Freitagabend– Feierabend.
Die ersten zwei Frostnächte liegen hinter uns, das beste Zeichen für einen erfolgreichen Zander-Saisonbeginn. Nach mehreren Schneidertagen innerhalb der letzten Wochen – hier und da hatte sich wenigstens ein untermaßiger Kammschuppenträger erbamt – sollten doch nunmehr die etwas größeren Fische zu fangen sein.
Um 17 Uhr hatte ich mich mit einem Angelkollegen verabredet, ich bin da doch wo ist er? Naja, die Zeit wird sinnvoll genutzt, die Stiefel anziehen und richtig schnüren, schließlich sollen die Knöchel heil bleiben. Vorsichtshalber nehme ich auch die dicke Jacke aus dem Auto mit, die Wollmütze kann noch liegen bleiben, so kalt sollte es ja nicht werden. Mit etwas Verspätung trifft der Mitangler ein, während er sein Schuhwerk wechselt bleibt noch Zeit für eine Zigarette.
Nach 15 Minuten strammen Fussmarsches erreichen wir den ersten „Hot-Spot“ und schon ist dieser vom Mitangler besetzt. Soll er sich mal mit Schniepeln rumärgern – ich laufe noch etwas weiter an eine Mündung – so gehe ich der harten Strömung des Rheines aus dem Weg, schließlich will ich ja noch ein wenig DS-Fischen. Dort angekommen bin ich hocherfreut – kein einziger Konkurrent mit Boot, normal wimmelt es hier immer von Bootsanglern.
Der FinS wird genau in einem tieferen Loch geparkt, da sollten doch die Zander nicht widerstehen können.
Doch sie können es, sehr gut sogar. Eine Stunde ohne Biss gefischt, die Dunkelheit macht sich langsam breit. Es ist an der Zeit, auf Schwimmwobbler zu wechseln. Kurzer Zwischenbericht vom Kollegen – zwei Zander Ü50 sind seine bisherige Beute.
Mein 13cm Original Floating in Silber-Schwarz wedelt durch das außergewöhnlich klare Wasser des Rheines, hier und da spritzen kleine Fische panikartig aus dem Wasser.
Mein Gott denke ich bei genauerem Hinsehen, wieso sind die Beutefische denn noch so winzig, die sollten doch eigentlich den Sommer über gewachsen sein. Was will ich dann mit dem verhältnismäßig großen Köder? Schnell ein Köderwechsel auf einen 8 cm HuskyJerk und schon nach wenigen Würfen hängt ein handlanger Barsch am Schwanzdrilling. Zwar kein echter Männerfisch, aber wenigstens passt mein Köder in das Beuteschema, nun sollte es doch auch mit den Zandern klappen.
Aber die heiße Stelle erweist sich als Zanderleer-womit auch geklärt wäre, wieso keine anderen Angler hier ihr Unwesen treiben. Inzwischen ist es fast stockdunkel, lediglich der Lichtschein der nahen Städte, welcher sich in den Wolken spiegelt, erhellt die Umgebung ein wenig.
Platzwechsel, ab an einen anderen HotSpot, der immer den ein oder anderen Zander opfert, sofern man auch ausreichend Kunstköder opfert. Beim dritten Wurf kommt schon das heißbegehrte Tock- der erste Fisch ist gehakt, nach kurzem Drill erweist er sich als ein 60er. Nach den Misserfolgen und vielen Schniepeln endlich ein Erfolg, dass lässt auf mehr hoffen. Schnell ein Foto machen, aber Mist : Der Akku hat wohl die kalten Nächte im Auto nicht so richtig vertragen. Kein Grund zum ärgern, so spektakulär ist der Zander ja doch nicht. Ein paar Würfe später der nächste Fisch – gleiche Größe. Dann kommt mir ein gar garstiger Gedanke-mal den Kollegen anrufen und ärgern. Er kontert jedoch nur mit einem : Hier ist die Hölle los-jeder zehnte Wurf ein Treffer, habe bis jetzt 7 Zander gefangen, drei sind mir ausgestiegen, es sind gute Fische dabei, der Größte hatte ca 75 cm.
