Als ich so etwa 12 Jahre alt war hatte ich meine ersten Angelerfahrungen gerade gemacht und so leidlich fing ich ja auch etwas.
Meist waren es Plötzen, Rotfedern und die massenhaft vorhandenen Kleinbarsche.
Manchmal erwischte ich bei meiner Stipperei auch mal einen Brachsen, was aber schon immer ein besonderes Ereignis war.
Von Hechten, Aalen, Karpfen und Zandern wagte ich garnicht zu träumen, diese Fische erschienen mir damals nahezu unerreichbar, sie machten mir teilweise fast Angst.
Im Anglerverband war ich ja inzwischen schon fast 2 Jahre, die Angelei in unserer Kinder - und Jugendgruppe brachte mich nicht so recht weiter, da fehlte die nötige Anleitung fast völlig.
Es war also mal wieder Sommer geworden und ich hatte 8 Wochen Ferien.
Meine Eltern hatten gerade das Dauercampen auf einem Zeltplatz ganz in der Nähe, direkt am Schweriner See als neue Urlaubsform entdeckt.
Na ja, besser als woanders dachte ich mir, hier ist wenigstens Wasser.
Da am Zeltplatz gab es einen Anlegesteg für Fahrgastschiffe und eine Badeanstalt mit langen Stegen.
Also lungerte ich mit meiner Bambusrute, welche ich mit einfachen verzinkten Drahtringen und einer einfachen Gehäuserolle perfektioniert hatte an der Damferanlegebrücke oder eben abends in der Badeanstalt rum und versuchte meine Fische zu fangen, na ja, also das mit den Plötzen, Rotfedern und den Minibarschen hatte ich ja drauf, aber die meisten lagen eben deutlich unter der Verwertungsgrenze, meist war das Zeug, daß ich da fing kaum handlang.
Neidvoll sah ich dann immer, wie andere Angler mit vollen Fischeimern vom Angeln zurück kehrten, da waren haufenweise dicke Barsche von weit über 500g, viele Aale und auch große Hechte zu bestaunen.
Ein paar Zelte weiter war auch so ein Angler, welcher immer, zumindest aus meiner damaligen Sicht, traumhafte Fänge anschleppte.
Abends angelte dieser Angler auch manchmal auf dem Dampferanlegesteg und fing dort auch seine Aale.
Der Mann dürfte damals so etwa Mitte 40 gewesen sein und war, wenn man es höflich ausdrückt etwas untersetzt, man könnte auch sagen für sein Gewicht war er deutlich zu klein.
Er hieß Otto, das hab ich bloß rausbekommen, weil seine Frau ihn so rief.
Das war übrigens fast das Einzige was ich über ihn überhaupt rausbekam.
Jedenfalls beobachtete Otto dort auf dem Steg mein Tun und fand wohl, daß da wohl einiges zu verbessern sei.
Der Mann hatte eine sehr sympathische Art mich bei meiner Angelei zu korrigieren, in keiner Weise aufdringlich oder gar besserwisserisch, alles was er zu beanstanden hatte an meinen Fähigkeiten war erklärend, mit unglaublichem Fachwissen hinterlegt.
Otto hatte ein kleines blaues Ruderboot, mit welchem er täglich in See stach und meist mit reichlich Fisch wiederkehrte.
Nach paar Tagen sah ich wie Otto sich kurz mit meinem Vater unterhielt, ich wußte nicht worüber, jedenfalls endete das Gespräch mit einem Kopfnicken meines Vaters.
Es war Zeit zum Abendessen und nachdem ich meine Stullen in mich rein gestopft hatte wollte ich, wie allabendlich meine Rute schnappen und ab an die Brücke, aber da hielt mich meine Mutter energisch zurück.
"Du gehst jetzt nicht mehr angeln!"
"Warum nicht?"
"Weil du heute früh schlafen gehst!"
Nun verstand ich gar nichts mehr, ich hatte Ferien und sollte früh ins Bett, ich überlegte kurz, daß ich was angestellt haben könnte war mir nicht erinnerlich.
Also kam von mir dann natürlich die Frage : "Wieso das denn?"
"Weil du morgen um halb vier aufstehen mußt!"
"Hä!"
"Wieso das denn?"
Dachte ich mir, ich haßte nämliches jegliches Frühaufstehen.
"Weil du morgen mit Otto angeln fährst!"
Ha, das war ja nun ganz was anderes, also wenn das so ist, dachte ich mir, dann kann man auch mal früher ins Bett.
Ich war so aufgeregt, daß ich nicht einschlafen konnte.
Irgendwann raffte es mich dann doch hin, jedenfalls hatte meine Mutter Mühe mich um halb vier zum Leben zu erwecken.
Sie hatte schon Kakao gekocht und Stullen gemacht.
Inzwischen war ich dann auch ganz wach und schon wieder aufgeregt, ich möchte gar nichts essen, meine Mutter war aber unerbittlich.
Die Stulle wollte einfach nicht rutschen, aber irgendwann war sie dann doch alle.
