklich sagen, dass mich bei den letzten Touren, mit meinem Boot hinten dran, die Strecke schon ganz schön genervt hat. Zwar doch recht spät, aber noch früh genug um das Boot so halbwegs klar zu machen, erreichten wir unseren Zielhafen. Tag 1. Morgens 6 Uhr wurde gefrühstückt und obwohl ich gern ein bisschen länger geschlafen hätte, war ich doch sehr neugierig, was wohl der Hunger der Hechte so sagt. Die Voraussetzungen waren zumindest besser als bei unserer gemeinsamen, letzten Tour vor ein paar Wochen, die wir bei Windstärke 9 dann doch irgendwann abgebrochen haben. Jetzt lag das gleiche Gewässer vor uns wie ein Schlossteich. Uli hatte seine erste Brille bekommen, die er mir am Vorabend noch belustigt präsentierte. „Jetzt erkenne ich jeden wieder auf 100 Meter Entfernung!“ erklärte er morgens am Steg auch Chrissie vom Team Bodden Angeln noch voller Stolz… Wer Uli kennt, weiß auch, wie eilig er es morgens zum Angelplatz hat. Kaum war der Hebel umgelegt, flog auch schon seine Mütze weg. Uli drehte sich um und checkte die Flugbahn seiner Mütze, als auch seine Brille beschloss, im Fahrwind hinterher zu fliegen. Tja… das gute Stück liegt nun, nachdem wir ca. 500 Meter gefahren waren, auf dem Grund des Boddens und dient vielleicht einer alten Hechtdame zur besseren Unterscheidung von echten Fischen und Angelködern. Wenn ihr mal einen Hecht mit Brille und Mütze fangt, wisst Ihr, wo der herkommt! Uli nahm das kleine Unglück mit Fassung. Trotzdem war das schon einmal kein Glanzstart zur Eröffnung unserer Hechtpirsch. Irgendwie hat das Guckeisen ihn aber auch alt gemacht. Es sollte aber noch schlimmer kommen. Ulis Motor machte schon den ganzen Morgen beim Schalten ziemlich komische Geräusche und der Vorwärtsgang ging nur schwer einzulegen. Das verschlechterte sich noch. Wir überlegten hin und her und entschieden uns dann nach 4 Hechten lieber abzubrechen und das Getriebe von einem Fachmann nachsehen zu lassen. Der Mechaniker vor Ort um Hafen faselte etwas von 1 Woche Reparaturzeit und so leichte Panik fing an in meine Anglerseele hinaufzukriechen. Perfekte Bedingungen zum Angeln, weit und breit kein Wind in Sicht und wir müssen abbrechen?!? O.k., Boot auf den Trailer gesattelt und ab Richtung Stralsund zu einem Motorenhändler der netterweise nochmal nachsehen wollte. Auch der sagte gleich: „Getriebe – ein Woche brauchen wir dafür!“ Uli machte ihm nochmal den Ernst der Lage bewusst und sagte ihm das uns auch eine provisorische Übergangslösung gefallen würde. Nach bangen Minuten hatte der Motorenmann dann letztendlich doch ein Einsehen mit unserer Angelnot und probierte wie man das Getriebe zumindest übergangsweise noch für ein paar Tage überlisten kann und wir doch noch ohne großes Zittern weiterangeln konnten. Der Preis: Wir mussten halt auf den Rückwärtsgang verzichten. Das war uns aber in dem Moment ziemlich egal und frohen Mutes ging es zurück zur Trailerstelle… Das Boot wurde wieder geslippt und wir machten uns schon so unsere Gedanken über die zukünftigen Anlegemanöver, für die nur der Vorwärtsgang zur Verfügung stand. Trotzdem waren wir froh, dass die Tour nicht schon an dieser Stelle beendet war. Tag 2 Hochmotiviert haben wir wieder um 6 Uhr ein leckeres Frühstück bei Frau Gögge genossen und uns einige ihrer vielen lustigen Geschichten angehört. Jetzt sollte das Angeln richtig anfangen. Am Tag zuvor waren wir mehr mit Motoren beschäftigt, als mit Hechten und so mussten wir anfangen sie zu lokalisieren. Das gelang uns auch so langsam an flacheren Stellen