Kann das denn wahr sein? Anglerlatein ist ja eine so weit verbreitete Sprache. Das muss ich mir doch mal anschauen, schon aus der Ferne sehe ich die Stirnlampe leuchten. Er wird doch nicht schon wieder??
Ich schleiche mich an und beobachte aus dem Dunkeln heraus und tatsächlich, er landet schon wieder einen.
„Na“ rufe ich, „gib es doch zu, es ist Dein Erster“. Die Bilder auf der DigiCam geben mir den Rest. Aufgeben gilt nicht, ich stelle mich 50 Meter unterhalb und schon der erste Wurf – Volltreffer !! Trotz sehr stramm eingestellter Bremse, 17er Fireline und der harten Quantum Crypton Zanderstick habe ich keine Chance, den Fisch zu halten – das ist ein richtig Guter !
„Was ist es“ ruft der Kollege, „Zander oder Wels“.
„Eine dicke Zandermami“ lautet meine Antwort, „aber noch nicht die ganz Große“. Fünf Minuten später halte ich den Fisch in den Händen, sagenhafte 90 cm lang und geschätzte 6 Kilo schwer. Alles bereit zum Fangfoto, Lächeln und ein Fluchen des Kollegen, sein Akku ist leer. Wieso auch musste er jeden Schniepel aus sämtlichen Positionen fotografieren? Das hält ja kein Akku aus-ich könnte ihn vermöbeln !!
Was bleibt ist die Erinnerung an den tollen Fisch, die kann mir niemand mehr nehmen.
Nach der allgemeinen Unruhe entschließe ich mich zu einem Platzwechsel, der Mitangler schleicht in Ermangelung eines Fangfotos in gebührendem Sicherheitsabstand hinterher.
An der Wasseroberfläche sieht man im Gegenlicht flüchtende Fische, hier bin ich richtig.
Der kleine HuskyJerk ist etwas ramponiert, eine Drillingsflunke ist aufgebogen. Deshalb wechsele ich auf einen Floating in 11cm in Firetiger, jetzt ist es an der Zeit für Experimente.
Direkt nach dem zweiten Wurf das Tock, der Widerstand sit sehr gering, nur etwas Gewicht ist zu spüren. Eine gehakte Brasse ist mein erster Gedanke. Ungefähr 10 Minuten später sticht mir die „Brasse“ mit ihren Stachelflossen in die Hand, mein Helfer verspürt ebenso einen Schmerz aber zu zweit ist es geschafft : Was ist das denn für ein Untier – ein Riese ! Ich habe ja schon viele große Zander gesehen und auch einige gefangen, aber dieser schlägt dem Fass den Boden aus.
Das Maßband zeigt 104 Zentimeter – einhundertundvier !!! Nachmessen, das gleiche Ergebnis. Ich kann es nicht fassen – PB deutlich geknackt, Jubelschrei – Freudenschreie, ich tanze wie ein Irrwisch über die Steinpackung. Völlig verrückt – aber an weiterangeln ist jetzt nicht mehr zu denken, das muss gefeiert werden. Wir packen unser Siebensachen –inzwischen ist es 22 Uhr. Die nächste Kneipe ist ein Dönerladen – egal, auch die haben Bier.
Dort angekommen wird erstmal richtig einer gehoben-ab dann kann ich mich an nichts mehr erinnern.
Plötzlich ein aufdringliches nicht endendes Piepen. Mein Wecker holt mich aus den Federn, es ist Samstag morgen, vier Uhr und ich bin zum Angeln verabredet. Alles nur geträumt??? Schnell die Hand untersucht, keine Spur einer Stichverletzung der Zanderstacheln.
Raus aus den Federn und ab ans Wasser – dieser Traum war ein Omen. Wie geträumt trifft der Mitangler etwas verspätet am Wasser ein.
Die nächsten Stunden verlaufen wie gehabt – nicht ein Biss.
Aber wie vorbeschrieben wird es kommen – eines Tages ist es so weit. Ich werde da sein – mit Foto wohlgemerkt.