Vor fünf Jahren kontaktierte mich zum ersten Mal ein Angelverein mit der Bitte, einen Waller-Workshop für die Vereinsmitglieder abzuhalten. Man vermutete, dass sich im kleinen Vereinssee ein großer Fisch angesiedelt hatte, der die ausgelegten Aal- und Zandermontagen zerriss oder den Haken aufbog. Ich nahm die Herausforderung an, besuchte den Verein in Anraff und angelte nach ausgiebiger Montagen- und Methodenanleitung mit den Vereinsanglern zwei Tage an dem Gewässer. Schließlich fingen wir einen Wels im Vereinsteich – von über zwei Metern Lange. Die Überraschung war groß: Niemand konnte sich erklären, wie ein so großer Fisch in das vergleichsweise kleine Gewässer kommen konnte.
Ist der Wels ein Schädling?
Man hört immer wieder, dass der Wels ein Schädling sei, der das ganze Gewässer leer fressen würde. Um mit diesem Vorurteil aufzuräumen, bin ich mit meinen Wallerseminaren überall in Deutschland unterwegs. Der Wels zählt wahrscheinlich zu den sparsamsten Futterverwertern überhaupt. Ein kleines Beispiel aus meinem Biologie-Studium kann das sehr treffend belegen. Ein 1,5 Meter langer Wels hat ein Gewicht von zirka 25 Kilo und benötigt genau diese Menge an Biomasse pro Jahr, um weiterhin wachsen zu können. Heruntergerechnet bedeutet das also, dass er pro Monat etwa zwei Kilogramm Biomasse vertilgt. Wenn ein Wels sich eine Kilo-Brasse schnappt, ruht er danach über mehrere Tage, ohne zu fressen.
Das sollte etwas zum Nachdenken anregen: Wir Angler dürfen dem Wels nicht alle Schneidertage am Wasser zuschreiben, da er ja angeblich den Vereinsteich leer frisst. Denn so ist es nicht! Waller sind Allesfresser und stürzen sich auf jegliche Beute, die im Gewässer vorkommt. In vielen Vereinsgewässern leben die Welse als Sammler und nehmen ihre Beute am Grund auf. Besonders dann, wenn Karpfenangler häufig Futterplätze anlegen, stellen sich die Welse dort ein und beginnen, die Boilies zu fressen.
Mein System für Welse im Vereinsteich
Das erlebte ich auf einem Wallerseminar mit etwa 20 Anglern an einem See bei Herrieden. Dort hatten wir am ersten Seminartag 20 Welsruten mit Köderfischen ausgelegt und bekamen nicht einen Biss. Erst, als wir auf eine vom Grund auftreibende Wurmbündel-Montage gewechselt hatten, konnten wir Welse fangen. Dieses von mir entwickelte System ist an den meisten Vereinsgewässern sehr erfolgreich und kann auch problemlos vom Ufer ausgeworfen werden. Ich nutze hier eine U-Pose aus Moosgummi zwischen zehn und 20 Gramm, die direkt hinter einen 1/0er Drilling gesetzt und von unten durch einen Schnurstopper fixiert wird. Auf jede Hakenspitze des Drillings kommen drei Tauwürmer. Das Vorfach ist 50 Zentimeter lang und treibt dann am Grund hinter dem Blei auch 50 Zentimeter auf. Das Moosgummi der U-Pose hat eine weiche, grobe Oberfläche, auf die man hervorragend Lockstoffe auftragen kann.
Welse sind im Vereinsteich ganzjährig fangbar
Waller kann man das ganze Jahr über fangen, selbst bei Eis und Schnee. Jedoch gibt es Zeiten im Jahresverlauf, in denen die Fische besonders aktiv sind. Das Frühjahr (März bis Mai) mit steigenden Außen- und Wassertemperaturen ist eine hervorragende Angelzeit. Wenn die Wassertemperatur die Zehn-Grad-Marke überschreitet, wird der Wels richtig aktiv und braucht Nahrung, um genügend Energie für die bevorstehende Laichzeit zu haben. Auch die Sommermonate (Juli bis September) bieten gute Angelbedingungen. Je nach Außentemperaturen sollte man sich jetzt auf die Abend- und Nachtstunden konzentrieren.
Je wärmer das Wetter und je höher die Wassertemperaturen, desto geringer wird die Aktivität des Wallers. Meist sucht er ein Versteck auf und kann tagelang dort verharren. Grund dafür ist auch der niedrige Sauerstoffgehalt unserer Seen und Teiche während einer Hitzeperiode im Sommer. Im Herbst, mit fallenden Außentemperaturen und kürzeren Tagen, beginnt auch die Wassertemperatur schnell zu sinken. Besonders im Oktober, wenn die ersten kalten Nächte kommen und die Wassertemperatur rapide unter die 15-Grad-Marke sinkt, beginnt der Wels, nochmal richtig zu fressen.
