Sonnige Zukunft...

  • Einige werden sich sicher schon gefragt haben, warum ich mich in den letzten Wochen hier so rar gemacht habe.
    Der Grund: Ich habe von Mai bis Anfang November unsere Kirche ökologisch saniert. Der Anlass war, dass die alte, fast 50 Jahre lang laufende Ölheizung total marode war. Ein neues, ökologisches Heizkonzept musste her.
    Die Teilnehmer beim Fliegenfischertreffen haben ja im Juli einen Eindruck von unserer Baustelle gewonnen. Jetzt ist alles fertig gestellt.
    Durch einen hier vor Ort ansässigen Verein namens "Energie mit Zukunft" wurde unserer Kirchengemeinde ein Architekt und Energieberater vermittelt, der mit uns dann ein energietechnisches Pilotprojekt in Angriff nahm: Die Kirche wird nun mittels einer Fußboden-Luftheizung nach dem Vorbild der altrömischen Hypokausten temperiert, die gesamte Fußbodenmasse dient dabei als Wärmepufferspeicher. Erwärmt wird indes die Luft nicht mittels eines Ofens wie bei den alten Römern, sondern durch hochmoderne HiTech in Form von Solarluftkollektoren mit einer Fläche von 40 m². In ihnen erwärmt die Sonne die Luft auf bis zu 110°C. Ein durch Sensoren gesteuerter Ventilator bläst die Luft dann in die Hohlräume im Kirchenboden. So wird die Kirche permanent auf eine Lufttemperatur von mindestens 8°C erwärmt und frostfrei gehalten. Da die Warmluft nach dem erwärmen des Bodens in der Kirche austritt, ist für eine stetige Durchlüftung und Trocknung der Bausubstanz gesorgt.



    Da wir zur Realisierung dieses Projekts den gesamten alten Fußboden aus der Kirche herausnehmen, gegen das erdreich isolieren und in mehreren Schichten dann neu aufbauen mussten, stellte sich auch die Frage nach einer künstlerischen Neugestaltung des Innenraums und der Prinzipalstücke (Altar, Taufstein, Kanzel). Die Augsburger Künstlerin Anne Hitzker-Lubin ( http://www.hitzker-lubin.de ) machte das Rennen in einem ausgelobten Künstlerwettbewerb. So wurde die Kirche nach ihren Entwürfen dann innen neu gestaltet.


    Am Buß- und Bettag, 19.11. war dann der große Tag gekommen. Die Regionalbischöfin von München und Oberbayern, Susanne Breit-Keßler, kam und weihte die Kirche neu.
    Im Folgenden ein von mir für die Lokalpresse verfasster Pressetext:


    Beginn einer sonnigen Zukunft im Spätherbst
    Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler weiht am Buß-und Bettag
    die umgebaute evang.-luth. Dreieinigkeitskirche


    Es war ein großer Tag für die evang.-luth. Kirchengemeinde Bad Endorf. Nach einem halben Jahr Umbauzeit konnte die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München und Oberbayern ihr die fertig gestellte und künstlerisch neu gestaltete Kirche mit ihrer ökologischen Solarluftkollektorenheizung aufs Neue für den Gottesdienst und das Gebet weihen.



    In ihrer Festpredigt zu 1. Kor. 3,11 ging Frau Breit-Keßler mit einem Montaigne-Zitat auf die Argumente der Kritiker künstlerisch schön gestalteter Gotteshäuser ein, führte aber dann im Weiteren aus, dass Kirchen, wenn sie Stein gewordene Zeugnisse des gelebten Glaubens lebendiger Gemeinden seien, als einladende Orte auch nach außen wirkten, bis hinein in unsere von nüchternem Kalkül und bloßem Effizienzdenken geprägte Gesellschaft. Gerade das sei den Bad Endorfer Lutheranern mit ihrer Kirche geglückt. Denn sie sei zum Einen mit ihrem bislang einzigartigen Heizkonzept ja ein Pilotprojekt, das weit über die Grenzen von Bad Endorf Beachtung und Nachahmer finden könne. Zum Anderen lädt sie durch die ansprechende künstlerische Gestaltung des Innenraums ein zur stillen Einkehr, zu Meditation und Gebet und zur gottesdienstlichen Gemeinschaft unter Wort und Sakrament.



