Gestern war praktisch der erste richtig frühlingshafte Tag in diesem Jahr. Es war gleichzeitig der letzte Tag meines Urlaubs, bevor ich ab dieser Woche wieder 'ran' muß. Die ganze Zeit war es kalt und/oder naß, und ich ging zwar angeln, aber es macht ja nur halb soviel Spaß, wenn die äußeren Bedingungen nicht stimmen. Doch dieser Tag sollte mich für die vergangene Woche entschädigen.
Gegen 10.30 erschien ich an unserem Vereinsweiher. Mein Gerätehändler, gleichzeitig unser Vereinsvorsitzender, und ein paar andere Vereinsmitglieder waren schon da und angelten auf Schleie und andere Friedfische; außerdem waren einige jugendliche Mitglieder anwesend, die ich in letzter Zeit öfter am Weiher getroffen hatte. Sie angeln immer auf Karpfen, und wir hatten uns schon etwas angefreundet.
Um 12.00 Uhr war ich endlich mit dem Aufbau fertig (das dauert bei mir immer so lange ) und konnte beginnen. Eine Stunde danach gingen die Erwachsenen nach Hause, und ich war mit den Jugendlichen alleine. Damit waren sie genau eine halbe Stunde zu früh gegangen, um den ersten Höhepunkt des Tages zu verpassen.
Nachdem ich sonst die Bisse relativ früh bekam, hatte sich in den ersten eineinhalb Stunden noch nichts getan. Meine Posenangel war an diesem Tag ein totaler Flop und hatte nicht einen einzigen Biß (noch nicht mal ne ausgelutschte Made) zu verzeichnen, aber plötzlich zuckte die Spitze der Grundrute, noch bevor das angebrachte Glöckchen akustischen Alarm geben konnte. Da ich das gesehen hatte, schlug ich schnell aber sanft an, da mir in letzter Zeit öfter mal ein Fisch vom Haken abkam. Ich merkte gleich, daß der Fisch hing und war überrascht von den relativ harten Schlägen, die er auf die Angel ausübte. Ich wußte gleich, daß es sich nicht um einen der üblichen Brassenzwerge von 20 - 25 cm handelte, die ich in letzter Zeit als einzige Ausbeute (vom ein oder anderen Kaulbarsch abgesehen) zu verbuchen hatte. Entweder war es ein großes Exemplar oder eine andere Fischart, da war ich mir sicher. Noch bevor ich den Fisch oben hatte, bekam ich die Bestätigung: Plötzlich brach er zwei Meter zur Seite aus...kein einziger Brassen hatte das bisher getan. Ich kurbelte noch etwas heran, und dann sah ich sie an der Oberfläche erscheinen: die erste Schleie meines Lebens!
Goldig glänzend lag sie vor mir in der Sonne, den Haken mit den drei aromatisierten Maden hatte sie sauber im Mundwinkel sitzen. Mann war die glitschig...ich mußte mehrere Versuche aufwenden, um den eigentlich einfach zu entfernenden Haken rauszuholen, da sie mir zunächst immer wieder durch die Hände flutschte. Mit 32 cm war sie zwar nicht gerade riesig, aber 2 cm über unserem Weiher-Schonmaß, und wanderte daher in den Setzkescher.
Egal was nun noch passieren sollte - dieser Tag war schon gerettet. Ich beeilte mich, die Angel wieder einsatzfertig zu machen und warf wieder an die gleiche Stelle. Zwei Minuten später - bingo! Die Rutenspitze zitterte, ich schlug an, konnte aber nur noch ein Vorfach ohne Haken an Land kurbeln. Wieder ein Schleienbiß! Ein erfahrener Angler hatte mir vorher verraten, daß Schleien wegen ihres kraftvollen Körperbaus bei einem zu forschen Anhieb öfter mal den Haken abreissen. Also Angel wieder rein, neues Vorfach, neuer Köder drauf und wieder raus. Doch ich verwarf mich um mindestens drei Meter nach rechts und kurbelte sofort wieder ein...doch was war das? Die Rutenspitze zuckte ganz in Brassenmanier, aber bevor ich das richtig realisierte und reagieren konnte, war der Fisch wieder vom Haken ab. Ich zog nur noch drei ausgelutschte Maden und ein Vorfach mit reichlich Brassenschleim aus dem Wasser hervor. Das hatte ich vor einem halben Jahr schon einmal erlebt, ganz am Anfang in Frankreich. Da hatte ich die Rute noch nicht richtig im Halter abgelegt, als der Brassen biß.
Den Rest des Tages ging es nicht mehr so turbulent zu, aber nach der Schleie war laufend was los an der Angel. Ich fing fünf oder sechs Brassenzwerge sowie einen Kaulbarsch, die alle wieder zurück durften. Mindestens fünf weitere Bisse konnte ich nicht landen, da der schon hängende Fisch wieder den Haken verlor.
Um halb sieben wollte ich zuhause sein, da meine Frau für diese Zeit gekocht hatte. Ich baute also um kurz nach sechs ab; dabei kamen die Jugendlichen zu mir herüber. Sie waren etwa 20 Meter unterhalb von mir, und wir besuchten uns regelmässig und unterhielten uns über alles mögliche zum Thema angeln.
Plötzlich piepte einer ihrer Bissanzeiger. Ich dachte zuerst an einen Test, aber die Jugendlichen drehten sich schnurstracks um und rannten zu ihren Angeln. Sie riefen einem am Platz Zurückgebliebenen zu, er solle anschlagen, was er dann auch tat. Als wir ankamen, übergab der Anschlagende die Angel an den Besitzer mit den Worten: "Er hängt."
Statt abzubauen, schaute ich nun beim zwanzigminütigen Drill des Karpfens zu. Meine Güte, wie sich die Rute bog...wäre die Bissstelle nicht gerade 20 m vom Ufer weg gewesen, hätte der Drill wohl noch viel länger gedauert. So sahen wir schon nach zehn Minuten einen riesigen Schuppenkarpfen an der Oberfläche auftauchen, der dann mit viel Glück gelandet werden konnte. Und zwar deshalb, weil der Haken im ersten Drittel der Unterlippe (!!!) saß und es ein Wunder war, daß der Fisch nicht ausgeschlitzt ist.
Da keiner eine Abhakmatte dabei hatte, wurde kurzerhand eine imprägnierte Jacke mit Wasser benetzt und für diesen Zweck eingesetzt. Was für ein riesiger Fisch...seine Augen waren größer als meine Daumennnägel. Die Jugendlichen wogen ihn in der Jacke, aber sie bekamen ihn wegen des unsachgemässen Wiegebehältnisses nicht vom Boden hoch. Die Waage blieb bei 16 kg stehen, und das war ja noch nicht alles. Der glückliche Fänger konnte den Fisch wegen seines Gewichtes kaum für die Fotos halten. Anschließend wurde er noch mit einem First-Aid-Spray für Karpfen behandelt und wieder entlassen.
Was für ein erlebnisreicher Tag! Zunächst die erste Schleie, dann kurzweiliges Angeln mit vielen Fischkontakten, und noch der Karpfendrill der Jugendlichen. Bisher der schönste Angeltag, den ich hatte. Ich hoffe auf viele weitere in dieser Art!