Angeln in den Schären: Das schwedische Räuberparadies

Västervik, Hechthochburg der schwedischen Schärenküste – das ist jedenfalls der Ruf dieser Küstenregion. Die Erwartungen von Florian Pippardt waren entsprechend hoch. Enttäuscht wurde er wahrlich nicht, er bekam das Gesamtpaket: Aggressivität, Kampfkraft und Biss auf Biss. Doch neben Schärenhechten traf er auch auf Brackwasser-Barsche und kräftige Zander.

Zunächst fing Johannes den ersten Melonen-Hecht, dann erwischte auch Florian einen Räuber auf Obst. Foto: J. Radtke

Bild: J. Radtke

Zunächst fing Johannes den ersten Melonen-Hecht, dann erwischte auch Florian einen Räuber auf Obst.

Ich höre Schreie. Ich drehe mich um und sehe Johannes, der mit hochgerissener Rute versucht, einen Hecht von seinem Belly­boot fernzuhalten. Der Räuber macht einen Salto vor seinen Füßen und prescht sofort wieder in Richtung Seerosen, Johannes dreht sich im Kreis. „Es hat geklappt! Drei Würfe mit dem Melonen-Blinker!“ Melonen-Blinker? Ja, die hemmungslosen Hechte attackieren alles, was sich bewegt – das sind die Schären vor Schweden!

Die Schären sind ein Hechtangler-Himmel

Rund um die Küstenstadt Västervik erstreckt sich ein breiter Schärengarten, bestehend aus unzähligen Inseln, fjord­ähnlichen Buchten, Flussmündungen und mit dem Meer verbundenen Seen – ein Paradies für Hecht, Zander und Barsch. Ebenso wohl fühlt sich auf diesem abwechslungsreichen Spielplatz jeder Raubfisch-Freak. Nicht umsonst finden hier jedes Jahr schwedische Raubfisch-Meisterschaften statt. Ich will euch die Vielfalt der Angelei in der Schärenküste anhand drei typischer Plätze beschreiben.

Herrliche Landschaft! Felsen, Ostseevegetation, Schilf und Seeschwalben – dieses Bild ist typisch für die äußeren Schären. Foto: J. Radtke

Bild: J. Radtke

Herrliche Landschaft! Felsen, Ostseevegetation, Schilf und Seeschwalben – dieses Bild ist typisch für die äußeren Schären.

Als erstes sei der äußerste Bereich der Schären genannt. Ganz markant sind hier die großen, langgezogenen Buchten, gesäumt von einzelnen Felsnasen und kleinen Inseln. Der Uferbewuchs besteht fast ausschließlich aus Schilf, der Grund ist größtenteils hart. Oft kann man Muschelfelder im klaren Wasser sehen. Um ehrlich zu sein – ich dachte anfangs nicht, dass sich in diesem ostseeähnlichen Abschnitt Hechte aufhalten. Viel mehr erwartete ich, Dorsche oder Pollacks durch den Blasentang schwimmen zu sehen.

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Das Futterangebot in den Schären ist immens

Aber weit gefehlt! Das Futterangebot für Hechte jeglicher Größe ist hier immens. Im äußersten Bereich leben Ukeleis und große Brassen mit Garnelen und Tang­läufern dicht an dicht. Im Frühjahr ziehen sogar Heringe in die Buchten, um zu laichen. Sie stellen eine ideale Beute dar. Auch im Sommer fokussieren sich viele Räuber auf Hering, diese ziehen dann zum Fressen kurz vor Sonnenuntergang und in den Morgenstunden ins Flachwasser. Und dann solltet auch ihr am Wasser stehen!

Karussellfahrt: Selbst mittlere Hechte sind in den Schären extrem kampfstark und spielen Kreisel mit Bellyboot und Angler – den freut es! Foto: J. Radtke

Bild: J. Radtke

Karussellfahrt: Selbst mittlere Hechte sind in den Schären extrem kampfstark und spielen Kreisel mit Bellyboot und Angler – den freut es!