    Im Anschluss an den Gottesdienst überbrachte, stellvertretend für die fünf röm.-kath. Pfarrgemeinden auf dem Gebiet der evangelischen Kirchengemeinde, Pfr. Johannes Kanzler aus Bad Endorf die Grüße der großen Schwesterkirche. Die erste Bürgermeisterin von Bad Endorf, Gudrun Unverdorben, beglückwünschte die lutherischen Endorfer zu ihrem neugestalteten Gotteshaus und lud die Regionalbischöfin zum Eintrag in das Goldene Buch der Marktgemeinde ein. Architekt Dipl.-Ing. Peter Follin aus Schleching schilderte kurz den Werdegang von der Heizungsneukonzipierung zum künstlerischen Gesamtprojekt, die Augsburger Künstlerin Anne Hitzker-Lubin legte dar, dass es ihr in Bad Endorf wie in den zahlreichen Kirchen, die sie schon zuvor mitgestalten durfte, nie um Belehrung und Bevormundung gegangen sei, sondern darum, einen ansprechenden und einladenden Raum zu schaffen, der offen sei für Interpretationen durch seinen Betrachter. Sie dankte Peter Follin, sowie dem 2. Bürgermeister M.R. Lauber, dem Bauausschuss und Pfarrer Prell für die stets gute und fruchtbringende Zusammenarbeit.



    Wer bei der Einweihung nicht dabei sein konnte, hat jederzeit Gelegenheit, die neugestaltete Dreieinigkeitskirche in Ruhe zu betrachten. Sie ist tagsüber immer offen. Treten Sie also ein.


    Pfr. Gerhard P.


    Ihr könnt euch sicher denken, welche Last nun vorgestern von mir abgefallen ist.
    Während der langen Bauzeit gab es immer wieder Kritiker - wie das immer so ist, wenn etwas Altvertrautes ganz neu gestaltet wird.
    Die Finanzierung ist auch noch nicht ganz unter Dach und Fach.
    Aber ich freue mich nun auf eine ganz normale Gemeindearbeit. Und darauf, dass ich wieder mehr Zeit zum Fischen und fürs Forum habe - auch wenn es nun Winter geworden ist und die Geräte erst einmal auf den Frühling warten.

  • Ein wirklich sehenswerter Beitrag, wie man eine "alte Kirchenheizung" durch eine so naturfreundliche ersetzt und wie das technische alles funktioniert. Interessant! :clap:
    Das ist ein sehr guter Beitrag für die Natur.:pray:

  • Danke fürs Kompliment.
    Übrigens haben wir auf dem Kirchendach seit 2001 auch noch eine Photovoltaik-Anlage, die etwa den rechnerischen Jahresbedarf an Strom von Pfarrhaus, Kirche und Gemeinderäumen ins öffentliche Netz einspeist.
    Die Solartemperierung war also ein folgerichtiger weiterer Schritt.
    Ein nächster - wenn die Kirchengemeinde dieses Projekt finanziert hat und sich der Kirchenvorstand auf weitere energietechnische Investitionen mit Zukunft einässt - wird eine Solarthermie-Anlage auf dem Pfarrhausdach sein, die das Brauchwasser für Pfarrhaus, Pfarramt und Gemeindesaal erwärmt.
    Und der vierte Schritt wäre dann der Anschluss der kircheneigenen Gebäude an das Fernwärmenetz eines Biomasse-Hackschnitzelheizwerks, das der Verein "Energie mit Zukunft" e.V. in den nächsten Jahren zu bauen gedenkt.
    In längstens zehn Jahren will ich unsere Kirchengemeinde gänzlich ohne fossile Brennstoffe beheizen.

  • Zitat von rhinefisher

    Hi! Da macht doch mal einer was richtig gutes - weiter so! Petri!


    Stimmt - ... und zwar jedes einzelne Mitglied der Glaubensgemeinde, die das alles bezahlen dürfen 8)


    Mit dem Geld anderer kann man natürlich aus dem Vollen schöpfen :-@


    Trotzdem:
    Eine vorausschauende Anlage des Geldes der Kirchenmitglieder :clap:

  • Schon ein saustarkes Projekt - Hut ab !!


    aber das....

