Meine Rutenspitze fällt nach unten. Ich kann genau vor mir sehen, wie der Jerkbait durch den kurzen Impuls zur Seite flitzt. In Zeitlupe hebe ich die Rutenspitze wieder an, kurble die Schnur auf. Gerade will ich sie wieder fallen lassen, um dem Köder seinen nächsten kleinen Schlag zu versetzen – da schlägt es in der Rute ein. „Jo!“, rufe ich und setze den Anhieb. Jan dreht sich um, er freut sich. „Na siehst Du, da isser ja“. Dieser 70 cm lange Hecht ist der erste eines erfolgreichen Angeltags, bei dem wir auf Winter-Jerks als Köder setzen.
Konzentriertes Jerken im Winter
Trotz widriger Bedingungen, damit meine ich 4 Grad kalte Luft und ebenso kaltes Wasser, kommen wir gar nicht wirklich in die Verlegenheit, zu frieren. Unsere Konzentration gilt der Köderführung. Die Hechte haben halbwegs Hunger, wie wir zu spüren bekommen. Hin und wieder gibt es einen kurzen Ruck in unseren Ruten. Die Blässhühner, die gegenüber im nebelverhangenen Hafen zwischen verwaisten Bootsanliegeplätzen dicht an dicht gedrängt stehen, kommen nicht wirklich in die Winterruhe. Immer wieder werden sie durch unsere Rufe nach einer Attacke aufgeschreckt. Mal freudige Rufe, wenn sich die Rute krümmt – und mal Wörter, die für junge Blässhühner-Ohren sicher nicht geeignet sind, wenn der Anhieb ins Leere geht.
„Sei froh, dass wir manche Attacken verwandeln können. Heute ist ein guter Wintertag, verglichen mit einigen, die ich in den vergangenen Jahren erlebt habe“, meint Jan. Jan kennt seine Region, die Havel und ihre Seen, wirklich aus dem Effeff. Seit 30 Jahren angelt er dort nun schon, vorzugsweise auf Hecht. Jan besitzt einen kleinen Angelladen in Plaue, und wenn er nicht gerade Fluorocarbonvorfächer bastelt, Regale auffüllt, Angelkarten verkauft oder Schnur bespult, dann guidet er Gäste aus ganz Deutschland – und manchmal sogar aus dem Ausland. Seit seinen Auftritten auf dem YouTube-Channel „Ich geh’ angeln“ ist Jan bekannt geworden, und seine Guidingtouren sind immer schnell ausgebucht.
Raubfische stehen im Winter so konzentriert wie nie!
Und einen dieser begehrten Tage verbringe ich mit ihm auf dem Wasser. Mission: Winterhecht. Anfang Dezember. Die Frau im Wetterbericht schüttelt mit dem Kopf, als ich tags zuvor vor dem Fernseher hocke und mich frage, ob wir eine milde Phase erwischen. Und so sitze ich, ausreichend warm gekleidet und trotzdem topmotiviert, einen Tag später bei Jan auf dem Boot.
Während der Fahrt zum Spot quetsche ich ihn aus: Was machen die Hechte in seinen Gewässern im Winter? „Hechte folgen – unabhängig des Gewässertyps – im Winter den Futterfischen. Und diese versammeln sich immer in den tiefsten Bereichen des Gewässers. So kommt es, dass die Räuber und Friedfische nun auf engstem Raum zusammenstehen. Das erleben wir zu keiner anderen Jahreszeit! Nun sind große Teile des Gewässers nahezu fischleer und einige wenige voller Fisch, wenn wir so kalte Bedingungen haben, wie heute“, erklärt Jan. „Hier bei uns ist das Wasser generell eher flach. Sogar die Fahrrinne liegt gerade einmal bei 4 m Tiefe. Die wenigen Löcher, die bis auf 8 m herunter gehen, sind somit absolute Top-Zonen“, schiebt er nach.
Beim Jerken im Winter Kanten abfischen
„Wir angeln aber nicht direkt im Loch, sondern suchen uns Bereiche um 5 bis 6 m an den Kanten. Hechte wechseln im Tagesverlauf – auch im Winter – ihren Standpunkt, sie ziehen aus dem Loch etwas flacher, und dann wieder zurück. Es ist fast wie ein stetiger Wechsel. Die Fische, die sich in Bewegung gesetzt haben, um etwas flacher zu schwimmen, sind leichter zu fangen als die trägen, ruhenden, im ganz Tiefen. Wir werden aber nicht mit Gummifischen am Grund angeln. Denn obwohl wir an den Kanten etwas aktivere Fische vorfinden, so heißt es noch lang nicht, dass sie unsere Köder wie im Frühjahr attackieren. Ein Gummiköder läuft teilweise unter ihnen, wenn sie nicht genau am Grund stehen. Und er sendet zu geringe Reize. Wir müssen den Hechten so richtig auf den Wecker gehen – und das klappt am besten mit Jerkbaits, die etliche Meter über den Hechtköpfen ihre Bahnen ziehen.“
Ähnlich dem Angeln an Talsperren
Ich kenne diese Angelei mit Jerks über tiefem Wasser. Nicht von Jans Havel, sondern Talsperren. Ein völlig anderer Gewässertyp, doch Fische verhalten sich – grundsätzlich – überall ähnlich. Nur ist es an Talsperren etwas anders mit den tiefen Löchern, da solche Seen schnell 60 m tief sein können. Dass wir auf 60 m kein Rotauge und keinen Hecht finden, ist logisch. Da unten ist kein Sauerstoff. Somit stehen die Fische auch dort auf „normalen“ Tiefen von 8 bis 15 m, die wir aufgrund der steilen Abhänge oft sogar vom Ufer aus erreichen. Falls Sie also an einem tiefen See angeln, dann versuchen Sie es einfach mal mit der Technik, die wir Ihnen hier zeigen, an steilen Uferkanten.