und wir fingen besonders auf langsame Zalts und Zams 15 Fische. Der Meterfisch blieb jedoch aus, allerdings haben wir uns schon ein Bild erarbeiten können, wie und wo wir die Fische sinnvoll beangeln konnten mit einer Technik die uns beiden Laune machte. Tag 3 Obwohl wir von Meterfischen in anderen Bereichen der Bodden erfuhren und wir wankten, machten wir dann doch dort weiter, wo wir am Vorabend aufgehört hatten. Allerdings lief es erst sehr zäh – wie an fast allen Tagen in den Morgenstunden. Erst zum späten Vormittag begannen unsere grün gefleckten Freunde wirklich aktiv zu werden. Irgendwann hörte ich dann die Bremse bei Uli und es kündigte sich der erste kapitale Fisch der Tour an. Eine alte Dame mit 1,08 Metern Länge fiel auf einen Zalt herein. Es folgten weitere Fische, bevor Uli einen weiteren tollen Fisch mit 116 cm mit ZAM aus dem Wasser zupfte. Die Fische wurden nun zusehend aktiver und es war eine sehr kurzweilige Angelei. Es ging Schlag auf Schlag,irgendwann, so gegen 15 Uhr, hatten wir 20 Hechte an dem Tag erreicht. Einmal twitchten wir beide unsere Zams nebeneinander und hatten genau im selben Moment Biss. Ein echter Stereobiss auf die Zehntel Sekunde genau! Wie Synchronschwimmer setzen wir beide einen Anschlag und da wir die Ruten in derselben Position hatten, sah das von hinten betrachtet echt lustig aus. Ich bin mir sicher: Wir hätten eine gute B Note bekommen. Schließlich wurde es etwas ruhiger. Bis zu dem Moment kurz vor Ende des Tages als doch noch ein ernst zu nehmender Fisch meinen Zam attackierte. Genau 100 cm sagte das Maß. Als ich mir danach die Fotos anschaute, traf ich dann doch den Entschluss, in Zukunft mein Stirnband beim Shooting auszuziehen. Der Tag endete mit 26 Fischen. Tag 4 Voller Euphorie ging es morgens los, aber unser Hot Spot schien wie leergefegt! Zum Teil fanden wir vereinzelt Hechte wieder. Es waren aber etwas veränderte Standorte und die Fische zwangen uns dazu, die Strategie zu ändern. Deswegen wurden auch wieder mal Gummis montiert da wir uns auch in tiefere Regionen bewegt haben. Es ist dann zwischendurch richtig angenehm einen Shad zu führen, da das ständige Schlagen der schwedischen Plastiköder nicht wirklich eine orthopädische Glanzübung darstellt. Uli stöhnte auch einige Male bezüglich seiner Rückenleiden. „Opa Uli“ nannte er sich glaube ich selber das ein oder andere Mal … Aber nun… Trotz größtem Einsatz ging es heute leider nicht so weiter wie am Vortag und die Fische mussten etwas mühsamer überredet werden. Irgendwann wechselte ich auf reinweiß blau und hatte beim ersten Wurf sofort einen schönen 90 er an der Rute zappeln der mich vom angeln abhielt. Uli wechselte auch sofort auf einen blau weißen Twister und noch während ich dabei war, meinen Fisch zu versorgen, hörte ich auch schon Drillgeräusche neben mir. Uli kündigte gleich einen „besseren Fisch“ an. Der Fisch wollte nicht vom Boden hoch und es kündigte sich im Drill tatsächlich eine kapitale Oma an. Schneller als normal habe ich meinen Hecht ins Wasser befördert und den Kescher in die Hand genommen. „Uff … was für ne Granate“. Eine wohlgenährte 120 er Oma kam zum Vorschein. Ein echter Traumfisch rundete also diesen schwierigen Tag dann doch noch ab. Tag 5 Langsam stellte sich bei mir aber so ein richtiges Boddengefühl ein. Wenn nur der Rücken nicht wäre. Es machte Spaß, bei wenig Wind Zams zu twitchen und auf den Einschlag in der Pause zu warten. Kunstköderangeln pur – wie ich finde. Der Morgen war wie immer zäh und bis Mittag angelten