Auf dem Weg nach Hause habe ich mich mal wieder bei meinem Gerätehändler festgeratscht. Ihr kennt das ja: Man will noch schnell einen halben Liter Maden fürs Stippen am nächsten Morgen holen…
So stehen wir zu dritt um ein edles 5er Kohlefaserrütchen aus dem Hause Hardy: Federleicht, steif wie ein Brett. 600 Deutsche Märker soll das Ding gekostet haben. Die neueste Anschaffung Peter Raimers, (Namen geändert, man will ja keine Werbung machen) des Händlers, Fiegenfischer mit Leib und Seele. So stehen wir als die Klingel an der Eingangstür zum Laden schellt.
Wir werfen einen gemeinsamen Blick über die Schultern um den Neuzugang zu begrüßen. Das bis auf Achselhöhe durchgeweichte zitternde Männchen mit dem tropfenden roten Zettel in der Hand hat sofort unsere volle Aufmerksamkeit, kein Gedanke mehr an den schwarzen Stecken auf dem Ladentisch.
„Oh je, ins Wasser gefallen? Hamm Sie als Trost wenigstens was gefangen?“ Peter ist an Mitleid und Neugier kaum zu überbieten.
Wir hängen alle an des uns unbekannten Mannes Lippen. D.h. Peter muss ihn kennen. Der tropfende rote Zettel ist eine Tageskarte für seine Hausstrecke. Ein Fliegengewässer beachtlicher Qualität.
„Ein Viech! Ein riesen Viech!“
Unsere Spannung steigt ins unermessliche. Wer kennt nicht die Gefahren des Großfischdrills an der Fliege? Robert Redfort hat es in „In der Mitte entspringt ein Fluss“ ja sehr eindrucksvoll vorgeführt.
„Eine Bacher (Bachforelle)?“ (Peter)
„Naaa…“ (Der Unbekannte)
„Eine Regenbogner?“ (Peter)
„Naaa verdammt!“ (Der Unbekannte, leicht genervt ob der dauernden Unterbrechung seiner dramatischen Vorstellung) „Der Hund. Ein riesen Viech! Drei Stunden hat mich das Viech nicht aus dem Wasser gelassen. Drei Stunden! Ein riesiges schwarzes Viech! Mein Leben hab ich sowas noch nicht gesehen. Ich hab versucht wegzuwaten. Die ganze Zeit ist es mir am Ufer nach. Es hat mich nicht mehr aus dem Wasser gelassen!
Am Schluss musste ich durchs Tiefe auf die andere Seite rüberwaten, durch die Büsche das Ufer hochklettern, und 3km zur Brücke und wieder zurück laufen zum Auto.
So was hab ich noch nicht erlebt. So ein riesen Viech! Fressen hätt der mich können! Jetzt hab ich von der Stiefel-Lauferei auch noch Wasserblasen.
Da hamm Sie ihre Karte zurück. (Die Karte muss mit auf der Rückseite eingetragenem Fangergebnis wieder abgegeben werden.) Da geh ich nie mehr fischen! Des is ja lebensgefährlich!“
Sprach ’s und verschwand aus dem Laden ohne uns die Gelegenheit zum Antworten zu geben.
Kaum war die Tür zu trafen sich unsere Blicke. Noch hielten wir das Lachen zurück, er könnte noch in Hörweite sein.
Brüllll!!!
„Der Paule! Der hatte Angst vor Paule!“
Brülll!!!
Paule war an dem Gewässer jedem Angler bekannt. So einen herzensguten Trottel von einem riesengroßen schwarzen Bernhardiner kann es kein zweites Mal geben auf dieser Welt.
Das Tier gehört einem ortsansässigen Bauern und läuft immer frei herum. Will von jedem gestreichelt und geschmust werden. Der beste Freund der kleinen 1 ½ jährigen Tochter des Bauern, die den halben Tag in seinem Fell hängt.
Sobald ein Angler auftaucht kommt er vorbei um sich seine Streicheleinheiten abzuholen. Da ist er geduldig. Er wartet immer bis man aus dem Wasser zu ihm kommt.
„Hätt ich gewusst, dass der arme Kerl solche Angst vor Hunden hat, dann hätt ich ihn ja gewarnt. Aber wem würde es schon einfallen vor Paule zu warnen? Den sehe ich wohl nie wieder. Muss der auch grad da angeln wo man ein paar hundert Meter nicht durchwaten kann.“ Peter ist nicht ganz wohl in seiner Haut. Aber unser Tag ist gerettet.