Große Bachforellen immer Räuber ?

  • Manfred(mzg) hat im Storyboard einen sehr schönen spannend geschriebenen Beitrag veröffentlicht.
    http://www.blinker.de/forum/viewtopic.php?t=1780


    In diesem Beitrag sind mir ein paar Zeilen aufgefallen.

    Zitat

    Ganz klar ein Räuber, ein Kannibale, wie alle großen Bachforellen. Er wird sich regelmäßig seinen Tribut unter den jüngeren Artgenossen holen.


    Sicher hat Manfred recht, bezogen auf dieses Gewässer und seine Gegebenheiten, aber ist das wirklich immer so?


    Ich bin auch schon öfter mit dieser Meinung konfrontiert worden.


    Ich habe mich viele Jahre recht intensiv mit der Bachforelle beschäftigt und habe festgestellt,daß es kaum eine Fischart gibt die so zu Nahrungsspezialisierungen neigt wie diese.
    Manche dieser Spezialisierungen sind zeitlich befristet und hängen mit dem schwankenden Nahrungsaufkommen in den Gewässern zusammen, unterliegen also einem jährlichen Zyklus, andere Spezialisierungen sind aber dauerhaft, teilweise sehr individuell.
    Sehr entscheidend scheint der Gewässertyp zu sein.
    Bachforellen in unseren Niederungsbächen werden im Alter, oder besser ab einer gewissen Größe eher zu Planktonfressern.
    Niederungsbäche sind sehr nahrungsreich, die Wassertemperaturen sind höher, die Gewässer biologisch ertragreicher, die Nährtierdichte ist höher.
    Die Großforellen ernähren sich in solchen Gewässern hauptsächlich von Flohkrebsen(Gammariden), diese Dinger sind zwar nicht sehr groß aber immer in Masse vorhanden, das Erbeuten dieser Nährtiere verbraucht nicht sehr viel Energie.
    Die einzusetzende Energie ist der Schlüssel zu diesem Verhalten.
    Für einen solchen Fisch ist die Jagt auf einen gesunden Beutefisch ein sehr großes energetisches Wagnis, der Energieaufwand ist recht hoch und das Ergebnis der Jagt ist ungewiss.
    Treibt jedoch ein angeschlagener, kranker Fisch vorbei wird die Forelle sicher nicht lange fackeln.
    In den 30 Jahren die ich an den mecklenburgischen Niederungsbächen fische habe ich einige hundert Fische entnommen, in nur 2 Fällen fand ich Fischreste im Magen, einmal ein fingerlanger Döbel(Bachforelle 30cm, in der Schonzeit von einem Schwarzangler gefangen) und einmal 3 Stichlinge(Bachforelle 48cm). Es gibt auch eine wissenschaftliche Studie(Plomann) aus brandenburgischen Gewässern, bei der hunderte von Fischen aus verschiedenen Flüssen untersucht wurden, auch dort wurden nur 3 mal Fischreste gefunden.
    An Mittelgebirgsbächen sieht das allerdings anders aus, diese sind meist nicht so nahrungsreich, da sind die Fische gzwungen zu fressen was immer sie kriegen können, dann ist das "Fischefressen" auch nicht unbedingt auf große Fische begrenzt, auch kleinere Fische nutzen diese Nahrungsquelle.

    Diese Nachricht entspricht dem deutschen Forenreinheitsgebot von 2005, besteht aus 100 % chlorfrei gebleichten, FCKW-freien, wiederverwendbaren, geschmacksneutralen, nicht genmanipulierten Bits und ist frei von jeglichen Editierungen!©

  • Hallo Wolfgang,


    da kannst du durchaus Recht haben.
    Meine Forellen-Erfahrung beschränkt sich zu 95% auf vergleichsweise nahrungsarme Mittelgebirgsbäche. Entsprechend kleinwüchsig sind viele Bestände.
    Oft habe ich auch im Magen gerade maßiger Forellen Fischreste gefunden. Mehrfach sogar Mäuse. In einigen Fällen schaute der Schwanz der letzten Beute noch aus dem Maul.
    Einmal hatte ich die Möglichkeit eine (für die Gewässerverhältnisse große) Bachforelle von ca. 1500g beim Hinunterwürgen einer über 500g schweren Artgenossin zu beobachten. Der ganze Vorgang hat ca. 2,5 Stunden gedauert. Als ich den Fisch gesichtet habe war gerade der Kopf der Beute verschwunden, als mir der Fisch außer Sicht gekommen ist hat noch der Schwanz aus dem Maul geschaut.
    An diesen Bächen stürzen sich selbst 15cm Forellen auf 3er Mepps-Spinner. Selbst Äschen konnte ich ab und an auf den 0er und 1er Mepps erbeuten. Zur Fliegenfischerei habe ich leider zuerst aus Kosten- und jetzt aus Zeitgründen noch keinen rechten Zugang gefunden. Aber das wird schon noch werden.