wir uns mal wieder so durch. Plötzlich passierte es: Der Zam war kurz vorm Boot und ich sah eine mächtige Hechtoma hinterher schwimmen und dann abdrehen. Langsam schwamm sie am Boot entlang und verschwand wieder in der Tiefe. Uli, der durch mein Röcheln und nach Luft schnappen auch aufmerksam geworden war, sah den Fisch und sagte mir auch noch, daß es seiner Meinung nach auf jeden Fall ein 125 + Fisch gewesen sei. Diese Info hat mir in der Situation nicht wirklich weiter geholfen. Vollgepumpt mit Adrenalin schleuderte ich also weiter meinen Zam gen Horizont. Irgendwann kurze Zeit später ging es Schlag auf Schlag. Allerdings nur bei Uli. Eine 115 er Dame konnte von Uli zum Bootsbesuch animiert werden und kaum war die Fotosession vorbei, hatte Uli auch schon den nächsten 110 er am Band. Ich glaube mich zu erinnern, dass er in dem Moment sogar etwas Mitgefühl zeigte und sagte, dass es ihm fast schon ein bisschen peinlich wäre… Die Spannung war unbeschreiblich. Um uns herum waren wirklich große Fische unterwegs. Jeder Wurf konnte also ein echter Riese sein. Ich kostete wirklich jede Sekunde aus. An eine Zigarette war überhaupt nicht zu denken. Zwei Driften später hatte ich dann mein Déjà-Vu Erlebnis. Zam vorm Boot – Hecht dahinter. Diesmal blieb er aber hinter dem Köder stehen. Ich machte wohl wieder verdächtige Geräusche denn Uli schaute in dem Moment auch was sich da vor der Bootswand abspielte. Ich ließ den Köder einfach so stehen und nach gefühlten 5 Stunden schnappte die Dame tatsächlich zu (war aber wahrscheinlich kürzer ). Den Anschlag durchzubekommen war natürlich kein Thema bei 2 Meter Schnur zwischen mir und dem Fisch. Was für ein geiler Biss auf Sicht! 105 sagte das Maßband und ich konnte nicht anders und habe mich für die Attacke mit einem Küsschen auf die Stirn bedankt. Nein.. nicht bei Uli. Natürlich beim Hecht. Insgesamt schauten sich heute 15 Fische das Boot von innen an. Tag 6 Es hatte sich merklich abgekühlt. Vormittags mühten wir uns ab, um aus dem Schneider zu kommen. Gegen Mittag stellte sich zwar ab und an so etwas wie eine Beißphase ein, aber berauschend war das alles nicht für zwei so versaute Angler, wie wir das mittlerweile waren. 12 Fische -und dabei keinen Meter veranlassten uns, doch noch einmal neue Pläne zu schmieden und für unseren letzten Angeltag ging es in ein neues Revier… Tag 7 Mittlerweile konnte ich meinen Rücken nicht mehr wirklich spüren. Ich hatte den Steg und die Hafenanlage nie im Hellen gesehen und auch die Pensionsbetreiberin Frau Gögge sagte an diesem Morgen beim Frühstück, dass sie uns wohl schon die ganze Woche beobachten würde und schon darauf gewartet hätte, dass wir einbrechen und nicht mehr um 6 beim Frühstück auftauchen. Naja, den Gefallen taten wir ihr nicht und waren auch an diesem Morgen mit ihr alleine im Frühstückraum. Die Knochen wollten nun aber doch nicht mehr ganz so wie wir und so waren Uli und ich oft damit beschäftigt uns Haltungen zu suchen, die irgendwie entlasten. Eine Position hat mir besonders gefallen. Aber es hilft ja nichts. Wir waren ja zum Fische fangen da und so katapultiere ich weiter 23 er Shads in den Horizont. Zams und Zalts waren nach unserem Positionswechsel nämlich nicht mehr angesagt. Aus den Nachbarbooten, die dort schon länger angelten, hieß es nur „Gummi“. Es war nicht einfach und nur ab und an kamen Fische auch bei uns ins Boot. Trotzdem hatten wir gegen Mittag auch irgendwie 8 Fische zusammen geangelt. Die anderen Boote fingen jedoch besser. Bei uns fehlte noch der magische Meter, der woanders teilweise schon 3 mal gefallen war! Dann hatten wir aber erstmal `ne richtige Flaute. Sowohl windtechnisch als auch hechttechnisch und alles sah nach einem unspektakulären Abgang aus! Wir hatten auch schon mal locker besprochen, vielleicht ein bisschen früher vom Wasser zu kommen, da wir ja noch eine ordentliche Strecke auf der Autobahn zu bewältigen hatten. 