Aller Laster Anfang - oder .......

  • ............wie man zum Angeln kommen kann.



    Durch die Tätigkeit meines Vaters als Opernsänger hatte ich eine recht bewegte Kindheit, bewegt in wahrsten Sinne des Wortes, das bedeutet wir zogen laufend um und das oft extrem kurzfristig, aber an solche Sachen gewöhnt man sich.


    Meine Mutter arbeitete damals als Verkäuferin beim "Konsum", zu diesem Zeitpunkt wohnten wir grade mal in Radebeul bei Dresden, so begab es sich das mein Vater nach Hause kam und sich etwa folgender Dialog entwickelte:


    "Du Liesel bring doch mal Kartons aus dem Laden mit und kündige mal."


    Die Reaktion meiner Mutter: "Wohin ziehen wir?"


    Mehr Worte wurden zu dem Thema nicht benötigt!


    Eine Woche später saßen wir in der Doppelkabine eines H6 Möbeltransporters in Richtung Schwerin, wo wir dann so nach 10 Stunden auch ankamen.


    Die Sommerferien waren grade zur Hälfte um und die Schule hatte somit noch eine Weile Zeit. Es erfolgten die ersten Annäherungsversuche von und zu den Nachbarskindern das war nicht so ganz einfach, Leute aus Sachsen waren nicht sonderlich beliebt. Die Tatsache das meine Eltern von Haus aus hochdeutsch sprachen und ich durch die ganze Umzieherei auch keinen Dialekt angenommen hatte erleichterten die Sache wesentlich.


    So hieß es eines Tages: "Wir gehen Angeln!Kommste mit?"


    Ich hatte vom Angeln genau soviel Ahnung wie eine Kuh vom Hochsprung, aber Fische interessierten mich, denn wir hatten ein Aquarium. Also sagte ich zu.


    Blitzschnell wurde ich ausgerüstet. Eine Bambusrute 1,80m aus dem Blumenladen und eine Fertigangel auf dem Wickelbrett für 1,50 Mark und schon zogen wir los. Ich wusste weder wohin wir gingen noch mit was und auf was wir nun Angeln wollten. Auf meine Fragen
    hin wurde mir das unterwegs bereitwillig erklärt.


    "Wir gehen jetzt zum Faulen See zur Schleifmühle, und da gibt's Plötzen, Plieten, Barsche, Kaulbarsche und Heringe(!?!)"


    Geangelt wurde mit Teig der nach einem uralten Geheimrezept hergestellt war (Mehl, Wasser, Zucker).


    Nach etwa einer halben Stunde Fußweg waren wir dann da, an der Schleifmühle(heute techn. Museum) und wir begannen zu angeln, ich brauchte mich erst mal um nichts kümmern! Man stellte mir die Angeltiefe ein und befestigte einen Teigklumpen am Haken und dann durfte ich das ganze zu Wasser lassen, die Kurzeinweisung die nun folgte beschränkte sich auf folgenden Halbsatz: "Wenn das Ding untergeht ziehste!"


    Es ging auch unter und ich zog! Danach musste ich auf einen Baum steigen und den kostbaren Haken wieder aus diesem befreien denn keiner von uns besaß einen Ersatzhaken, geschweige denn war in der Lage einen Solchen anzubinden!


    Mit der Bemerkung "Nicht so doll!" wies man mich darauf hin meine Anschlagtechnik etwas zu überarbeiten.


    Jedenfalls die Pose ging mal wieder unter und ich zog wesentlich sanfter an und plötzlich kam irgendwas zappelndes silbriges auf mich zugeflogen, ein Riesending! Jedenfalls im Gegensatz zu unseren Keilfleckbarben zu Hause im Aquarium! Das Tier war mindestens handlang, wenn nicht.......
    " Kannste wieder reinschmeißen ist ne Pliete (Güster) die haben so viele Gräten!" lautete der Kommentar aus der Nachbarschaft. Enttäuscht ließ ich meinen ersten Fisch wieder frei, und bei dem sollte es auch an dem Tag bleiben. Meine Angelkumpels waren dagegen erfolgreicher als ich, sie hatten zahlreiche Plötzen und einige der ominösen "Heringe" gelandet, die nun von Muttern sauer eingelegt werden sollten. Übrigens die "Heringe" waren ein paar größere Ukeleis wie ich später herausbekam.


    Als wir wieder nach Hause kamen musste ich meine "umfangreiche Leihausrüstung" wieder abgeben, also bin ich am nächsten Tag zu Blumen-Scheffel gelaufen und hab mir selbst eine Bambusstange gekauft 2,50m! Das Ding kostete immerhin 2 Mark! Danach gleich schräg rüber zu "Eisen-Hansen" und so eine Fertigangel auf einem Wickelbrett gekauft! 1,50 uff! Taschengeld fast alle!


    In den folgenden Tagen hab ich dann meiner Mutter viel Freude geschenkt in dem ich die Küche verkleistert habe bei meinen Teigknetorgien, meine Fänge waren allerdings meist sehr dürftig, aber jeder gefangene Fisch musste gebraten werden, was meiner Mutter ebenfalls viel Freude brachte. So trieb ich das Ganze bis zum Schulbeginn, in der Schule stellte ich fest,alle Jungs in unserer Klasse angelten ebenfalls, also nachmittags wieder Angeln!


    Vom nächsten Taschengeld hab ich mir dann ein Buch gekauft, von Wolfgang Zeiske "Angle richtig!", von meinen Klassenkameraden hab ich auch eine Menge gelernt.


    Mein Vater sah sich die Sache eine Weile an und war der Meinung so geht das nicht weiter und meldete mich beim Anglerverband Betriebsgruppe "Mecklenburgisches Staatstheater" an. Jetzt kriegte die Sache langsam Hände und Füße, und das Verhängnis nahm seinen Lauf, ich gewann das erste Wettangeln, "Ich war der größte".


    Was in den nächsten Jahren so alles passierte war sicher nicht alles die reinste Freude für meine Eltern! Ich vergaß fast das Essen und Trinken und manchmal auch die Schule, ich war eigentlich nur noch angeln, wenn nicht körperlich doch zumindest geistig, die Sache war zu einer Art Sucht geworden. Das hat sich glücklicher Weise später relativiert, mit zunehmendem Alter kommen ja auch andere Interessen.


    Aber losgeworden bin ich diese Sucht Gott sei Dank nicht mehr.


    Ich hab in den nächsten Jahren viel gemacht in dieser Sportgruppe hab auch später selbst die Kinder -u. Jugendgruppe geleitet, war Übungsleiter fürs Casting und Kampfrichter, auch selbst Wettkämpfer als Wettangeln noch "In" war, teilweise recht erfolgreich. Hab dann
    aber selbst nicht mehr gemocht, weil es sinnloses Fischetöten war.


    Heute angle ich natürlich genauso gern wie damals, nur die Zeit fehlt meist, so das ich das Angeln etwas selektiver betreibe.

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  • :) gute Geschichte Wolfgang, ja, es ist schon eine Sucht - allerdings eine, die man sich niemals abgewöhnen möchte......
    Ich kann mich deutlich wiedererkennen in der Ausführung "ich war eigentlich nur noch angeln, wenn nicht körperlich doch zumindest geistig"


    Da muss man wirklich dankbar sein für verständnisvolle Eltern. :D

    "Loyalty to a petrified opinion never yet broke a chain or freed a human soul." Samuel Longhorne Clemens

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