    Zitat von reverend

    So wird die Kirche permanent auf eine Lufttemperatur von mindestens 8°C erwärmt und frostfrei gehalten.


    würde mich nicht zwingend zu einem Besuch dieser heiligen Hallen bewegen.


    Ist die Heizleistung denn auch -zumindest rechnerich- ausreichend für ein doch recht großes Gemäuer ?

  • Das Gemäuer ist eine relativ kleine Diaspora-Kirche, die etwa 120 Personen fasst.
    Die Beheizungsrichtlinien für Kirchen sehen für Kirchengebäude keine höhere Raumtemperatur vor als maximal 10°C.
    Eine Kirche ist ja kein Wohnzimmer, in dem man auch im Winter hemdsärmelig sitzt, und das viele Stunden am Tag. Man kommt vielmehr mit Mantel und behält ihn an.
    8° C Lufttemperatur allein klingen ja tatsächlich wenig. Aber mit vollständiger Bekleidung gehst du bei solchen Temperaturen auch zum Angeln. Dabei sitzt du im Wind und hast weit und breit keinen Menschen um dich herum.
    In der Kirche erwärmen auch die auf engem Raum versammelten Personen bei entsprechender Grundtemperierung den Raum.


    Zum Vergleich:
    Mit der alten Ölheizung gab es keine Grundtemperierung.
    Während der ungenutzten Zeiten (wochentags) kühlte die Kirche aus bis auf die Außentemperatur. Vor dem Gottesdienst musste sie dann mit Maximalbetrieb hochgeheizt werden. Am Ende war sie dann auch nicht auf mehr als 10° C erwärmt. Das allerdings bei einem irrsinnigen kurzfristigen Energieaufwand. Da der Fußboden nicht nach unten hin isoliert war, blieb die Kälte im Boden, da die Wärme erst einmal unter die Decke stieg.
    Danach kühlte die Kirche langsam wieder aus. Durch die Temperaturschwankungen bildetete sich Kondenswasser. Und das gefror bei strengem Frost im Gemäuer.


    Jetzt haben wir eine konstante Grundtemperierung bei gleichzeitiger Durchlüftung. Die Mauern bleiben trocken, das Gebäude dauerhaft frostfrei.
    Außerdem wird der nunmehr hervorragend nach unten hin isolierte Fußboden als Wärmepuffer genutzt. Die Kirche ist jetzt fußwarm. Das Raumklima ist jetzt hervorragend. Auch für die Orgel ist die dauerhaft trockenere und frostfreie Innenluft besser.

  • Zitat von Taxler


    Stimmt - ... und zwar jedes einzelne Mitglied der Glaubensgemeinde, die das alles bezahlen dürfen 8)


    Mit dem Geld anderer kann man natürlich aus dem Vollen schöpfen :-@


    Trotzdem:
    Eine vorausschauende Anlage des Geldes der Kirchenmitglieder :clap:


    Klar habe ich die € 154.000,-- nicht aus meiner eigenen Schatulle berappt.
    Und es sind auch noch schätzungsweise 30.000,-- Restsumme nicht finanziert. (Unser Spendenkonto: Sparkasse Bad Endorf; BLZ 711 500 00; Kto. 298075 - jede Spende erniedrigt die Darlehensaufnahme.)


    Aber in der evangelischen Kirche beschließt der Pfarrer so etwas auch nicht allein. Das ist Sache des Kirchenvorstands - der von allen Geindegliedern gewählten Gemeindeleitung. Der Pfarrer führt dort zwar den Vorsitz, hat aber auch nur eine Stimme.


    Die neue Beheizung der Kirche spart im Jahr nun an Betriebskosten auch ca. € 2.500,-- ein, die für Heizöl draufgingen. Jetzt betragen die Betriebskosten im Jahr etwa € 400,-- (für den Strom für Ventilator und Zuheizung bei längeren Inversionswetterlagen)
    Unsere Photovoltaikanlage hat sich von 2001 bis jetzt durch ihre Stromernten selber finanziert, ab nächstem Jahr schreibt sie schwarze Zahlen: € 1.500,-- im Jahr.
    Das macht zusammen an Haushaltsmitteln € 3.600,-- , für die der Kirchensteuerzahler nicht einen einzigen Cent zusätzlich berappen muss. Damit kann man schon ganz gut tilgen, oder?


    Die Investition dürfte also ganz gut angelegt sein.

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