In der Ruhe liegt die Kraft oder „Warum fangen ruhig geführte,

unspektakulär wirkende Köder oft besser?“ Spinnfischer beurteilen Kunstköder nach sehr unterschiedlichen Kriterien. Neben dem Farbdekor ist es…

…maßgeblich das Laufverhalten, das in der Vorstellung des Anglers die Fangmaschine von der vermeintlichen Niete unterscheidet. Naturdesigns und Firetiger-Variationen versprechen weitläufig ebenso gute Fänge, wie Verführer mit besonders auffälligen Eigenbewegungen. Nicht selten entwickeln sich Mutmaßungen in Bezug auf die Fängigkeit eines Modells proportional mit der Intensität der ausgesandten Druckwellen. Ganz nach dem Motto: Umso heftiger der Wobbler schaukelt und umso stärker der Gummifisch vibriert, desto besser muss der Köder doch fangen….. Nach meinen bisherigen Erfahrungen habe ich allerdings begründete Zweifel, dass die Raubfische das immer genauso sehen. Regelmäßig scheint mir eher das Gegenteil der Fall zu sein: Ruhige und ohne große Schnörkel arbeitende Beuteimitate trumpfen gegenüber den Zappel-Versionen. Weniger ist dann oft Mehr! Die Gründe für die Attraktivität der Leisetreter können unterschiedlicher Natur sein. Besonders plausibel sind mir die Erklärungen, die darlegen, dass mit derartigen Ködern das natürliche Verhalten der Beute am ehesten kopiert wird. Kein Futterfisch rast den ganzen Tag lang wie von der Tarantel gestochen durchs Wasser und erzeugt Vibrationen, die schon an der nächsten Flussbiegung wahrgenommen werden. Es sind auch nicht immer die wild hin- und herschießenden, panisch flüchtenden Flossenträger, die gefressen werden. Viel häufiger trifft es wahrscheinlich die arglosen, aber unvorsichtigen Exemplare. Genauso sieht es mit den tödlich erkrankten oder gar sterbenden Fischchen aus, die sich mit letzter Kraft durchs Wasser schleppen. Prädestinierte Ziele für einen Raubfisch, die sich aber eher langsam und beschaulich bewegen. Die sehr lebhaften Reize sind zweifelsohne dann angesagt, wenn sich ansonsten übliche Umstände in das eine oder das andere Extrem verkehren. Hochwasser, trübe Brühe, Kälteeinbrüche und andauernde Hitzeperiode sind Beispiele für Angelsituationen, die besondere Maßnahmen erfordern. Durch auffällige Vibrationen, gut wahrnehmbare Geräusche oder auch durch sehr auffällige Farben wollen wir unter solch schwierigen Verhältnissen auf unsere Köder aufmerksam machen und den Raubfischen eine „Hilfestellung“ geben. Unter alltäglichen Bedingungen ist das nicht nötig. Die Jäger kommen bestens zurecht und werden durch ein Zuviel an Extrareizen nicht selten sogar vergrault. Unter dem Strich sieht es offensichtlich so aus, dass ruhige und unspektakulär wirkende Köder dem normalen, natürlichen Verhalten von Beutefischen am nächsten kommen und daher auch den Raubfischen am ehesten vorgaukeln, dass alles normal und so wie immer ist. Diese Erkenntnis betrifft alle Facetten des Spinnfischens und jede Technik hält einige Varianten bereit, die diesem Schema entsprechen. Verschiedene Wobblerhersteller setzen ganz bewusst darauf, dass natürlich wirkende Kunstköder die Raubfische am zuverlässigsten aus der Reserve locken. Dabei handelt es sich keineswegs um Nischenprodukte, sondern um so bekannte Größen wie beispielsweise den „Invincible“ vom Branchenriesen Nils Master. Der verantwortliche Entwicklungs-Chef der Finnen, Kalevi Kangas, schwört auf ein unverfälschtes Schwimmverhalten: „Ein guter Kunstköder muss in seiner Aktion möglichst nahe an das natürliche Vorbild heranreichen. Gerade kapitale Hechte reagieren auf einen besonders echt wirkenden Lauf.