Wer sein Büro mit einem Aal teilt, kann eine Menge fürs Angeln lernen. Martin Wehrle schaut seinem Aal „Aladin“ seit fast zwei Jahren aufs Maul und hat Erstaunliches zu berichten.
Der Aal war verschwunden. Einfach weg! Dabei hatte ich ihn kurz zuvor noch beobachtet, wie er sich über den Sandboden meines Aquariums schlängelte. Ich krempelte die Ärmel hoch, hob eine Wurzel an. Es half nichts. Aladin wie ich meinen Aal nannte war nicht mehr da. Mein Experiment schien am Ende, bevor es richtig begonnen hatte. Eigentlich sollte mir mein Aladin verraten, was ich als Angler immer schon wissen wollte: Wie sieht es aus, wenn ein Aal frisst? Verschlingt er seine Beute mit einem Rutsch, oder braucht er Zeit? Welche Köder schmecken ihm am besten? Wann treibt ihn der größte Hunger? Hängt seine Stimmung vom Wetter ab? Insgeheim hoffte ich sogar, Aladin würde mir die besten Angeltage üstern: Wenn er besonders aktiv war, warum sollten dann nicht auch die Aale draußen im Fluss laufen? Das Aquarium steht in meinem Arbeitszimmer, direkt neben dem Schreibtisch. Dort bin ich rund um die Uhr im Einsatz, manchmal bis in die tiefe Nacht. Nun wollte ich Aladin aufs Maul schauen, meine Kniffe fürs Aalangeln aus erster Quelle bekommen. Natürlich hatte ich den Aal selbst gefangen. Es war eine stürmische Nacht im Mai 2004. Der Regen lief in Strömen, die Aale liefen nicht. Ich wollte schon einpacken, als es an meinem Tauwurm zupfte. Es war ein schüchterner Biss, ein ganz leises Anklopfen. Erst Minuten später, als ich schon einholen wollte, lief endlich die Schnur. Nach meinem Anhieb og mir ein winziger Aal von 35 Zentimetern entgegen, so dünn, dass er locker durch die Maschen eines mittleren Keschers geglitten wäre. Er hing ganz vorne. Mein Aladin!