Das Herings-Massaker findet oft an Eingängen zu größeren Buchten statt, weil die Heringe dort zum Fressen hinein­schwimmen. Und genau dort, am Eingang einer großen Bucht im äußeren Schärengürtel, fängt Johannes den denkwürdigen ersten Melonen-Hecht, kurz darauf schnappt sich auch bei mir ein Räuber das Stück Obst. Der Köder entstand zuvor aus Langeweile, als wir durch ein Gewitter eine anglerische Zwangspause einlegen mussten. Nachdem das Unwetter vorbeigezogen war, kamen die Fische voll in Fahrt. Ein Hecht attackierte meinen Gummifisch am Offsethaken sechsmal (!), bis der Haken endlich im Maul fasste. Zwar befinden sich in diesen Buchten selten die ganz großen Hechte, doch die kleinen und mittleren Exemplare kompensieren ihre fehlende Größe durch ihre irre Kampfkraft. Beim Angeln vom Bellyboot fühlt man sich wie in einem Karussell, wenn der Fisch während des Drills immer wieder rasant die Richtung wechselt.

Übertrieben gierig! Die Hechte in Schwedens Schären, auf einem Foto zusammengefasst: Der Jerk wurde durch die Kiemen geatmet. Foto: F. Pippardt

Bild: F. Pippardt

Übertrieben gierig! Die Hechte in Schwedens Schären, auf einem Foto zusammengefasst: Der Jerk wurde durch die Kiemen geatmet.

Achtung, Wildschweine!

Am nächsten Tag wollen wir neue Ufer erkunden und begeben uns etwas weiter ins Landesinnere, beziehungsweise ins Innere der Schären. Die „Schweinebucht“, wie Johannes sie getauft hat, ist auf den ersten Blick als solche nicht erkennbar. Ein dicker, meterbreiter Schilfgürtel umschließt die Meeresbucht wie eine Mauer. Die Bewohner dieses Schilfgürtels sind für den Namen der Stelle verantwortlich: überall sehen wir Spuren von Wildscheinen im Schlamm, als wir uns mit unseren Bellybooten durchs Dickicht kämpfen. Beim Angeln können wir die grunzenden Viecher sogar auf einer Insel beim Fressen beobachten.

Ein bisschen Expeditions­charakter hat unser Fußmarsch durch den schwedischen Dschungel definitiv – Schilf, Schlamm, Mücken und der markante Geruch von Wildsau in der Nase lassen uns wie richtig wilde Kerle fühlen. Als wir den Schilfgürtel durchbrechen, tut sich die Bucht vor uns wie eine Oase auf.

In den äußeren Bereichen der Schären findet ihr sandige Buchten und damit guten Watgrund. Foto: F. Pippardt

Bild: F. Pippardt

In den äußeren Bereichen der Schären findet ihr sandige Buchten und damit guten Watgrund.

Auf den ersten Blick sehen wir – Hechtland! Das Wasser ist flach, schlammig und von Schilfinseln durchsetzt. Tiefer in den großen Buchten oder weiter im Landesinneren kann man viele Spots mit dem Beispiel der Schweinebucht vergleichen. Hier wird der Boden unter Wasser deutlich weicher, außerdem wächst mehr Kraut und Blasentang. Die Buchten verkleinern sich, dafür erhöht sich ihre Anzahl. Das Futterangebot variiert kaum, nur findet man hier vermehrt Rotaugen und große Schleien, die mit dem geringeren Salzgehalt in den inneren Schären besser zurecht kommen.

Barsche mitten im Blasentang

Außerdem kann man hier nicht nur Hecht, sondern auch dicke Barsche fangen! Den Beweis dafür treten wir recht schnell an – sogar mit einem Doppeldrill. Bei Johannes hat sich ein 35er Barsch auf den Gummifisch gestürzt, und während er drillt, hängt sich auch bei mir ein Barsch ein. Wie auch die Hechte stehen die Stachelritter mitten im Blasentang. Sie ernähren sich von Rotaugen und Garnelen.

Im Landesinneren werden Barsche immer häufiger. Sie sind gern gesehener Beifang beim Hechtangeln. Foto: J. Jasper

Bild: J. Jasper

Im Landesinneren werden Barsche immer häufiger. Sie sind gern gesehener Beifang beim Hechtangeln.