    Unter den von dir beschriebenen Verhältnissen werden die Fische die bequeme Nahrungsquelle vorziehen.
    Wie sieht es aber im Winter aus, wenn die Flokrebse nicht in Massen auftreten und die Krautfahnen abgestorben sind?
    Enthält die von dir angeführte Studie auch dazu Daten?


    Ein wirklich interessantes Thema.
    Ich glaube mich zu erinnern bei Ritz gelesen zu haben, das der Besitzer einer Niederungsstrecke (an einem der französichen Kreideflüsse?) versuchte eine große Raub?forelle mit der Büchse zu schießen, weil sie den Bestand schädige.


    Aber damals herrschten andere Vorstellungen und Verhältnisse.
    Ich bedauere inzwischen jedenfalls in meiner Anfängerzeit zu viele Fische entnommen zu haben. Aus Erfahrung wird man Klug.


    Gruß,
    Manfred

  • Bei den von mir beschriebenen Gewässern kommen einige weitere Aspekte hinzu,es handelt sich in allen Fällen nicht um Quellgewässer, sondern ausschließlich um Seenabläufe, mit ständig wechselnder Charakteristik,die allgemein bekannte Regionseinteilung kann man hier völlig vergessen,die Gewässer beginnen nach Seeaustritt als typische Bleiregion um dann in die Forellen/Äscheregion überzugehen, dieser Wechsel findet teilweise alle paar Kilometer statt.
    Die Bestandsdichte der Bachforellen ist nicht sehr hoch, große Fische bewohnen große Reviere, verteilen sich also großzügig über den Flußlauf.
    Die im Winter vorhandene Nährtiermenge (Insektenlarven,und auch im Winter Gammariden) ist völlig ausreichend.
    Man findet hier noch wenig beeinflußte "alte" Bestände.
    In diesen alten Beständen dominieren große Fische(50-70cm) das Bild, diese Fische besetzen natürlich die besten Plätze, kleinere Exemplare werden in ungünstigere Bereiche gedrängt.
    Betrachtet man so ein Gewässer aus Sicht der Bewirtschaftungsproduktivität (kg/ha), besitzen diese Gewässer eine schlechte Produktivität, daher auch manchmal der Drang die großen Fische zu entfernen, denn fehlen diese zum Teil, dann rücken die "halbstarken" nach,welche mit kleineren Revieren auskommen, die Produktivität erhöht sich.
    Die "alten" Bestände sind aber recht stabil, die Beeinflußten oft nicht, Störungen in der Alterspyramide(auch durch Besatz) wirken sich oft nachteilig aus.Reine Besatzgewässer haben wir hier nicht.
    Jetzt schweife ich schon wieder ab.
    Ich wollte mit dem Betrag eigentlich nur sagen,daß die oft geäußerte Meinung Großforelle = Überständer = Killer = Schädling nicht immer und überall zutreffen muß.


    Was Fische der Art Salmo trutta verdrücken können, ist gut an Meerforellen zu beobachten die Heringe jagen .


    Die Plomannstudie muß ich mal suchen.

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  • Hallo Wolfgang,


    kennst du zufällig das Buch
    Trout (Hunting & Fishing Library) ISBN 086573027X


    Dort werden genau die von dir beschriebenen Gewässer, See- und Stauseeabflüsse mit schnell wechselnder Regioneneinteilung als die besten Großforellengewässer beschreiben. Schön, dass wir sowas auch in Deutschland haben. Hoffenlich bleiben uns die Bestände erhalten.


    Das Buch halte ich übrignes für die beste und umfassenste Einführung in die Salmonidenfischerei. Leider ist es rein auf Nordamerika zugeschnitten (inkl. Artenbeschreibung und Gewässerkarte).
    Eine Übersetzung ins Deutsche mit entsprechenden Anpassungen der Gewässerauswahl für Europa wäre sehr wünschenswert.
    Ich kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen.


    Grüße,
    Manfred

  • Wirklich ein interessantes Thema, was ihr beiden hier am Wickel habt - und gut geschlussfolgert!