Angelzeug geschnappt und runter zum Steg wo die Boote lagen.
Otto war schon startklar, wies mir den Platz auf der Rückbank zu und ruderte los.
Nach einer halben Stunde waren wir irgendwo mitten auf dem See, ich weiß heute recht genau wo wir waren, aber damals war es eben für mich mitten auf dem riesigen See.
Otto ließ den Anker zu Wasser, wir waren am Ziel.
Ich wußte wie tief der See war und war erstaunt, mitten auf diesem See an einer so flachen Stelle zu sein, es war aber immerhin etwa 6 Meter tief.
Otto wies mich erstmal genau in die Kunst des präzisen Auslotens ein, dann schaukelte meine Pose in den kleinen Kräuselwellen.
Otto brachte dann seine 2 Ruten ebenfalls zu Wasser und klappte den Kescher aus.
Lange währte die Ruhe an Bord nicht, denn meine Pose ging gemächlich auf Tauchfahrt.
Ich wollte gleich anhauen, aber Ottos Hand lag auf der Rute, "Moment! Jetzt kannste!":
Nach kurzem Drill lag mein erster richtiger großer Barsch im Boot, in meinen Augen damals ein Riese.
Auch bei Otto war Betrieb an den Angeln und Barsch auf Barsch wanderte ins Boot.
Irgendwann war dann Schluß an der Stelle, das Beißen lies nach.
Ich schaute in meinen Eimer 10 Barsche, alle über ein Pfund schwer, ich war selig.
"Wollen wir noch mal verlegen? Ich glaub aber das reicht für heute."
Otto holte den Anker ein und wir machten uns auf den Rückweg.
So ging das dann noch 2 Wochen und dann war Ottos Urlaub zu Ende.
In diesen 2 Wochen kam ich zu meinen ersten Aalen, meinem ersten Zander und zu meinem ersten etwas größeren Hecht.
Otto kam noch etliche Jahre auf den Zeltplatz und wir zogen gemeinsam los, nicht nur mit dem kleinen blauen Boot auch andere Gewässer haben wir heimgesucht.
In dem einen Jahr kam ein schwerer Sturm, einige der alten Pappeln am Ufer brachen um und eine von ihnen begrub das kleine blaue Boot unter sich.
Der klägliche Rest war zwar immer noch blau, aber als Boot taugte er nicht mehr.
In Jahr nach dem Sturm war Otto auch wieder da, nun konnte ich Kapitän spielen, mein Vater hatte ein kleines Motorboot gekauft und ich hatte mit 14 Jahren den Bootsführerschein gemacht.
Das war das letzte Jahr, das ich mit Otto über den See düste und wir zwei Panik und Schrecken in der Fischwelt verbreiteten.
Im nachfolgenden Jahr kam er nicht mehr.
In den paar Jahren die ich mit Otto angelte habe ich nie mehr als seinen Vornamen erfahren, nicht das er das nicht sagen wollte, ich kam nie auf die Idee zu fragen.
Etliche Jahre später, meine Eltern "dauercampten" längst nicht mehr und ich ging schon meiner eigenen Wege, latschte ich mal über diesen Zeltplatz.
Da fiel mir irgendwie ein Mann auf, neben einem neuen Wohnwagen, an dem diverse Angelruten lehnten.
Wie ich mir so die Ruten ansehe fielen mir zwei uralte Angelrollen auf und zwar waren es welche von Typ Delphin, der einzigen DDR-Angelrolle mit Heckbremse und übergreifender Spule, die Dinger waren ganz aus Metall und mit grünem Hammerschlaglack beschichtet, die Dinger waren früher so selten wie Goldstaub, so selten, daß viele diese Rollen überhaupt nicht kannten.
Und solche Rollen hatte?
Na, Otto wer sonst.
Ich steuert den Wohnwagen an und da saß er tatsächlich, inzwischen in Ehren ergraut aber noch ganz gut drauf.
Das Leben war auch an ihm nicht vorbeigegangen, seine Frau war nach Jahren schwerer Krankheit verstorben.
Lange haben wir gesessen und von vergangenen Zeiten erzählt , wie wir da so saßen fiel mir eine bildhübsche Junge Frau auf die im Wohnwagen werkelte, seine Tochter, die war mir damals in meinem jugendlichen Angeleifer überhaupt nicht aufgefallen, was ein Fehler aber auch.......
Nu war's zu spät ......
Eines habe ich natürlich wieder vergessen, na was wohl?
Natürlich zu fragen wie er nun richtig hieß.........
Das war das Letzte mal, daß Otto bei uns in der Gegend aufkreuzte, ich habe ihn nie wieder gesehen.
Ich bin fest der Überzeugung ohne so einen Mentor wie Otto wären die ernsthaften Anfänge meiner anglerischen Laufbahn anders verlaufen, sicher nicht besser.
Otto könnte heute noch unter uns weilen ,vielleicht liest er das ja.
Danke Otto!