“ Sieht man dann einen Invincible das erste Mal im Wasser, dann könnte man vom Laufverhalten schon fast enttäuscht sein. Ein langsam und unscheinbar schaukelnder Wobbler, der sehr bedächtig seine Bahnen zieht. Und doch muss dieser Verführer etwas an sich haben, das die Entenschnäbel geradezu magisch anzieht. Offensichtlich kommen die Schwingungen des Invincible den Schwimmbewegungen von echten Fischen sehr nahe. Nicht ohne Grund stellte eine finnisches Fachmagazin die provozierende Frage: Ist der Invincible der beste Wobbler der Welt? Es folgen Fanglisten aus denen hervorgeht, dass Jahr für Jahr die größten Hechte in Finnland auf eben diesen Köder hineinfallen. Auch der Schwede Peter af Rolen setzt auf „Slow Motion“. Seine Zalt und Zam haben ihre Fängigkeit mehr als ausreichend bewiesen und sind daher über jeden Zweifel erhaben. Der Auftritt im Wasser ist wenig spektakulär. In weit ausholenden Bahnen schaukeln beide Köder eher geruhsam von Links nach Rechts. Keine Bewegung erinnert an ein panisch flüchtendes Fischchen. In der Praxis sind solche Modelle dann am erfolgreichsten, wenn sie ohne übertriebene Manöver eingeholt werden. Auswerfen und Einkurbeln bringt Fisch, wobei auch bei diesen Verführern etwas Abwechslung das Salz in der Suppe ist. Stopp & Go, sowie kleine Zwischenspurts erhöhen die Fängigkeit durchaus aber wie gesagt: Alles in Maßen. Auf einen ruhigen Lauf und relativ langsame Präsentation setzen auch die so genannten Suspender; schwebende Wobbler, die in den Einholpausen weder aufsteigen noch absinken, sondern vielmehr auf der Stelle verharren. Am effektivsten werden diese Tauchkünstler mit sehr gefühlvollen und kurz aufeinander folgenden Schlägen aus dem Handgelenk beschleunigt. Dabei flitzen die Suspender wie angeschlagene oder auch suchende Fischlein durchs Wasser, die immer wieder mal stehen bleiben, um sodann weiter zu ziehen. Gute Modelle stehen während der Einholpausen zitternd im Wasser und treiben so jeden Hecht an den Rand des Wahnsinns. An erkannten Unterständen tanzt man den Raubfischen mit dieser Methode im wahrten Sinne des Wortes auf der Nase herum. Auch beim Einsatz von Gummifischen können wir regelmäßig beobachten, dass es nicht immer die Modelle mit den heftigsten Druckwellen sind, die Fische bringen. Es gibt Angelsituationen, da haben die leicht vibrierenden Shads und sogar solche, die aufgrund fehlender Schwanzteller fast überhaupt Schwingungen erzeugen, die Nase einwandfrei vorne. Bestes Beispiel: Der Wedge Tail, der zwar nicht so auffällig läuft, bei dem aber die gesamte Optik einfach natürlicher wirkt als bei einem herkömmlichen Shad. Und genau das ist an manchen Tagen fangentscheidend. Bei diesem Gummifisch sorgt ein wulstartig verdicktes Schwanzende für eine Folge von schnellen dezenten Vibrationen während der Beschleunigungsphase. Die natürlich geformte Schwanzflosse schlägt seitlich aus und nicht wie bei runden Schwanztellern von oben nach unten. Folgerichtig fange ich mit diesen Shads auch am besten, wenn ich sie so präsentiere, dass ich Trumpf der echt wirkenden Schwimmbewegungen und der richtig dosierten Schwingungen voll ausspiele. Dazu lasse ich den Shad nicht wie beim herkömmlichen Jiggen in einem Wechsel von Anheben und Absinken über den Gewässergrund hüpfen, sondern ich beschleunige das Imitat mit seitlichen Zugbewegungen. Nach dem Auswerfen suche ich die Gewässertiefe in der ich die Raubfische vermute. Das kann nahe am Grund sein aber auch mitten im Freiwasser. In der Fangtiefe angekommen, beschleunige ich den Wedge Tail mit seitlichen Drehbewegungen aus der Hüfte oder auch mit schnellen Kurbelbewegungen einer übersetzungsstarken Stationärrolle. Mit kleinen Sprüngen oder Durchsackern lockere ich das Köderspiel auf. Das Ergebnis ist ein sehr natürlich laufender Weichplastikköder, der ausreichend Aktion produziert, um auch auf eine gewisse Entfernung noch auf das Seitenlinienorgan der Räuber zu hämmern. No-Action-Shads lassen jegliche Diskussion um die richtige Intensität von Druckwellen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Mangels Schaufelschwanz senden diese Gummifische nahezu keine nennenswerten Vibrationen aus. Aber eben dennoch genau genug, um attraktiv auf Raubfische wie Hecht, Barsch und Zander zu wirken. Langsam eingekurbelt oder auch gefühlvoll herangezupft sind diese Weichplastikköder an manchen Tagen einfach nicht zu