Alter Schwede!“, juchzt Frederik, als unser Boot das Eis durchbricht, das einen Großteil des Sees bedeckt. Aus 10 m werden 20 m, schnell werden daraus 100 m und schließlich ein halber Kilometer. Meine erste Schätzung zur Größe der Eisschicht war nicht einmal annähernd richtig. Aber jetzt ist es zu spät, um umzukehren. Frederik ist den ganzen Weg von Dänemark zu mir nach Schweden gefahren, um einen großen Winterhecht zu überlisten – was ihm in der Vergangenheit nicht gelungen ist. Das ist eine alles andere als leichte Aufgabe, aber ich habe für uns eine gute Strategie zurechtgelegt. Die Methode lautet: Pelagisches Vertikalangeln.
Der Wetterbericht sagt starke Sonneneinstrahlung, wolkenlosen Himmel und Temperaturen von nur wenigen Grad über dem Gefrierpunkt voraus. Und das Beste ist, dass es absolut windstill sein soll. Es sind perfekte Bedingungen für das pelagische Vertikalangeln in den ersten Monaten des Jahres. „Die Zeit ist knapp und die Zeitfenster fürs Fressen sind klein, los geht’s!“, rufe ich mit einem breiten Lächeln, während wir uns durch die dünne Eisschicht pflügen.
Pelagisches Vertikalangeln: Wo anfangen?
In der kalten Jahreszeit versammeln sich die Kleinfische zu dichten Schwärmen und können in nur ganz bestimmten Bereichen des Sees geortet werden, auch wenn die Karte häufig große Bereiche mit immer derselben Struktur anzeigt. Mit einer detaillierten Karte und einem Echolot mit Side-Scanning-Funktion können diese Fischschwärme geortet und durch Hinzufügen von Wegpunkten auf der Karte markiert werden.
Nur selten werden diese Beutefischschwärme von hungrigen Hechten den ganzen Tag über bejagt. Stattdessen suchen die Hechte sie in kurzen Zeitabschnitten während des Tages bei der Suche nach einer Mahlzeit auf. Es ist wichtig, die Standorte der Kleinfische ausfindig zu machen, selbst wenn die Räuber zu diesem Zeitpunkt nicht in ihrer unmittelbaren Nähe anzutreffen sind.
Im offenen Wasser attackiert der Hecht von unten
Die Wassertemperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt. Die Hechte wollen aktuell keine wertvolle Energie verschwenden und sparen daran, so viel sie können. Mit einem Live-Sonar, das alles in Echtzeit anzeigt, kann man viel über das Verhalten der Hechte lernen, wie sie sich dem Beutefisch nähern, sich positionieren und sich vor dem Angriff verhalten. Ich habe viele Hechte beobachtet und zu meiner großen Überraschung ein gemeinsames Muster festgestellt. In den offenen, sogenannten pelagischen Gewässern, jagen die Hechte nicht so oft seitwärts, wie sie es in den seichten Gewässern tun. Stattdessen ändern sie ihr Verhalten und lauern ihrer Beute von unten auf. Sie stehen dann entweder direkt oder teilweise in einem Winkel unter den Fischchen.
Ziemlich logisch, wenn man darüber nachdenkt, denn dies ist der „blinde Fleck“ des Futterfisches. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum das Vertikalangeln in der kalten Jahreszeit so effektiv ist. Als ich gerade den letzten Schluck Kaffee getrunken habe, verschwindet das Knacken des Eises und geht in das Plätschern der Wellen über, die auf den Bootsrumpf treffen. Vor uns liegen nun die riesigen offenen Flächen des Sees, und wir haben keine Zeit zu verlieren! Die Fressfenster sind in den wenigen Stunden, in denen es hell ist, sehr klein.
Ein Echolot ist beim pelagischen Vertikalangeln essenziell
Wir lassen den Geberstab unseres Echolots zu Wasser und beginnen mit der Suche nach Kleinfischen und pelagischen Raubfischen. Es ist noch früh in der Saison, weit vor der Laichzeit, und die Hechte sind noch lange nicht in den Buchten. Bis es so weit ist, bleiben sie zum Fressen im offenen Wasser. In diesem See gibt es nicht viele Hechte, und man muss oft viel Zeit mit der Suche nach einem pelagischen Hecht verbringen. Dabei ist das Echolot ein unverzichtbares Hilfsmittel. Mit dem Sidescan suchen wir nach Schwärmen von Rotaugen, Rotfedern und Brassen, die hier die Hauptnahrungsquelle für die Hechte sind.