Der Winter-Jerk heißt „34“
Wer über tiefem Wasser steht und nun einen Jerkbait auswerfen soll, der wird eventuell nicht das nötige Vertrauen in dessen Fängigkeit verspüren. Das kann ich zu 100 Prozent verstehen. Kriegt der Hecht den Köder überhaupt mit? Auf jeden Fall. Wenn Sie zu Anfang nicht daran glauben – spätestens der erste Ruck, der Ihnen bis ins Handgelenk geht, wenn sich ein Hecht den Köder schnappt, wird jeglichen Zweifel in der Kälte zerspringen lassen.
Wir lassen den Jerkbait auch nicht an der Oberfläche oder nur 1 m darunter tanzen. Das wäre dann doch etwas zu viel des Guten. „Der Köder muss auf etwa einem Drittel der Wassertiefe laufen. Ist es richtig eklig kalt, dann gern auch auf der Hälfte. Je milder der Angeltag ist, desto eher sind die Weißfische und somit auch die Hechte geneigt, sich vom Grund zu lösen und nach oben zu steigen. Kleben sie am Boden, muss unser Köder etwas weiter runter“, sagt Jan, während er einen seiner absoluten Lieblinge montiert: Einen „Sickly“ von Piketime. Ein Köder mit dem Spitznamen „34“. Das ist die Anzahl der Meterhechte, die Jan damit fangen konnte.
Köderfarbe beim Jerken im Winter: Fluo fängt!
Den Sickly gibt es leider nirgends mehr zu kaufen – nur noch auf eBay für Summen, die Ihnen Tränen in die Augen treibt. Aber auch viele andere Jerkbaits fangen fantastisch. Ich wollte es genau wissen und montierte während des Angeltags gleich fünf unterschiedliche Modelle. Nach jedem Biss kam der nächste dran – und ich bekam auf alle meine Jerks eine Attacke. Wichtig ist nur: Der Jerk muss möglichst weit zur Seite gleiten. Modelle mit sehr hochfrequentem Zickzack-Lauf sind eher nicht geeignet. Generell sind der Köderlauf und dessen Führung viel entscheidender als die Farbe oder das genaue Modell.
Wer meine Artikel schon öfter gelesen hat, weiß, wie kritisch ich Köderfarben-Geschwurbel gegenüberstehe. Jan sieht es genauso: „Köderwechsel bringen Unruhe. Ich wechsle meinen Köder oft gar nicht, sondern probiere eher eine andere Köderführung oder einen neuen Spot aus.“ Auf die Frage, welches seine Lieblingsfarbe für den Winter ist, hat Jan eine ebenso klare Aussage parat: „Selbst im klaren Winterwasser, das wir aufgrund absterbender Algen fast überall haben, fische ich liebend gern einen extrem auffälligen Köder. Zwar widerspricht das manchen Theorien, dennoch bin ich damit erfolgreich. Fluoreszierende Farben sind ein starker Reiz, auf den ich unter aktuellen Bedingungen setze. Ich glaube kaum, dass die Hechte jetzt aus Hunger beißen. Wir müssen sie maximal nerven.“
Fängige Winter-Jerks
Grundsätzlich gilt: fast jeder. Jan benutzt gern auffällige Muster, aber es gibt keine Wunderfarben. Das A und O ist die richtige (langsame!) Köderführung. Die zweite wichtige Eigenschaft ist eine weite Gleitbahn nach links und rechts, und die dritte ein moderates bis schnelles Sinkverhalten. „Korken“ brauchen wir im April im aufgeheizten Flachwasser, nicht aber im Winter über tiefen Löchern.
Jerken im Winter: Die langsamste Köderführung gewinnt!
Die Köderfarbe ist die eine Sache, die Köderführung ist die andere. Auch damit können wir Hechte nerven. Jan hat nachgezählt: Manchmal dauert es bei ihm 4 Minuten, bis sein Köder nach dem Auswurf wieder am Boot ist. So langsam holt er ihn ein. Am besten gelingt das mit sanften Schlägen der Rutenspitze, Jan nennt es „Wippen“. Es läuft so ab, wie zu Beginn des Artikels beschrieben. Leicht schlagen, dann in Zeitlupe die Rutenspitze heben und die gelockerte Schnur aufkurbeln, ohne den Köder zu bewegen. Somit tänzelt er im Schneckentempo über den Köpfen der Hechte von links nach rechts.
Ist klar, dass irgendeiner die kleine Nervensäge verbeißen will! Diese Köderführung gelingt im Übrigen am besten mit einer Multirolle bzw. Baitcaster. Wer kein Freund dieser Rollen ist, kann auch mit Spinngerät angeln. Machen Sie einige langsame (!) Kurbelumdrehungen, dann eine längere Pause, dann geht’s weiter. Egal mit welchem Rollentyp: Winterangeln ist kein Wettrennen. Der Langsamste gewinnt!
Jans 3 Top-Tipps für Winter-Jerks
Gerät für Winter-Jerks
Große Jerkbaits:
- Baitcastrute 2,30 bis 2,70 m; WG 100 bis 200 g
- Baitcastrolle Größe 300
- 0,25er bis 0,30er Geflecht
- Fluorocarbonvorfach 0,90 mm
Kleinere Jerkbaits (Idiotenjerks):
- Stationärrute 2,30 bis 2,70 m; WG 50 bis 100 g
- Stationärrolle Größe 4000
- 0,25er bis 0,30er Geflecht
- Titanvorfach 15 kg oder Fluorocarbonvorfach 0,90 mm
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