Okay, an Experimenten von mutigen Anglern hat es nicht gemangelt. Das Ergebnis ist „durchwachsen“: Die einen fischen nix anderes mehr, die anderen probieren es aus und vermissen alles, was ihnen geflochtene Schur bietet. Vor allem vom „brettharten Knallbiss“ muss man sich verabschieden, wenn man von Geflochtener auf Fluorocarbon umsteigt. Wenn es aber dennoch eine stetig wachsende Gruppe von Anglern gibt, die trotz alledem voll auf Fluorocarbon als Hauptschnur setzt, muss da aber doch was dran sein. Oder etwa nicht?
Mir bleiben die Diskussionen um das Fluorocarbon natürlich verborgen. Und so begebe ich mich in regelmäßigen Abständen auf Spurensuche nach den FC-Vorteilen. Während ich von diesem Material als Barsch- und Zandervorfach in hechtfreien Situationen vollauf überzeugt bin, muss es mich als Hauptschnur noch überzeugen. Eine Annäherung hat aber bereits stattgefunden.
Fluorocarbon als Hauptschnur
Schauen wir uns die Vorteile mal genauer an: Am Fluorocarbon-Vorfach schätzen wir Barsch- und Zanderangler vor allem die Abriebfestigkeit. Während Monofil und Geflochtene an Muscheln, Holz und Steinen relativ schnell Schaden nehmen, kann man mit FC deutlich länger in Risikogebieten fischen, ohne Tragkraftverluste befürchten zu müssen. Außerdem soll FC – dank eines ähnlichen Lichtbrechungsindexes wie beim Wasser – nahezu unsichtbar sein. Und dann sinkt Fluorocarbon auch noch, was vor allem beim Ultralight-Jiggen gegenüber schwimmenden Schnüren ein Vorteil ist, weil man mit leichteren Bleiköpfen angeln kann.
So weit, so gut. Aber was bewegt den modernen Spinnangler von heute nun dazu, sich das Material nach amerikanischem und japanischem Vorbild als Hauptschnur aufzuspulen, wo die geflochtene Schnur aufgrund der Nulldehnung doch als DIE Innovation des letzten Jahrhunderts gefeiert wurde?
Die Fluorocarbon-Fakten
Die FC-Fans führen vor allem an, dass Fluorocarbon viel leiser als Geflochtene durchs Wasser und durch die Rutenringe gleitet, so dass man Finesse-Techniken noch subtiler macht. Im Vergleich zu Monofiler wiederum ist FC einigermaßen dehnungsarm. Außerdem sinkt Fluorocarbon als Hauptschnur, sodass der Köderkontakt nochmals direkter ist als mit Mono.
Wobbler laufen an Fluorocarbon ein bisschen tiefer als an anderen Schnüren, denn Fluorocarbon sinkt. Die Abriebfestigkeit dieses Materials macht sich natürlich auch auf voller Länge gut. Selbiges gilt für den Tarneffekt bzw. die ausgeschaltete Scheuchwirkung. Und nicht zuletzt: Wer durchgehend mit Fluorocarbon angelt, braucht keine zusätzlichen Verbindungsknoten zu Vorfächern mehr zu binden.
Soweit die Theorie. In der Praxis haben ich beim Schwarzbarschangeln mit dem Texas– oder Carolina-Rig die Erfahrung gemacht, dass ich mit FC eine bessere Bissverwertung habe. Aufgrund des Puffers, der durch die Dehnung entsteht, spüren die Fische beim Zupacken erst relativ spät einen verdächtigen Widerstand. Man kann also in Ruhe die Rutenspitze absenken, sich voll auf den Anhieb vorbereiten, die Rute mit voller Wucht nach oben dreschen – und dann hängen die Schwarzbarsche in aller Regel auch am Haken!
Genauso fischen hierzulande die Barsch-Freaks auch auf ihre geliebten Flussbarsche. Aussteiger im Drill sind dabei an Fluorocarbon-Schnur seltener als an Geflochtener. Denn wenn die Barsche erst einmal hängen, haben sie dank der Rest-Dehnung vom Fluorocarbon trotz ihres spröden Mauls so gut wie keine Chance, den Haken abzuschütteln.
Den ganzen Vorteilen stehen eigentlich nur zwei Nachteile gegenüber:
- Man spürt zaghafte Bisse durch die Dehnung nicht ganz so deutlich wie mit Geflochtener.
- Die Schnurbeobachtung fällt aufgrund der Transparenz von Fluorocarbon deutlich schwerer als beispielsweise mit einer grell eingefärbten Geflochtenen – was die Bisserkennung ebenfalls nicht unbedingt vereinfacht.
Fluorocarbon auf der Baitcaster
Wer zum ersten Mal mit Fluorocarbon auf einer Baitcast-Multi fischt, muss außerdem ein bisschen aufpassen. Wenn geflochtene Schnüre auf einer Baitcaster verwendet werden, kann man mit ziemlich weit geöffneten Fliehkraft- und Spulenbremsen fischen. Mit dem „störrischen“ Fluorocarbon geht das nicht! Wegen seiner Steifigkeit „will“ es schneller von der Rolle. Dem muss man bei der Bremseinstellung Rechnung tragen und Fliehkraftbremse an der Multi dementsprechend weiter zuziehen. Auch der Druck des Daumens auf die Spule darf ein bisschen stärker ausfallen. Am besten übt man das Baitcasten mit Fluorocarbon erst einmal mit etwas schwereren Ködern.
