Volksmeinung Catch and Release – Was geht, was nicht geht
Unter Anglern und in der Öffentlichkeit wird Catch & Release, also das Fangen und Zurücksetzen von Fischen, kontrovers diskutiert. Doch oft fehlen wissenschaftliche Zahlen, um ein Für und Wider dieser Praxis zu stützen. Professor Dr. Robert Arlinghaus hat herausgefunden, was in der deutschen Öffentlichkeit akzeptiert ist und was nicht.
Im Jahr 2014 habe ich zusammen mit Dr. Carsten Riepe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei eine repräsentative „face-to-face“-Umfrage unter der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren zu Fragen tierschutzwidriger Praktiken beim Angeln veröffentlicht. Mehr als 1000 zufällig ausgewählte Personen aus ganz Deutschland nahmen an der Befragung teilt. Die Antwortquote betrug deutlich über 70 Prozent. Dies spricht für aussagekräftige, repräsentative Daten. Unter anderem haben wir die Einstellung der Bevölkerung zum „Catch and Release“ untersucht.
Zurücksetzen aller Fische polarisiert
Das selektive Catch and Release ist dadurch charakterisiert, dass der Angler nach eigenem Ermessen einen Teil der Fische entnimmt und den Rest zurücksetzt. Der Großteil der Fische überlebt die Prozedur. Diese Art des Fangens und Zurücksetzens wird von der Hälfte der befragten Deutschen als moralisch völlig akzeptabel eingestuft (Diagramm oben links). Das totale Catch and Release aller gefangenen Fische hingegen wird von 40 Prozent der Bevölkerung moralisch abgelehnt. Allerdings findet ein Drittel der Befragten auch das Zurücksetzen aller Fische moralisch akzeptabel.
Also muss man feststellen: Das Fangen und Zurücksetzen von Fischen wird beileibe nicht so negativ gesehen, wie es manchmal in der Debatte innerhalb der Anglerschaft oder zwischen Anglern und Tierrechtsorganisationen scheint. Allerdings kommt es auf die Details an. Die große Mehrheit der befragten Deutschen (zwischen 78 und 84 Prozent; oben) findet es akzeptabel, einen gefangenen Fisch ins Wasser zurückzusetzen, wenn er zu einer ständig oder zeitlich beschränkt geschützten Art gehört oder untermaßig ist („so klein, dass er sich noch nicht erfolgreich vermehrt hat“; oben). Diese Einstellung bestätigen die Fischereigesetze und viele Gewässerordnungen, die das Zurücksetzen untermaßiger Fische aus Bestandsschutzgründen vorsehen.
Schutz von Großfischen
Knapp zwei Drittel der Bevölkerung (65 Prozent) akzeptiert auch ein Zurücksetzen zur Sicherung des Fischbestands, wenn der Schutzbeitrag positiv mit der Größe des gefangenen Fisches zusammenhängt. Das heißt: Auch der Schutz großer, entnahmefähiger Laichfische, die zurückgesetzt werden, stellt für die Deutschen kein Problem dar.
Die absolute Mehrheit (57 Prozent) toleriert es ebenfalls, wenn ein Angler einen Fisch erst fängt und ihn anschließend nicht tötet, sondern aus Respekt vor dem Fisch als Mitgeschöpf wieder freilässt. Ökologische oder hegerische Aspekte der Erhaltung der Art, des Bestands oder der genetischen Vielfalt wie auch der Respekt vor dem Fisch als Mitgeschöpf werden somit als Begründungen für das Catch-and-Release-Angeln von der Mehrheit der Deutschen moralisch akzeptiert.
Nein zum Trophäenangeln
Rein egozentrische Begründungen für das Catch and Release werden hingegen durchgängig als weniger akzeptabel eingestuft. So erreicht die Begründung, dass der zurückgesetzte Fisch zwar essbar sei, aber nicht zu der Art gehört, die der Angler zu fangen beabsichtigt hatte (Beifang), einen nur mittleren Akzeptanzlevel von 44 Prozent. Und auch die Begründung, dass der Fisch zu groß zur Verarbeitung in der häuslichen Küche sei, polarisiert: Jeweils ein gutes Drittel hält dies für einen akzeptablen Grund (39 Prozent) beziehungsweise findet es verwerflich (37 Prozent). Von der Mehrheit der Befragten als verwerflich angesehen wird schließlich auch die trophäenorientierte Zurücksetzbegründung, nach der der Angler auch seinen Mitanglern das Erlebnis des Fangs eines so imposanten Fisches ermöglichen will (56 Prozent Ablehnung).
Auch eine gänzlich fehlende Verzehrmotivation auf Seiten des Anglers („keinen Fisch essen mag“) wird moralisch von der Mehrheit (59 Prozent) als Zurücksetzbegründung abgelehnt. Unsere Befragung zeigt: Bestandserhaltende Gründe rechtfertigten aus Sicht der Bevölkerung das Zurücksetzen.
Eine rein egoistische Intention des Anglers, Catch and Release zu praktizieren, wird mehrheitlich abgelehnt. Insofern kann das Zurücksetzen eines kapitalen Fisches moralisch akzeptiert werden, wenn dieser Fisch einen Beitrag zum Bestandserhalt liefert, während das Zurücksetzen des gleichen Fisches zum Zwecke des künftigen Wiederfangs moralisch problematisch ist. Bei der ethischen Wertung kommt es also vor allem auf die Intention des Anglers an und darauf, ob diese als ethisch wahrgenommen wird. Vor Pauschalisierungen ist zu warnen. Die Umfrage-Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Bevölkerung Catch and Release deutlich mehr akzeptiert als viele Verbands- und Behördenvertreter unterstellen.
Die Intention zählt
Insbesondere das Zurücksetzen aus ökologisch-hegerischen Gründen ist mehrheitlich kein Problem und völlig im Einklang mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen. Reines Spaßangeln, mit der Absicht, jeden gefangenen Fisch zurückzusetzen, sowie das Angeln ohne Verzehrsabsicht sind dagegen negativ besetzt und erfahren keine Unterstützung in der Bevölkerung.
Mehr Wissen?: Riepe, C. & Arlinghaus, R. (2014). Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei. Berichte des IGB, Heft 27. Die Studie im Internet: www.ifishman.de