90 er die wir sporadisch fingen und ein Meternachläufer verhinderten das aber doch noch. Ich wechselte auf einen 23 er Renosky Nature Shad und hatte recht schnell einen Fehlbiss. Zum Glück kann ich da jetzt nur sagen, denn 3 Würfe später knallte es sehr heftig und mir riss es fast die Rute aus der Hand. Ich hatte meine Bremse ganz zu, damit die Anschläge besser durchkommen. Jetzt musste ich allerdings schnell einen Sprung nach vorne machen und die Bremse lockern, um zu verhindern, dass mir der Fisch die Rute ganz gerade zieht. „Was war das denn!?!“ Ich zitterte am ganzen Körper. Sollte ich doch noch am letzten Tag mit einer richtig kapitalen Mami belohnt werden? Es schien so! Fluchten, bei komplett bis ins Handteil gebogener Rute, waren doch sehr ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Die Dame blieb lange am Boden der Tatsachen und als sie sich dann zeigte, war eigentlich sofort klar, dass da ein 120 + Fisch vor uns im Wasser liegt. Die Masse des Fisches beflügelte unsere ersten Einschätzungen zwar etwas, aber trotz allem blieb das Maßband bei 121 stehen. Ich genoss noch die Zigarette danach, da bat mich Uli um Assistenz mit dem Kescher. Direkt noch einen Meter. Wahnsinn dachte ich. 102 Zentimeter maß Ulis Metermamalein. Die Stimmung war ausgelassen und ich glaube just in dem Moment beschloss Uli in zwei Tagen wieder zum Angeln hier hochzufahren. Ich konnte leider nicht länger Urlaub nehmen. Es wurde dunkler und ich wechselte irgendwann auf eine 23 er Flusskönig, der uns die ganze Woche jeweils früh morgens und nachmittags zur Dämmerung immer noch den einen oder anderen Fisch beschert hatte wenn nichts anderes mehr ging. 10 Würfe später schon wieder ein gewaltiger Einschlag in meiner Rute. Da wird doch jetzt nicht noch einer …. dachte ich noch, als Uli erneut mit dem Kescher neben mir stand. 110 cm sollte der letzte Fisch unserer Woche Boddenangeln sein. Als ich den Fisch gesehen habe musste ich lachen da der Slotti wirklich absolut fototauglich hing und ich mir schon Gedanken gemacht habe was wohl an Unterstellungen folgen würden. Der hatte nochmal etwas besonders, Minuten vor der Heimreise. Und irgendwie auch gerade wegen den ganzen komischen „Gummifischdiskussionen“ vorher. Vollkommen aufgewühlt ging es nun mal wieder im Dunkeln in den Hafen und etwas später dann mit dem Auto Richtung Heimat. Während der Fahrt hatte ich genug Zeit die letzen Tage nochmal Revue passieren zu lassen. 10 Meterfische und an die 100 gefangene Hechte zu zweit machen diese Tour zu Etwas, an das ich noch lange zurückdenken werde. Da ich aber auch noch meine ganzen letzten Touren im Kopf habe, bei denen es nicht immer blendend lief, versuche ich mich zu zügeln und werde nicht davon ausgehen, dass es immer so abgeht. Zu guter letzt noch: Danke Uli … auch für die Hartnäckigkeit die Du am letzten Tag noch an den Tag gelegt hast… Alle Fische schwimmen ( hoffentlich ) noch und ich habe fast jeden Tag Schnitzel gegessen (Uli isst nämlich Fisch, wenn die Fische schlechter gebissen haben). Cheers Von Sven Jürgens ( Forellenfreund )

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