Auch wenn man sich streng an das eben Besprochene hält und damit „alles richtig“ macht, muss man sich erst einmal an die neue Schnur gewöhnen. So muss man z.B. viel konzentrierter angeln, weil man ständig auf der Hut sein muss, um keinen dieser subtilen „Schnurbisse“ zu verpassen. Diese zu erkennen, ist das nächste Problem. In Abhängigkeit von den Lichtverhältnissen ist das durchsichtige Fluorocarbon schwer oder gar nicht zu erkennen. Das konzentrierte Beobachten der Eintrittsstelle des Fluorocarbons ins Wasser geht im Gegensatz zur Beobachtung eines grellen Geflechts auf Dauer ganz schön auf die Augen.
Spezialtipp: Fluorocarbon als Hauptschnur aufspulenFrisch aufgespulte Fluorocarbon-Schnur springt oftmals störrisch von der Spule. Es gibt aber ein paar Tricks, wie man dem steifen Material beikommt: Sehr wichtig ist es, die Schnur sauber parallel und sehr straff aufzuspulen. Spezialisten lassen die Rollen nach dem Aufspulen sogar erst einmal ein paar Tage „ruhen“, so dass sich die Schnur an den Spulendurchmesser anpasst und beim Werfen nicht mehr so wild „von der Spule fliegt“. Noch schneller an den Spulendurchmesser „gewöhnt“ sich das Fluorocarbon, wenn Ihr die Spule nach dem Aufspulen über Nacht in ein warmes Wasserbad legt. |
Umdenken beim Anhieb
Ein riesiger Unterschied zur Angelei mit geflochtenen Schüren ist auch das Anschlagen. Mit Geflochtener reicht normalerweise ein reflexartiger Ruck aus dem Handgelenk, um einen Fisch zu haken. Mit Fluorocarbon als Hauptschnur hingegen muss ich erstens schon beim minimalsten Zupfer reagieren, und zweitens viel stärker durchziehen, um einen Anhieb bis zum Fisch durchzubringen. Für eine maximale Bissausbeute gilt es sogar, die Rutenspitze kurz abzusenken, anzukurbeln und dann erst bei gestraffter Schnur mit voller Kraft anzuschlagen.
Auch das Hängerlösen wird mit Fluorocarbon zur Herausforderung. Bei einem Hänger die Schnur bis kurz vorm Zerreißen spannen und dann blitzartig schießen lassen, um den Köder aus den Steinen zu katapultieren, funktioniert mit Fluorocarbon nicht so gut wie mit Geflochtener. Wenn ein Jig mal festsitzt, hat man wegen der Dehnung des Fluorocarbons richtig zu tun, die Schnur zu zerreißen oder aber den Hänger zu lösen.
Einen kleinen Trost gibt es aber: Ich habe den Eindruck, dass man mit Fluorocarbon insgesamt weniger Hänger hat. Vielleicht liegt das daran, dass das sinkenden FC in einem anderen Winkel zum Köder verläuft als die schwimmende Geflechtschnur? Es könnte aber auch daran liegen, dass Fluorocarbon deutlich dicker als ist eine Geflochtene von gleicher Tragkraft und der Köder dadurch anders bzw. sogar langsamer zum Grund und damit auch in potentielle Hindernisse sinkt?
Fazit: Fluorocarbon als Hauptschnur
Fakt ist: Ich habe schon ein paar Anläufe hinter mir, um mich mit Fluorocarbon als Hauptschnur anzufreunden. Dabei habe ich das Material in Verbindung mit Twitch-, Crank- und Spinnerbaits sowie zum Jiggen eingesetzt. Inzwischen habe ich mir eine Meinung zu der ganzen Sache gebildet: Zum Jiggen muss bis auf Weiteres wieder Geflecht auf die Rolle! Ich stehe auf die knallharten Bisse, wie sie nur eine dehnungsarme Geflechtschnur übertragen kann. Die Einschläge auf den heruntertaumelnden Gummiköder sind einer der Kern-Kicks beim Spinnfischen, auf den ich einfach nicht verzichten möchte.
Aber: Zum Spinnerbaitangeln würde ich nichts anderes mehr nehmen als Fluorocarbon! Die Elastizität unterstützt den Wurf. Man braucht viel weniger Kraft. Und auch der Druck aufs Handgelenk der Rutenhand ist viel schwächer als mit Geflochtener. Weil der Spinnerbait aufgrund seines hohen Einholwiderstandes das Fluorocarbon streckt, sind die Bisse dennoch gut zu spüren. Außerdem kommt es mir zugute, dass man beim Spinnerbait-Fischen sowieso nicht hart anschlagen sollte bzw. muss. Ein lockeres Seitwärts-Schwippen reicht völlig aus, um den Anhieb zu setzen.
Zum Angeln mit Crankbaits dagegen nehme ich noch lieber Monofil als Fluorocarbon, weil sich Mono mit diesen „Ratterködern“ noch entspannter fischt. Wenn ich jedoch die maximale Tauchtiefe aus den Crankbaits herausholen muss oder die Wobbler durch hindernisreiches Wasser mit Steinen, Muscheln und Holz kurble, ist Fluorocarbon einfach die bessere Wahl.
Johannes’ Schnur-Guide: Die beste Schnur für jeden Köder!
- Popper: Geflecht oder Mono.
- Crankbait: Mono oder FC.
- Spinnerbait: FC oder Geflecht.
- Rubberjig: FC oder Geflecht.
- Twitchbait: FC oder Mono.
- T-Rig: FC oder Geflecht.
- Jerkbait: Geflecht.
- Jig: Geflecht.
Das zeigt, dass sich Fluorocarbon als Hauptschnur in der Praxis für die einzelnen Ködertypen viel öfter gefischt werden sollte, als so manch einer glauben würde.