Das flache Wasser und hoch stehende Kraut laden an diesen Stellen zum Oberflächenangeln ein. Diese Methode kann ich auch wärmstens empfehlen – wir erlebten aggressive Fische und spektakuläre Bisse! Der Fußmarsch in die Schweinebucht hat sich für uns auf jeden Fall gelohnt. Neben einigen guten Barschen fangen wir unzählige Hechte. „Morgen gehen wir Zander fangen!“ kündigt Johannes an, als wir im Dunkeln durch das Schilf zurück zum Auto stapfen – sofort erwacht Vorfreude auf das nächste Highlight.

Wir entfernen uns also weiter vom äußeren Teil des Schärengartens. Die hintersten Ecken der Schären sehen landschaftlich genau so aus, wie man es aus den Astrid-Lindgren-Filmen kennt. Überall liegen Steinhaufen auf den Wiesen, die Straßen gleichen streckenweise eher Feldwegen und am Rande der Wege stehen überall Häuser im typischen Schwedenrot.

Im Bellyboot zum Zander

Am hintersten Ende einer Bucht pumpen wir unsere Bellyboote auf – nur einen halben Kilometer weiter geht diese über eine Engstelle in einen trüben See über. Das Ufer ähnelt stark dem der Schweinebucht und lässt keine Zweifel offen: als Uferangler wird man hier unglücklich. Die Seen und Buchten sind in diesem Bereich des Schärengartens oft trüb und schlammig, teilweise gibt es hier sogar erste Seerosen. Das Wasser hat einen deutlich geringeren Salzgehalt als im äußeren Bereich.

Findet man eine trübe Bucht, die tiefer als drei Meter ist, hat man gute Chancen, auch Zander zu finden. Sie kommen mit dem klaren Wasser der äußeren Schären nicht zurecht und stehen deshalb tief in den trüben Buchten. In der Nacht trauen sie sich weiter heraus und fressen im Übergang der Trübung. Dort beginnen auch wir, aber es ist zu klar – es gibt keinen Zander, nur ein, zwei Hechte. Also bewegen wir uns immer tiefer in die Bucht hineien, dem Übergang zum See entgegen. Das Wasser wird beständig trüber. Und nach etwa dreihundert Metern ist Johannes’ Rute krumm – ein Hecht? Nein! Ich kann es kaum glauben. Wir befinden uns formal noch in der Ostsee, doch da beißt tatsächlich ein Zander. Und dann noch einer, und noch einer.

Glasauge: Im trüben, flachen Bereich im Landesinneren beißen vermehrt große Zander. Foto: J. Radtke

Bild: J. Radtke

Glasauge: Im trüben, flachen Bereich im Landesinneren beißen vermehrt große Zander.

Häng einfach in deinen Karabiner, was Du willst!

Am Ende des Tages haben wir eine deutlich zweistellige Zahl Zettis gefangen – und was für welche! Durchschnittsgröße und Fitness sind beeindruckend. Anfangs beißen sie etwas tiefer auf Gummi, später flach auf Wobbler, Jerkbaits und sogar Blinker. Generell ist die Köderfrage beim Angeln im Schärengarten bei Västervik schnell beantwortet: Häng einfach in deinen Karabiner, was Du willst! Ob Jerkbait, Spinner, Gummifisch, Stickbait, Blinker oder Fliege – die Fische fressen alles, was einem Beutefisch annähernd ähnlich sieht. Unser Melonen-Hecht unterstreicht diese Aussage ziemlich gut!

Saison ist in den Schären das ganze Jahr über

Genauso endlos wie die anglerischen Möglichkeiten des Schärengartens ist auch die Saison für Raubfischangler. Die beste Zeit für Hecht ist im April, Mai und Juni sowie von Oktober bis Januar. Lediglich im Februar, März und manchmal April beißen die Fische schlechter, weil sie dann laichen. Lediglich sehr kalte Temperaturen können den Start der Saison und die Winterfischerei verhageln. Zander fängt man am besten Anfang/Mitte Juni nach der Laichzeit bis in den Oktober. Barsche sind ebenfalls von Juli bis hin zum Oktober sehr aktiv.

Dieser Artikel erschien zuerst in Blinker 01/2018. Hier geht es zum aktuellen Heft


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