    Ich kann es nicht so wissenschaftlich untermauern wie ihr, aber vielleicht meine unterschiedlichen Beobachtungen zu den rotgetupften größeren Exemplaren:


    - Hochsommer 1997 fing ich eine 55er (wohlgemerkt: keine MeFo!)in der dänischen Skjern Au auf eine winzige schwarze irische Lachsfliege mit 14er Haken, obwohl ich diesen Streckenabschnitt Tage vorher schon mit wesentlich größeren Streamern befischt hatte - warum schlug sie nicht bei den dickeren Brocken zu?


    - in Schweden und Norwegen befischen wir gerne die kleinen Bäche und Fjellseen, wo sich die kleinwüchsigen "Steinforellen" aufhalten. Selbst die für dortige Verhältnisse riesigen 30-35cm Exemplare hatten nur winzige Krebse und Insekten im Darm, obwohl ihr angeblicher Kannibalismus ihnen eine reiches Jungfisch-Mahlzeit bescheren könnte. Trotzdem beissen die meisten der Fische auf Mepps Größe 1 und 2, also vergleichsweise große Köder.


    Dagegen haben wir im Frühjahr wie im Hochsommer schon mehrere BaFos in der Fränkischen Schweiz zwischen 40 und 50 cm erbeuten können, und alle entweder auf Muddler Minnow braun (Koppenimitat) oder Bleikopfstreamer Größe 6. Diese in der Äschen-/Forellenregion lebenden Exemplare räubern anscheinend mit Vorliebe kleine Fischchen - vielleicht, weil die Nahrungskonkurrenz durch andere Fischarten größer ist und die Nahrung in diesen Flüssen auch schneller an den Standplätzen vorbeischießt?


    Gruß


    Karsten

  • Noch ein paar Betrachtungen zum Fress - und Beißverhalten von Bachforellen.
    Grundsätzlich kann man sagen ist das Fressverhalten von der Nahrtierdichte und von der Erlangbarkeit der Nährtiere abhängig.
    Die Nährtierdichte ist auch ausschlaggebend für die Reviergröße der Bachforellen.
    Bewohnen beispielsweise hier in einem Niederungsbach die größeren Fische recht ausgedehnte Reviere kann man in Zeiten des Überflusses(Massenschlupf von Maifliegen) beobachten, daß die Reviergrenzen förmlich fallen,da wo es sonst sofortige "Keile" gab werden plötzlich andere Artgenossen toleriert.
    Alte Standplätze werden zumindest befristet aufgegeben und es kann vorkommen,daß 3-4 große Bachforellen in einem kleinen Gumpen von nur 2m Länge stehen,weil dieser besonders attraktiv ist,weil dort besonders viele Insekten zusammengetrieben werden. Auch ist zu beobachten,daß manche Fische überhaupt nicht mehr stehen,sondern langsam am Ufer entlang patroulieren,daß sind dann die, welche einen Fliegenfischer so richtig vera....en können, weil sie plötzlich schon wieder 2m weiter höher steigen.


    Das Ganze hat auch Auswirkungen auf das Beißverhalten, stehen die Fische noch in ihren Revieren sind die Fänge mit der Spinnrute recht gut, die Fische beißen recht agressiv, nicht unbedingt weil sie den Spinner als Beute ansehen sondern auch weil sie diesen Eindringling vetreiben wollen.
    Dabei werden auch recht große Spinnköder attakiert.
    Ist dann Nahrung in Hülle und Fülle da, sind Fänge mit der Spinnrute echte Zufälle, entweden reagieren die Fische garnicht oder nur wenn der Spinnköder fast direkt an den Fischen vorbei geführt wird,die Reaktionen reichen dann vom sogenannten "Hassen" wobei der Köder meist mit geschlossenem Maul angestupst wird, meist sieht man dann die Welle die der Fisch verursacht und spürt ein kurzes "dumm" in der Rutenhand oder der Fisch weicht aus, flüchtet eventuell sogar ein Stück wenn man ihn mehrfach anwirft.Dieses "Hassen" soll eigentlich nur bedeuten :" weg hier,rück mir nicht so sehr auf die Pelle!". Manchmal werden dann noch Fische von außen gehakt.
    Fische die in schneller Strömung stehen sind wesentlich agressiver, die Fische haben ein sehr kurzes Zeitfenster für Erkennung einer Beute und die Entscheidung zufassen oder nicht, außerdem ist dort ihr Energiebedarf höher, in unseren Niederungsbächen findet man dort allerdings kaum größere Fische sondern meist Exemplare von 25-30cm.


    Noch etwas zum Beißen aus Agressivität, das trifft auch auf andere Salmoniden zu, eigentlich alle Bisse von Lachsen in der Zeit des Laichaufstieges erfolgen aus diesem Grund, denn von einer Nahrungsaufnahme kann man hier nicht mehr sprechen.

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