Die Erdinger Heimat des Chiemseelachses

  • Ohne eine kleine Zucht im Landkreis Erding gäbe es in vielen oberbayerischen Seen keine Seeforellen mehr. Ich habe diese Geschichte kürzlich für die Zeitung geschrieben, für die ich arbeitet und denke, dass sie auch hier ein paar Leute interessieren könnte. Viel Spaß beim Lesen.
    Dorfener




    Alte Chiemseefischer erzählen noch von dem Naturschauspiel, wenn im Herbst die Seeforellen vom Chiemsee in die Tiroler Achen bis zur Landesgrenze hinaufzogen, um ihre angestammten Laichplätze aufzusuchen. Nicht selten standen bis zu 40 Pfund schwere Exemplare in den klaren tiefen Gumpen der Achen unter der Marquartsteiner Brücke, um sich von den Mühen der Wanderung zu erholen. In den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fand das Schauspiel ein Ende: Denn den Seeforellen hatte man die Wanderwege mit Wehren, Turbinen und Kraftwerken verbaut. Eine Fischzucht in Sonnendorf bei Wörth hat in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass die bayerische Seeforelle dennoch nicht ausgestorben ist. Der Chiemseelachs, wie der bis zu 60 Pfund schwere Fisch im Volksmund genannt wird, hat von Sonnendorf aus sogar neue Talsperren in Nordrheinwestfalen erobert und ist dort heimisch geworden.
    Hans Hammann heißt der Mann, der dem edelsten Räuber der bayerischen Seen wieder eine Zukunft gegeben hat. Hamann arbeitet hauptberuflich als Leiter des Liegenschaftsamtes der Stadt Erding. Die Fischzucht in Sonnendorf hat er von seinem Vater geerbt, die Forellen hegt er nebenberuflich im Auftrag des Bezirks von Oberbayern.
    Vor 20 Jahren hat er damit angefangen, als der Fischereiberater des Bezirks Oberbayern ihn für das Hilfsprogramm für die Großsalmoniden begeisterte. Nur noch ganz selten verirrte sich damals eine Seeforelle in die Netze der Berufsfischer. Geschah dies zur Laichzeit im Dezember, kreuzten die Fischer die Seeforelle mit Bachforellen, um zumindest einen Teil des Erbgutes zu bewahren.
    1986 suchten die Fischereiberater der Regierung von Oberbayern eine geeignete Fischzucht, um einen Bestand reinrassiger Seeforellen wieder aufzubauen. Dabei wird die Nachkommenschaft der Hammannschen Seeforellen, die bis zum dreijährigen Fisch in den Naturteichen der Teichanlage großgezogen wird, im September jeden Jahres genau unter die Lupe genommen: Unter den prüfenden Blicken von Hans Hammann und dem Fischereifachberater des Bezirks Oberbayern Dr. Uli Wunner werden dabei etwa 30 bis 40 dreijährige Seeforellen aus den Erdteichen sortiert und zum Elterntierbestand in den See gegeben. Es werden nur die Fische ausgewählt, die vom Erscheinungsbild her eindeutig dem klassischen Seeforellentyp entsprechend. Wesentliches Selektionskriterium ist die Geschlechtsreife, denn im Gegensatz zur Bachforelle, die im Alter von drei Jahren geschlechtsreif wird, tritt bei den Seeforellen diese erst im Alter von vier bis fünf Jahren ein. Und nach 20 Jahren kritischer Selektion finden sich heute in den Hammannschen Teichen fast nur noch reinrassige Seeforellen, die in Eleganz und Power dem ursprünglichen Chiemseelachs in nichts nachstehen. Hammanns grundwassergespeister Fischweiher, der im Zuge eines Kiesabbaus zehn Meter tief ausgebaggert worden war, bot ideale Bedingungen für den Besatz mit den kleinen Seeforellen aus dem Walchensee. Durchschnittlich 300 Gramm wogen die kleinen Salmoniden, die aus dem Walchensee stammten. Im Jahr darauf waren sie bereits zwei Kilo schwer.