schlagen. Wild vibrierende Shads gehen in solchen Situationen meist leer aus. Ähnlich verhält es sich beim Einsatz als Vertikalköder. Das Minimum an Aktion verleitet in der kalten Jahreszeit gerade die Zander zum Anbiss. Besondere Bewegungskünste sind hier nicht gefragt und häufig sogar hinderlich beim Fang. Regelmäßig trumpft bei der Pirsch auf Freund Glassauge die so genannte „tote Rute“. Der Vertikalangler sucht mit seiner aktiven Rute vom Boot aus den Gewässergrund und versucht durch minimale Sprünge die Stachelritter zum Anbiss zu überreden. Gleichzeitig ruht im Rutenhalter eine zweite Gerte, bei der das Köderspiel ausschließlich durch das Schwanken des Bootes erzeugt wird. Immer wieder kann man feststellen, dass es eindeutig mehr Attacken auf diese passiv eingesetzte Rute gibt. Möglicherweise hat dies mit dem Verhalten der Futterfische in den Wintermonaten zu tun. In großen Schwärmen stehen diese grundnah und ohne besondere Aktivitäten nebeneinander. Temperaturbedingt läuft der Energiehaushalt der wechselwarmen Lebewesen auf Sparflamme. Nur ein leichtes Zittern und minimale Schwimmbewegungen verraten, dass überhaupt noch Leben in ihnen steckt. Auch hier scheint die natürliche Optik wieder der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Ein vertikal geführter, extrem ruhig angebotener Gummifisch kopiert dieses Verhalten einfach am realistischsten und ist schon von daher einer der Erfolg versprechendsten Köder. Überhaupt ist die Verringerung der Einholgeschwindigkeit ein sehr probates Mittel zum Beangeln winterfauler Raubfische, die gerade in der kalten Jahreszeit sicherstellen müssen, dass jeder Energie raubende Angriff ein Erfolg wird. Unabhängig von der Jahreszeit und der Wassertemperatur stelle ich beim Jerken immer wieder fest, dass es die extrem langsam geführten Glider sind, die gerade die kapitalen Hechte aus der Reserve locken. Ich kenne einige wirklich gute Jerkbait-Angler die darauf schwören, dass sie am besten fangen, wenn sie ihre Ruckköder so langsam wie irgend möglich präsentieren. Bekanntermaßen beschleunigen wir die Glider nach dem Auswerfen durch gefühlvolle Rucke aus dem Handgelenk. Bei der langsamen Präsentation lassen wir tatsächlich bis zu 10 Sekunden vergehen, bevor der nächste Tick erfolgt. Ein guter Glider sinkt in diesen Pausen waagerecht und nicht kopf- oder schwanzlastig ab. Optimal ist es, wenn der Köder in dieser Phase leicht zittert im Wasser steht. Belly Shaking nennen die Amerikaner dieses überaus fangfördernde Merkmal. Zugegeben: Es gehört schon eine Portion Disziplin und auch Ausdauer dazu, seinen Jerk im Zeitlupentempo durchs Wasser zu peitschen. Aber der Erfolg gibt dieser Methode einfach Recht. Positiver Nebeneffekt des Valium-Laufs: Es gibt deutlich weniger Fehlbisse. Die Raubfische haben definitiv mehr Zeit die Beute anzupeilen und müssen sich nicht mit quer schießenden und schwer einzuschätzenden Imitaten abplagen. Das gilt im Übrigen für alle Kunstköder, die mit entsprechender Ruhe durchs Wasser geführt werden und nicht nur für Jerks. Allen Verführern dieser Baureihe ist gemeinsam, dass sie immer wieder einen kleinen Kick brauchen, um wirklich erfolgreich zu sein. Das kann z. B. durch eine kurze Beschleunigung oder auch mit einem plötzlichen Richtungswechsel passieren. Eventuell hat das damit zu tun, dass dieser kurze Ruck dem angreifenden Raubfisch eine anstehende Flucht signalisiert und so den Zupack-Instinkt weckt. Angeln im Zeitlupentempo ist kein Allheilmittel, um nun wirklich jeden Schuppenträger an den Haken zu bekommen, aber eine durchaus ebenbürtige Technik gegenüber der „Auffallen mit allen Mitteln-Methode“. Die Kunst besteht darin, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun. Definitiv sollte man sich davor hüten, einen Kunstköder nur wegen seines unscheinbaren Laufs als nicht fängig einzustufen. Der Schuss kann gewaltig nach hinten losgehen. Bericht von JürgenHaese


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