Plötzlich kommen wir an einem großen Schwarm vorbei. Es passiert nicht oft, dass sich die Hechte darin aufhalten, sie patrouillieren eher in der Nähe und am äußeren Rand. „In diesem Gebiet muss es Hechte geben“, sage ich zu Frederik. Wir umrunden den Bereich ein paar Mal, ohne dass ein Fisch zu sehen ist, und markieren die Stelle mit einem Wegpunkt, bevor wir zu einem neuen Gebiet weiterziehen. Die Vorwärtssicht des „LiveScopes“ liefert uns ständig neue Informationen. Durch das Fahren des Bootes in weiten S-Kurven wird das Suchgebiet noch weiter ausgedehnt. Das ist wichtig, wenn man große Gewässer zu erkunden hat. Eine Geschwindigkeit von 2 bis 3 Knoten ist geeignet, um die Kontrolle zu behalten und effizient zu sein.
Hecht-Attacke aus dem toten Winkel!
Auf dem Bildschirm erscheint plötzlich eine leuchtende Markierung in einer Entfernung von 26 m vor dem Boot. Auf diese Distanz ist es schwer, genau zu erkennen, was es ist. Aber als wir uns langsam nähern, wird die Form eines Hechts auf dem Bildschirm immer deutlicher. Der Fisch schwebt 6 m unter der Oberfläche und untersucht gründlich einen Schwarm Beutefische. So leise wie möglich positionieren wir das Boot über dem Fisch. Frederik lässt seinen Vertikal-Jig nicht weiter als 3 m in die Tiefe, sodass der Hecht ihn sieht. Anstatt sofort mit voller Geschwindigkeit anzugreifen, nimmt er sich die Zeit, sich so zu stellen, dass die Erfolgschancen maximiert werden.
Er entfernt sich vom Boot, verschwindet kurz von der Bildfläche und taucht plötzlich im toten Winkel des Shads wieder auf, fast in vertikaler Position. „Jetzt! Mach ein paar kleine Bewegungen!“, weise ich Frederik an, und schon beim ersten kleinen Zucken des Gummifischs beschleunigt der Hecht zum vollen Angriff. Biss! Der Fisch hat zugeschlagen und biegt die erhobene Rute kräftig durch. Ein kurzer, spektakulärer Drill beginnt. Ich greife direkt zum Kescher. Der Hecht hängt sicher am großen Einzelhaken des Jigkopfes und Frederik dirigiert ihn problemlos ins Netz. Er ist wohlgenährt und schön gezeichnet, aber weit davon entfernt, ein Riese zu sein. Wir haken den Hecht direkt im Kescher ab und lassen ihn gleich wieder schwimmen.
Anschleichen, positionieren und eiskalt zuschlagen
Hechte sind dafür bekannt, dass sie zu den schnellsten Fischen der Welt gehören, und bei dieser Eigenschaft ist es kein Zufall, dass sie diese Taktik wählen. Die Beutefische versammeln sich in dichten Schwärmen, um sich sicher zu fühlen und Energie zu sparen. Dieses Verhalten nutzt der Hecht aus, und das Überraschungsmoment in der Jagdweise macht ihn sehr erfolgreich. Ich erkläre Frederik weiter: „Selbst wenn man – rein hypothetisch – versuchen würde, einem Hecht in perfekter Position auszuweichen, hätte man überhaupt keine Chance, genau wie der Beutefisch, der sich in der gleichen Situation befindet.“
Bei mehreren Gelegenheiten habe ich sehr aktive Hechte beobachtet, die sich immer wieder in fast identischer Formation auf einen Schwarm Kleinfische zubewegten. Sie schleichen sich von unten an, positionieren sich und schießen im richtigen Moment mit maximaler Geschwindigkeit auf ein ausgewähltes Individuum zu. Und das Ergebnis ist dabei fast jedes Mal dasselbe – sie sind erfolgreich.
Das richtige Gerät für pelagisches Vertikalangeln auf Hecht
Da der Hecht oft mit viel Kraft zuschlägt, ist es wichtig, dass Sie Ihre Ausrüstung darauf abstimmen. Ich bevorzuge eine etwas längere Rute als beim herkömmlichen Vertikalangeln, für Hechte ein Modell zwischen 2,15 und 2,30 m. Mit einer längeren Rute kann ich auch den Haken beim Anschlag besser setzen, wenn die Fische von unten angreifen. Ein Wurfgewicht von bis zu 100 g ist empfehlenswert, da die meisten Jigköpfe für diese Art des Angelns zwischen 50 und 80 g wiegen. Wenn man dann noch den Gummiköder und einen Stinger montiert, ist der Köder schon fast 100 g schwer.