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Die Platzwahl sollte je nach Jahreszeit dem Gewässer angepasst werden. Im Frühjahr sind flache, sich schnell durch Sonnenlicht erwärmende Gewässerbereiche das bevorzugte Jagdrevier für den Wels, auch im Vereinsteich. Gerade dort, wo Weißfische erste sprießende Wasserpflanzen und Kleinstlebewesen fressen, ist er in der Nähe. Der Köder sollte jetzt am Grund oder dicht darüber präsentiert werden. In den Sommermonaten tummelt sich alles im Gewässer und der Wels reagiert sehr gut auf auffallende Köder im Mittelwasser. Bei seinen Beutezügen schwimmt er jetzt sogar bis zur Oberfläche. Posenmontagen, die den Köder in den mittleren Wasserschichten präsentieren, sind jetzt erste Wahl. Im Herbst ist dagegen wieder eine grundnahe Köderpräsentation angesagt. Der Wels folgt den Weißfischen in die tieferen Wasserschichten, da sich dort bis in den Winter hinein die meiste Nahrung sammelt.
Aus der Deckung gelockt!
Selbst das kleinste Gewässer bietet uns Anglern viele Möglichkeiten der Köderpräsentation. In der Regel liebt der Wels Verstecke wie Wurzeln und Bäume im Wasser, Seerosenfelder und Schilfgürtel, unterspülte Ufer und abfallende Kanten. Überall dort, wo er aus der Deckung heraus Beute machen kann, lohnt ein Angelversuch. Es ist aber auch möglich, Waller anzulocken – vor allem, wenn das betreffende Gewässer strukturlos wie eine Badewanne ist. In diesem Fall füttere ich eine Stelle mehrere Tage mit einem Mix aus Partikelködern an. Weißfische werden sich dort recht schnell einfinden, und der Wels folgt dem Getümmel.
Besonders erfolgreich ist es nun, einen Happen unmittelbar in der Nähe des Futterplatzes zu präsentieren. Eine Bojenmontage zum Beispiel erlaubt es uns, den Köderfisch oder ein Wurmbündel direkt darüber im Freiwasser anzubieten. Ein weiterer Top-Köder für Wels im Vereinsteich ist Schweineleber. Dieser geruchs- und geschmacksintensive Köder ist in jedem Supermarkt erhältlich und gibt eine enorme Duftwolke im Wasser ab. Vor Angelbeginn schneide ich die Leber in kleine Stücke und füttere sie großflächig am Angelplatz an. Ein größeres Stück wird dann an einem Einzelhaken und einem Laufblei direkt am Gewässergrund angeboten.
In vielen Gewässern kommen auch Krebse sehr häufig vor. Die Scherenträger stehen bei den Welsen auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Signalkrebse gelten bei uns als nicht heimisch und dürfen in einigen Bundesländern als Angelköder verwendet werden, sofern sie auch aus demselben Gewässer stammen. Zum Anködern der Krebse nutze ich ein Gummiband und eine Haarmontage, der Fanghaken hängt komplett frei. Dieses System kann im Mittelwasser oder am Grund angeboten werden.
Aktiv angeln mit dem Wallerholz
Auf Vereinsgewässern, auf denen Boote erlaubt sind, sollte man in jedem Fall eine Klopftour mit dem Wallerholz unternehmen. Mit etwas Übung bekommt man dumpfe Töne zustande, die beim Eintauchen des Wallerholzes ins Wasser entstehen. Dabei werden Druckwellen zum Gewässergrund gesendet, die den Wels im Vereinsteich aggressiv machen. Die Fische steigen auf und suchen nach dem Auslöser der Druckwellen. In den meisten Gewässern reagieren die Fische sehr gut auf das Holz – mehrere Fänge in kurzer Zeit sind definitiv möglich! Durch das Erkunden eines Gewässers mit dem Wallerholz findet man auch sehr schnell die Stellen, an denen sich vermehrt Welse aufhalten. Hier lohnt sich dann auch der Versuch mit einer Bojen- oder Grundmontage.
Sind Boote verboten, gehe ich im Sommer einen anderen Weg: Mit Taucherbrille und Schnorchel tauche ich ab im Vereinsee. So finde ich viele interessante Angelplätze und kann sie mir aus der Fischperspektive ansehen. Oftmals liegen die Welse dicht an der Uferkante im Schutz von Unterholz und reagieren ohne Scheu auf mich. Solche Stellen beangle ich dann später vom Ufer aus und setze so dem Wels meinen Köder direkt vor die Nase.
Dieser Wels aus dem Vereinsteich ist Rekord!
Im April 2018 hielt ich in Elchingen bei Ulm an einem Baggersee einen Workshop ab. Zwölf Waller in zwei Angeltagen konnten die Seminarteilnehmer landen, darunter einen wahren Wallergiganten von 251 Zentimetern Länge bei geschätzten 90 Kilo Gewicht. Fänger Nico Skiba ist noch immer ganz aus dem Häuschen: „Kurz vor Mitternacht wurde meine Rute langsam aber stetig krumm gezogen. Stefan holte sofort sein Schlauchboot und wir folgten dem Fisch auf den See hinaus. Als der Wels das erste Mal an der Wasseroberfläche auftauchte, stockte mir der Atem – er war fast so lang wie das Schlauchboot! Dann endlich konnte Stefan den Wels greifen und an Bord ziehen. Was für ein Fisch! Neuer Vereinssee-Rekord!“
Ich hoffe, dass Sie aus meinen Tipps auch einiges mitnehmen konnten, um Ihrem Vereinssee welstechnisch auf den Zahn zu fühlen. Glauben Sie mir – die Gewässergröße sagt nichts über die Größe der Welse aus, die darin leben.
Dieser Artikel erschien zuerst im BLINKER 10/2018 – hier geht es zur aktuellen Ausgabe!
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