Ich hatte kürzlich ja mal erwähnt, dass es in Deutschland üblich ist, sich mit ziemlich unzureichenden Rutenspezifikationen zufrieden zu geben. Vielen genügt außer der WG-Angabe und der Länge schon, wenn da noch steht, dass es sich um eine "schnelle Rute" handele - was überhaupt nichts aussagt.
In den USA würde so was nicht durchgehen, überm großen Teich werden von der Kundschaft detailliertere Angaben verlangt. Als Beispiel gebe ich hier einmal zwei Links auf die Legend-Tournament-Rutenserie der US-Firma St.Croix. Da muss man nicht lange rätseln, welche Rute wohl für welchen Zweck optimal sein könnte, es steht alles da. Und nebenbei: Die WG-Angaben stimmen und sind nach oben hin sogar etwas untertrieben.
Alle Gewichtsangaben (line weight, lure weight, rod weight) sind in Unzen angegeben (1oz = 28g), alle Längenangaben in Foot (30,48cm) und Inch (2,54cm). Die Angabe 8'6" bedeutet 8 Foot und 6 Inch.
Und zu den "Power"-Angaben: UL = ultra light, L = light, ML = medium light, M = medium, MH = medium heavy, H = heavy, XH = extra heavy. An der Power-Angabe kann man ablesen, wie viel "Wumms" oder besser Rückgrat die jeweilige Rute hat. Und zwar bezogen auf die jeweilige Spezies, für die die Rute gemacht ist - XH bei einer Bass-Rute bedeutet was anderes als XH bei einer Musky-Rute.
http://www.stcroixrods.com/pro…-tournament-walleye-musky
http://www.stcroixrods.com/product/legend-tournament-bass
Ein "kleiner" Unterschied zu dem, was hierzulande so an "Kundendienst" geboten wird, nicht wahr? Diese Ruten sind tatsächlich auf die vom Hersteller angegebenen Baittypen (und die Zielspezies) optimiert, und das merkt man ihnen auch an. Das heißt nicht, dass mit diesen Ruten nicht auch ein paar andere Baits gefischt werden können, aber optimal arbeiten sie mit den genannten Typen, denn dafür sind sie ausgelegt.
Nebenbei, die Rutenbauer hier werden es wahrscheinlich wissen: St. Croix verkauft von all ihren Ruten auch die Rohblanks. Zum Beispiel beziehbar über http://www.franglaisfishing.com. Diese britische Firma liefert auch sämtliche Ruten von St.Croix zu einem ziemlich günstigen Preis, wenn auch zum Teil mit ein paar Wochen Wartezeit.
Für Hechtangler, die mit Multis fischen: Eine ziemlich gute Hechtrute, die auch in etwas weniger gut bestückten Gewässern brauchbar ist als "leichte Bigbait-Rute", wäre die Top-N-Tail aus der Musky-Serie. Spezifiziert ist sie für kleinere Bucktailspinner, Musky-Spinnerbaits und Topwater-Baits (Prop Baits etc). Die WG-Angabe beträgt 3/4oz - 3oz (21g - 84g) bei einer Länge von 8' (2,40m). Tatsächlich wirft diese Rute aber auch noch Gummilappen bis rund 130g problemlos und ohne Überlastungserscheinungen. Diese Rute ist einteilig, man braucht also hinreichenden Transportraum. Von dem relativ geringen Maximal-WG lasse man sich aber nicht täuschen. Die Rute hat ein Rückgrat, mit dem man auch Exemplare jenseits der Metermarke ziemlich schnell und sicher unter Kontrolle kriegt selbst in dichter Unterwasser-Vegetation. Nichts für Gewässer natürlich, wo schon ein 70er Hecht ein freudiges Ereignis ist und ein 80er ein Jahrhundertfang. Nichts sicherlich auch die Freunde ellenlangen "Drillspaßes". Wohl aber was für jene, die auf einen möglichst kurzen und daher (relativ) schonenden Drill wert legen und nicht gerade auf Schniepeljagd sind.
Die Legend-Tournament-Serie ist relativ teuer. Es gibt aber aus der deutlich günstigeren Mojo Musky-Serie und der Premier Musky-Serie dieser Firma Ruten mit exakt den gleichen Spezifikationen wie die Top 'n Tail. Nur ist deren Blank halt von etwas weniger hoher Qualität, aber sie tun es nicht viel schlechter. In diesen beiden Serien finden sich auch etwas kürzere Versionen, ansonsten ebenfalls mit den genau gleichen Spezifikationen (3/4 - 3oz WG etc.). Wie beinahe alle US-Ruten gewinnen die von St.Croix nicht unbedingt einen Schönheitspreis - wer das will, muss den entsprechenden Rohblank kaufen und zum Rutenbauer gehen. Aber rein praktisch-technisch sind sie große Klasse.
Leider ist auch bei dieser Firma die Korkqualität nicht mehr besser als das, was auch die anderen so liefern. Es ist noch nicht ewig lange her, dass St.Croix für die Legend-Tournament-Serie einen fast lupenreinen, kittfreien Kork von seltener Qualität verwendete, wie man ihn sonst höchstens noch an ein paar Fliegenruten der Luxusklasse findet. Aber diese Zeiten sind bedauerlicher Weise vorbei, offenbar ist das zu teuer geworden. Eine habe ich noch davon aus dieser Zeit, und die werde ich nicht weggeben, bis sie auseinander fällt. Da sieht man noch, was Kork einmal gewesen ist: Das beste Griffmaterial ever und nicht die zusammengekleisterte, bröselnde Kittorgie von heute selbst bei sehr teuren Produkten. So langsam kann man wohl sagen: Hochwertiges Duplon - auch da gibt es ziemlich große Qualitätunterschiede - dürfte in zunehmendem Maße die bessere Wahl werden.