    An die 70 Seeforellen, teilweise knapp einen Meter lang, leben derzeit in dem Fischweiher. Wenn Hamann an der gewohnten Stelle eine Handvoll Futter einwirft, jagen sie wie kleine Haie darauf zu. Zehntausende Elritzen und Tausende Edelkrebse, die ebenfalls in diesem Weiher leben, sind Lebendfutter für die Forellen-Riesen. Als mein Sohn zehn Jahre alt war, wollte er im Weiher schwimmen und ist an der Futterstelle ins Wasser gestiegen, erzählt Hamann: Die Fische hätten ihn attackiert, der Biss in den Oberschenkel sei handtellergroß gewesen.
    Jedes Jahr im Dezember gibt es in Sonnendorf ein besonderes Schauspiel zu sehen, das der künstlichen Fortpflanzung der seltenen Fische dient: Taucher spannen ein riesiges Netz durch den Teich, bis es gefüllt mit riesigen, wild um sich schlagen Fischleibern nach einer Stunde am anderen Ende des kleinen Sees ans Ufer gezogen wird. Die Helfer streifen die Tiere ab, mit sanftem Druck auf den Bauch werden Eier und Spermien gewonnen. Danach werden die Seeforellen zurück in den Teich gesetzt und die befruchteten Eier kommen in die Brutanstalt des Bezirks Oberbayern in Bad Wiessee. Dort werden jedes Jahr 100 000 winzige Seeforellen herangezogen, die einen Mindestbestand in den oberbayerischen Seen garantieren. Ohne diese Aktion würde es in vielen oberbayerischen Seen keine Seeforellen mehr geben. Auch die neuen Seeforellenbestände in den Talsperren der Möhne oder der Eder in Nordrheinwestfalen sind Nachkommen der Fische aus Sonnendorf.
    Der Bezirk Oberbayern will nun ein weiteres Projekt starten, um das Überleben der Seeforelle zu sichern. Denn sollte den 70 bis 80 Elternfischen in Sonnendorf etwas passieren, würde der Aufbau eines neuen Zuchtstammes wieder erhebliche Probleme bereiten: Vergangenen Winter wurden im Tegernsee nur zwei laichbereite Weibchen gesichtet, in den anderen oberbayerischen Seen keine. Deshalb will der Bezirk Oberbayern an einer ruhigen Stelle im Tegernsee in zwei Netzgehegen eine größere Zahl Laichpaare vorhalten. Für diese Form von Nachzucht gibt es in Bayern kein Vorbild. Im nächsten Winter soll das Projekt starten.

  • Na dann wollen wir doch mal hoffen, dass das Projekt und die guten Tierchen weiterhin prächtige Fortschritte machen.


    Sehr schön geschriebener Bericht {ß*# {ß*#

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    Lange Rede-Kurzer Sinn , Glatteis für die Eselin
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    Don't just stand there and watch ...

  • Chiemsee, Walchensee, Schliersee, Tegernsee... kommt alles aus dieser Zucht. Bilder hab ich leider nur wenige, bin mehr der Schreiber. Ich hab es versucht, aber einen Kescher voller zappelnder Seeforellen kann man mit meiner technischen Ausrüstung wohl nur unscharf fotografieren. Ich habe eine Unterwasseraufnahme, die ein Taucher gemacht hat und ein Foto des Herrn Hammann am Rande seines kleinen Seeforellensees. Ich könnte das noch nachreichen, wenn dich die Bilder interessieren

  • Eines der Bilder wurde mir vom Eigentümer für die Zeitung geliehen und er wollte sie sich wieder in der Redaktion abholen. Er war noch nicht da und ich will ihn erst um Erlaubnis bitten, ob er mir die Verwendung im Forum gestattet. Bitte noch um etwas Geduld.

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