Meine Rolle ist mit geflochtener Schnur in einer Stärke von 0,36 mm gefüllt, die ich mit einem 0,80 bis 1,00 mm dicken Fluorocarbon-Vorfach und einem FG-Knoten verbinde. Der Köder ist an einem starken Einhänger befestigt.
Mit Sonnenschein und Kaffee den Hechten entgegen
Die Sonne steht jetzt hoch am Himmel. Die glatte Oberfläche des Sees reflektiert ihre Strahlen so stark, dass wir in den Taschen nach unseren Sonnenbrillen kramen. Wir setzen unsere Hechtsuche fort und richten unsere Blicke gebannt auf den Bildschirm. Man muss konzentriert bleiben, sonst verpasst man vielleicht einen Fisch, denn das vordere Sonar zeigt alles live und in Echtzeit an. Die Luftblasenspur hinter dem Boot erinnert uns an eine Schlange. Wir genießen die Sonne in vollen Zügen, als Frederik ein paar frisch gebackene Croissants hervorholt. Der kalte Morgen hat uns eiskalte Finger beschert, aber die wärmenden Sonnenstrahlen und der dampfende, heiße Kaffee sorgen dafür, dass sich der Zustand unserer Hände recht schnell wieder normalisiert.
„Genau jetzt werden wir einen Fisch finden. Das ist immer so, wenn man sich gerade eine neue Tasse Kaffee einschenkt“, sage ich scherzhaft zu Frederik mit einem breiten Lächeln. Ich habe kaum Zeit, den Satz zu beenden, da erscheint ein größeres Signal auf dem Bildschirm, weit draußen vor dem Boot. Der Kaffee in meiner Tasse schwankt hin und her, als ich auf den Fisch zusteuere. Die Hälfte davon ist noch übrig, als ich meinen Köder über dem Fisch ins Wasser fallen lasse. Mit einem 50 g schweren Jigkopf sinkt der Köder schnell ab, und das ist wichtig für den Erfolg. Wenn der Hecht auch nur den geringsten Verdacht schöpft, kann es sehr schwierig sein, ihn zu überlisten, selbst wenn er neugierig ist und den Köder sehr genau untersucht.
Die Köderpräsentation beim pelagischen Vertikalangeln
Richtiges Positionieren und Präsentieren des Köders an der richtigen Stelle beim ersten Versuch ist der Weg zum Erfolg. Dann sind keine größeren Bewegungen nötig, um den Hecht zu einem Angriff zu verleiten. Wenn Sie zu forsch sind, verlieren die Hechte oft ihr Interesse und warten auf eine leichtere Beute. Lassen Sie daher den Hecht in Position gehen und verhalten Sie sich danach wie jeder andere Beutefisch auch – fliehen Sie um Ihr Leben! Ein Vertikal-Jig mit geteiltem Schwanz, der „Twin Tail“, ahmt die Bewegung einer Schwanzflosse nach, etwas, das tatsächlich den Beißreflex der Hechte auszulösen scheint.
Der Hecht reagiert sofort auf meinen Köder und nähert sich langsam. Auf dem Bildschirm leuchtet die Markierung wie ein Meteor, und bei meiner ersten Bewegung verschlingt er den Köder in Windeseile. Die Rute biegt sich stark. Das folgende Kopfschütteln verrät mir, dass ein größerer Fisch am Haken hängt. Meine Knie zittern, als die Schnur mit einem surrenden Geräusch meine Rolle verlässt. Der Widerstand der Bremse ist ziemlich stark, aber der Hecht scheint sich nicht im Geringsten daran zu stören.
Es ist immer nervenaufreibend, wenn der Fisch mit dem Kopf schüttelt. Wie gut ist der Haken gesetzt? Der Kampf geht hin und her. Frederik kann den großen Hecht im klaren Wasser sehen und hält schon einmal den Kescher bereit. Mit seiner Schwanzflosse schlägt der Fisch heftig an der Oberfläche. Er macht keinerlei Anzeichen, in den nächsten Augenblicken aufzugeben. Plötzlich dreht er sich um, durchbricht mit einem Satz die Oberfläche und schüttelt kräftig seinen Kopf. „Er ist groß! Nimm ihn in den Kescher!“, rufe ich Frederik zu, während er den Fisch einnetzt.
