Etwa 50.000 Angler gehen pro Jahr am Bodden angeln: Das ist nur eine der beeindruckenden Zahlen, die das Projekt Boddenhecht ermitteln konnte. Sie unterstreicht einerseits, welchen Stellenwert die Region für Angler besitzt – andererseits aber auch, wie wichtig die Angler selbst sind. Das Projekt liefert noch viele weitere interessante Fakten, die unter anderem durch Besenderung von Hechten und Befragung von Anglern erhoben wurden.
Projekt Boddenhecht ist abgeschlossen
Am 3. Juni 2023 fand die Abschlussveranstaltung des Projekts im Ozeaneum in Stralsund statt. Das Team um Projektleiter Prof. Dr. Robert Arlinghaus stellte die Ziele und Herausforderungen vor, die es in viereinhalb Jahren zu meistern galt. Das Projekt Boddenhecht begann am 1. Januar 2019, in Auftrag gegeben hatte es das Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern (LM-MV). Anwesend waren Kay Schmekel, Referatsleiter der Fischereibehörde, sowie Vertreter des Landesanglerverbands Mecklenburg-Vorpommern (LAV MV) und des Deutschen Fischereiverbands (DAFV).
Die wichtigsten Themen, mit denen sich das Projekt Boddenhecht beschäftigte, waren folgende:
- Konflikte zwischen Anglern und Berufsfischern
- Veränderungen der ökologischen Umwelt
- Raubdruck auf Hechte durch Kormorane und Kegelrobben
- Vermehrter Nährstoffeintrag
- Mehr Stichlinge als Bruträuber
- Klimawandel, Lebensraumverluste und Schutzgebiete
Warum kommen Angler an den Bodden?
Von den 50.000 Anglern, die jährlich in der Boddenregion angeln, sind etwa 70 Prozent Touristen, die von außerhalb anreisen. Insgesamt 390.000 Angeltage verbringen sie über das Jahr verteilt in der Region, die Hälfte davon gezielt mit dem Angeln auf Hecht. Das Team fragte mehrere Angler nach den Gründen, die sie an den Bodden führten. Die häufigsten Antworten waren „um kapitale Fische zu fangen“ und „um anglerische Herausforderungen zu meistern“.
Und eine Herausforderung ist das Hechtangeln am Bodden definitiv, wie das Projekt Boddenhecht zeigte. Im Schnitt fangen Angler derzeit einen Hecht pro Tag – damit sind die Fänge rückläufig. 2006 waren es noch etwa drei Hechte, mit denen ein Angler am Tag rechnen konnte. Dennoch sind die Raubfische am Bodden größer als im Süßwasser: Im Schnitt misst ein Boddenhecht 76 cm, ein Hecht aus dem Süßwasser dagegen 65 cm.
Der Angeltourismus am Bodden ist zwar rückläufig, aber immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der volkswirtschaftliche Nutzen durch Angler in der Boddenregion wird mit 20 Millionen Euro beziffert, sie sichern außerdem 420 Arbeitsplätze. Derzeit arbeiten 39 Angelguides am Bodden, die Hälfte davon hauptberuflich. Könnte man den Fangchance auf Hecht verbessern (zum Beispiel auf das Niveau von 2006), ließe sich damit die Wertschöpfung durch Angler in der Region verdoppeln.
Konflikte am Bodden: Angler gegen Fischer
Das Projekt Boddenhecht fand zwei wesentliche Konflikte am Bodden. Auf der einen Seite steht „Fischerei gegen Naturschutz“, der sich vor allem auf den Schutz von Kormoranen und Robben bezieht, sowie auf Befahrensverbote bestimmter Bereiche für Angler.
Auf der anderen Seite steht der Konflikt „Angler gegen Berufsfischer“, von denen es am Bodden noch 130 Hauptberufler gibt, weitere 88 im Nebenberuf. Dieses Feld sei „weder neu, noch unerwartet“, wie es in einer Mitteilung des DAFV heißt. Auch am Bodensee habe man vergleichbare Probleme beobachtet. Einerseits gehe es darum, den „traditionellen Berufsstand“ zu wahren, aber gleichzeitig die „Chancen und Mehrwerte der Freizeitfischerei“ zu fördern. Wirtschaftlich sind die Angler am Bodden deutlich wichtiger: Im Vergleich zu den Berufsfischern ist die Bruttowertschöpfung des Angelns 32-mal höher.
Die Berufsfischer fangen etwa dieselbe Menge an Hechten wie die Angler. Ihr Einfluss auf den Bestand ist dabei jedoch ungleich höher. Angler setzen ca. 60 Prozent ihrer gefangenen Hechte wieder zurück, sodass sie deutlich weniger zur fischereilichen Sterblichkeit beitragen.
Es gab jedoch auch Gemeinsamkeiten. So waren sich Angler und Berufsfischer einig, wenn es um Themen wie Kormorankontrolle und Renaturierung von Lebensräumen ging. Außerdem stimmten beide Gruppen Fangbestimmungen wie z. B. einem Entnahmefenster zu.
Auch interessant
- RaubfischangelnSteckbrief Hecht: Alles was Du über Esox wissen musst!
Wie geht es nach Projekt Boddenhecht weiter?
Aus den ermittelten Ergebnissen des Projekts leitete das Team mehrere Maßnahmen ab, um das Management der Boddenhechte zu verbessern. Dazu gehören unter anderem eine Aufwertung des Lebensraums, die Regulierung natürlicher Prädatoren (Kormoran, Kegelrobbe) und eine Entnahmeregulation. Eine detaillierte Liste aller 54 Maßnahmen ist auf ifishman.de einsehbar. Das Team gibt allerdings zu bedenken, dass einige der Vorschläge komplexe, zeitintensive Prozesse darstellen.
Weiterhin wird Mecklenburg-Vorpommern bis Ende 2024 eine Reform des Fischereigesetzes durchführen. Mit Blick auf die Boddenhecht-Ergebnisse stehen unter anderem folgende Vorschläge im Raum:
- Erhöhung des Hechtmindestmaßes auf 60 cm für Angel- und Berufsfischerei
- Einführung eines Maximalmaßes zur Entnahme geangelter Hechte von 90 cm für die Angelfischerei (gleichbedeutend mit einem Fenstermaß 60 – 90 cm)
- Begrenzung der Maschenweite für die Hecht-Stellnetzfischerei auf 60-70 mm als indirekte Form eines Entnahmefensters für die Berufsfischerei
- Absenkung der Tagesentnahmebeschränkung auf 1 Hecht pro Angler pro Tag
- Einrichtung von Wanderkorridoren für Hechte auf ihrem Weg zu Laichgebieten
- Spinnfischverbote in Laichgebieten während der Schonzeit
Sowohl LAV MV als auch DAFV sehen in den Vorschlägen „viel positives Potenzial für eine bessere Schonung kapitaler Laichhechte“. Eine maximale Maschenweite für Stellnetze würde beispielsweise verhindern, dass sich darin kapitale Hechte verfangen. Mit Wanderkorridoren könne man außerdem sicherstellen, dass Boddenhechte in der Laichzeit nicht massenweise gefangen werden.
Quellen: DAFV, IFishMan (Management-Empfehlungen)