"Du, Schatz, ich gehe heute abend mal wieder raus ans Wasser!" sage ich, den treuherzigsten Dackelblick aufsetzend, dessen ich fähig bin.
"Schon wieder?" keift es mir da entgegen. "Du warst doch erst vor ein paar Tagen. Du bist ja schon richtig süchtig!"
Ich gebe es gerne zu: Ich bin auf die Dauer nur dann gut zu haben, wenn ich in der Woche mindestens einmal am Wasser war.
Das brauch ich einfach für meine Seelenhygiene, genauso wie meine liebe Gattin ihr Yoga, ihr Aqua-Jogging oder ihr Nordic-Walking.
Wenigstens eint uns noch das gemeinsame Interesse an Bergwanderungen (OK - da ist das Angeln, was die Freizeit angeht, immer eine Konkurenz) und das alpine Skifahren (das kriegt keinerlei Konkurenz durch das Fischen).
Ob ich aber beim Angeln von einer Sucht sprechen soll, ist mir je länger, desto mehr zweifelhaft.
Der Jagdtrieb schlummert in jedem Menschen als archaisches Relikt aus der Altvorderenzeit der Jäger und Sammler.
Und wer angeln geht, bedient ihn auf recht natürliche Weise.
Das erscheint mir aber dem Menschen doch artgerechter als mancherlei Ersatzbefriedigungen der sogenannten zivilisierten Menschheit des 21. jahrhunderts, die ein echtes
Suchtpotential bergen.
Und gesund ist's außerdem. Man bewegt sich an der frischen Luft, ohne dass dies zum Selbstzweck erhoben werden müsste wie beim Joggen.
Wenn man - wie ich - gerne aktiv angelt (Spinnfischen, Schleppen mit dem Ruderboot, Fliegenfischen), hat man zudem seinen Bewegungssport -ohne dass man sich zum Nordic-Walken oder Rennradfahren mühsam aufraffen müsste. Angeln geht man, ohne vorher den inneren Schweinehund überwinden zu müssen. Denn der Schweinehund will ja von ganz alleine.
Ich saß in der fischlosen Zeit im Januar/Februar mal im Fitness-Studio an so einer Rudermaschine zum Arm - und Schultermuskeltraining.
Und auf einmal entstanden da Bilder vom letzten Sommer vor meinem inneren Auge:
Wie ich im Boot saß, den Wobbler hinter mir herschleppend und kilometerweit rudernd. Und dabei stank es nicht nach dem Schweiß anderer wie im stickigen Fitness-Studio.
Oder als ich auf dem Laufband stand - wieviel schöner ist es doch, im Sommer einen Fluss wie die Mangfall stromauf zu waten und dabei die Fliegenrute zu schwingen! Da trainiert man nicht nur seine Muskulatur mindestens ebenso gut wie beim Aqua-Jogging, sondern hört zugleich das Zwitschern der Vögel, das Rauschen und Gurgeln des Wassers, das Donnern des mächtigen Wehres, das Zirpen der Grillen und Heuschrecken. Eisvögel sieht man ins Wasser stoßen, Enten erschreckt aufflattern, Graureiher stolzieren. Man riecht die feuchte Flussluft, den Bärlauch am Ufer, die Nadeln der Tannen.
Und nebenbei fängt man noch herrliche Forellen, Äschen und Saiblinge.
Ein Jogger, der mit seinen Discman-Stöpseln im Ohr im Techno-Rhythmus an der Flussdeichkrone entlang seine Kilometer herunterackert, ist dagegen doch ein richtig armes Schwein!
Und völlig absurd erscheint mir bei seinem Anblick, dass sich die ersehnte Ausschüttung ver Endorphine (Glückshormone) mit soviel Unglück erzwingen lässt. Glücklich dagegen der Fliegenfischer im Fluss, dessen Glückshormonspiegel ganz von alleine so hoch ist, dass er selbst diesem armen Zeitgenossen noch nebenbei ein überlegenes Schmunzeln hinterherschicken kann.
Wir Angler leben gesund im Einklang mit der Natur.
Sucht ist dagegen eine Krankheit.
Fazit: Angeln ist keine Sucht, sondern einfach naturnahe Leidenschaft, die - im Gegensatz zur Sucht - keinerlei Leiden schafft, sondern von diesen befreit.