Riesen-Hechte fangen beim pelagischen Vertikalangeln
Wir legen den Rahmen des Keschers über die Bootswand und lassen den Fisch im Wasser ruhen. Durch die Maschen können wir sehen, dass der Hecht in der hintersten Ecke seines Mauls lediglich an einem einzigen Haken des Stingers gehakt ist. Hätte ich das bereits während des Drills gewusst, hätten meine Knie noch mehr gezittert. Der Fisch misst 121 cm – ein fantastischer Hecht mit einem schlanken Körper. Er hat nicht gerade die normale Winterform, aber er bringt es an der Waage trotzdem auf über 10 kg. Der Kaffee in meiner Tasse hat es geschafft, dort zu bleiben, wo er hingehört, aber jetzt ist er eiskalt.
Wir stoßen auf den Hecht an – mit einer dänischen Spezialität, einer Zitronenlimonade namens „Faxi Kondi“, die Frederik mitgebracht hat. „Keine Zeit zum Ausruhen, jetzt ist Fressenszeit. Holen wir uns noch einen“, sage ich voller Zuversicht. Wir setzen unsere Suche in Richtung des Gebietes fort, in dem wir am Morgen große Schwärme von Kleinfischen gefunden haben. Die Sonne ist inzwischen bis zu den Baumwipfeln vorgedrungen, und die Eisschicht auf dem See ist weiter nach außen gewandert, nachdem sie in Ufernähe geschmolzen war.
An gesetzten Wegpunkten orientieren
Mein vorheriger Wegpunkt ist wegen des Eises nicht mehr erreichbar, aber wir suchen das Gebiet in der Nähe ab und finden plötzlich, was wir suchen: eine große, leuchtende Markierung in der Mitte der Wassersäule. „Jetzt ist deine Chance. Mach dich bereit, Frederik.“ Ich steuere direkt auf den Fisch zu, stelle den Motor auf Leerlauf und bemerke, dass der Hecht neugierig auf das Boot ist. Er beginnt, an die Oberfläche zu schwimmen. Ich kann den Fisch zwar nicht genau sehen, aber wir wissen, dass er da ist. Ich drehe das Boot leicht und der Fisch taucht nur 4 m weiter unten wieder auf. Frederik lässt seinen Köder fallen.
Der Hecht ist größer als der Kescher
Der Hecht wird von ihm angezogen wie ein Magnet von Metall, und mit einem einzigen Ruck saugt er ihn ein. Die Zeit scheint einen Moment stillzustehen, bis Frederik den Anhieb setzt. Die Rute biegt sich daraufhin kräftig. In dem klaren Wasser können wir den Hecht sofort sehen. „Er ist riesig, Erik! Kescher, hol den Kescher!“, schreit er mit zittriger Stimme. Nur wenige Sekunden nach dem Anhieb taumelt der Hecht an der Oberfläche – und das Zittern der Knie nimmt volle Fahrt auf.
„Der hat mehr als 13 kg“, rufe ich, während ich gleichzeitig den Kescher tief unter den Fisch schiebe. Die Länge des Fisches übersteigt die Größe des Kescherrahmens. Ein Albtraumszenario, bei dem die Haken im Netz stecken bleiben und der Hecht sich losreißt, taucht in meinem Kopf auf. Aber zu meiner Erleichterung ist der Fisch sicher im Netz. Wir schreien unsere Freude laut über den See hinaus. Doch in der kalten Luft sind unsere Stimmen schnell verklungen. Beim Blick über den Bootsrand in den Kescher bekommen wir eine Gänsehaut. Was liegt da im kalten Wasser?!
Winterhecht mit 126 cm übertrifft alle Erwartungen
Mit zitternden Händen haken wir den Hecht ab, messen den Fisch auf 126 cm und bereiten uns darauf vor, ihn zu wiegen. „Das können gut und gerne über 14 kg sein“, sage ich, während ich meine Hand an der Seite des Fisches entlangfahren lasse. Mit noch zittrigeren Händen wiegen wir den Fisch auf ein unglaubliches Gewicht von 14,8 kg. Es ist eine neue persönliche Bestmarke für Frederik, der sich im letzten Licht des Tages in vollen Zügen freut. Wir lassen den Fisch noch kurz im Kescher ruhen und schießen ein paar Fotos, bevor wir ihn vorsichtig zurücksetzen. Mit einem riesigen Schwall neben dem Boot verabschiedet er sich in die Tiefen des Sees.
Am nächsten Tag herrschen ähnliche Bedingungen, und auf Frederik, der nach Dänemark zurückkehren muss, wartet eine grausame Mitteilung. Das gleiche Gebiet ist voller hungriger, pelagischer Hechte, die auf die bestmögliche Weise reagieren, die man sich nur vorstellen kann. Meine letzte Nachricht an ihn lautet: „10,8 kg und 11,4 kg! Du musst eben dann angeln, wenn das Fressfenster geöffnet ist“.
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