26./27.6.2019, Montana
So, diesmal ein Bericht von einer etwas anderen Art. Das letzte Juniwochenende war die letzten Jahre immer fuer den Nootka Sound Trip mit meinen Jungs und ggf Freunden vorgesehen. Das war immer ein tolles Ereignis und meistens auch anglerisch ein Highlight des Jahres. Im Winter hatten meine Jungs, Ricardo und Alexander und deren Freund Alec jedoch eine andere Idee ausgekocht. Alec hatte naemlich zu Weihnachten ein Buch “Die 50 besten Fliegenfischerziele in Amerika” geschenkt bekommen und fleissig darin gelesen. Montana, der US Bundestaat in den Rocky Mountains suedlich der kanadischen Grenze hatte eine ganze Liste von Fluessen die die Top 50 machten. “Vielleicht koennten wir ja einen Fliegenfischurlaub in Montana statt Nootka Sound machen?”, war der Vorschlag. Hm, das waere schon mal eine interessante Abwechslung, dachte ich. Aber an welchen Fluss bei dieser Vielfalt?
So verabredeten wir uns in den Weihnachtsferien zu einem Diskussionsabend bei uns zu Hause, an dem jeder von uns 1 bis 2 Fluesse, die wir individuell recherchiert hatten, vorstellten, mit allen Vor-und Nachteilen. Natuerlich hatten wir uns zu dieser Zeit auch nochmal den Hollywood Klassiker “Aus der Mitte entspringt ein Fluss” angesehen und ich selber hatte den Blackfoot River, an dem der Film spielt, auf meiner Praesentationsliste neben dem weltberuehmten Madison River. Alexander stellte den fantastischen Beaverhead River vor, Alec hatte den Big Hole und den Jefferson River, und Ricardo den Bighorn River. Die Diskussion dauerte den ganzen Abend; wie sollte man bei solch fantastischen Forellenfluessen eine Entscheidung treffen? Wir wollten auf jeden Fall unser Driftboot mitnehmen, was bei allen diesen Fluessen ein grosser Vorteil war um an die Fische heranzukommen. Wir benutzten eine Bewertungstabelle um uns die Entscheidung leichter zu machen; Anfahrtdauer, Unterkunftsmoeglichkeiten, Bootzugang und Flussicherheit (wir waren ja noch Driftbootanfaenger!), Fischdichte, Artenvielfalt, Umgebung…), alles gute Entscheidungskriterien!
Und trotzdem war es schwer; der Blackfoot River aus dem Film war der einzige unserer Fluesse, der noch in den Pazifik floss. Daher hatte er noch Cutthroat Forellen neben Bach- und Regenbognern. Dafuer war er an einigen Stellen recht wild und wir muessten gut aufpassen, das Boot rechtzeitig vor gefaehrlichen Stromschnellen und Faellen zu landen. Alle anderen Fluesse waren Zufluesse des Yellowstone Rivers, der in den Missouri floss welcher wiederum nach vielen hunderten Kilometern in den Mississippi muendete. Der Big Hole River war in malerischer Berglandschaft und hatte nicht nur Bach-Regenbogenforellen sondern auch als einziger Fluss Aeschen. Auch sehr interessant. Der Madison River war leicht zu befahren und hatte dicht am Highway viele Unterkunfts- und Versorgungsmoeglichkeiten. Der Beaverhead River war voll mit riesigen Bachforellen und sehr produktiv aber auch der kleinste und bei Niedrigwasser muesste man das Boot schon mal portagieren. Der Jefferson River entsteht aus dem Zusammenfluss des Big Hole and Beaverhead und noch eines Flusses und war einer der groessten die wir in Erwaegung zogen. Und dann kam Ricardo mit dem Bighorn River. Der war nun schon im suedoestlichen Montana; nochmal 6-7 Stunden weiter weg. Aber, er ist als einer der Top 3 Forellenfluesse in Nordamerika gefuehrt. Dieser Praeriefluss hat schon Legendenstatus durch seine extraorbitante Fischdichte. In seinen besten Jahren (2016-2017) hatten die Erhebungen bis zu 12000 Forellen pro Flussmeile ergeben. Das sind unglaublich viele Fische fuer ein Forellengewaesser. Zum Vergleich, unser produktivster Fluss auf Vancouver Island (ausserhalb der Lachswanderung) hat wohl so 500-800 Forellen pro Meile (1.7 km).
Bootszugang zum Bighorn war fantastisch, in Fort Smith, einem winzigen Anglerort auf einem Indianerreservat gab es 4 (!!) grosse Angelshops, die auch Boote verleihen und Huetten am Fluss vermieten. Der Fluss, als maeandernder Praeriefluss, war einfach zu driften und durch einen Stausee oberhalb Fort Smith war der Wasserstand reguliert. Ich quaehlte mich mit der Anfahrtzeit, die sich auf fast 2 volle Tage erhoehen wuerde aber die Jungs waren aus dem Haeuschen mit der Aussicht auf so viel Fisch und auch die Chance auf richtig grosse Brocken. Jedes Jahr gibt der Bighorn Bach-und Regenbogenforellen um die 10 Pfund her. Das an der Fliegenrute! Wow!
Damit war es also beschlossen, wir wuerden vom 26.6. bis 3.7. an den Bighorn River, Montana fahren; 3400 km Rundstrecke! Die dann folgenden Wochen verbrachten wir mit weiteren Recherchen wie man am Bighorn zum Erfolg kommt. Da der Flusspegel vom Talsperrenauslass bestimmt wird, sind die natuerlichen Insektenzyklen hinueber und es gelten andere Regeln an diesem Fluss im Vergleich zu den freifliessenden Fluessen nebenan. Der Staudamm war aber auch erst der entscheidende Faktor der den Bighorn zu dem gemacht hat, was er heute ist. Vor 1967, als die Talsperre fertiggestellt wurde, war der Bighorn River ein Warmwasserfluss mit Fischarten wie Schwarzbarsch, Hecht, Zander und Karpfen. Ab 1967 aenderte sich das schlagartig als kaltes Tiefenwasser vom Grundablass der Talsperre in den Fluss floss. Die Wassertemperatur sank gewaltig, besonders direkt unterhalb des Sees, und Forellen zogen ein und fanden fantastische Verhaeltnisse vor. Durch die Kalksteinformationen hat das Flusswasser einen hohen pH Wert und eine hohe Alkaliniaet, ausserdem einen hohe Naehrstoffgehalt, was zusammen zu einer enormen Produktivitaet fuehrt. Ein hohes Wasserinsektenaufkommen stuetzt dabei die hohe Fischdichte. Der Bighorn River wird nicht besetzt; die Bach-und Regenbogenforellenpopulation traegt sich komplett selber. Nebenbei gibt es noch Mountain Whitefish (Maraenen/Felchen aehnlich), Barben, und immer noch Karpfen, ein paar Hechte, Barsche, Zander und Welse.
Ich buchte uns ein Ferienhaus direkt neben dem einen Angelshop (das wird teuer!) und kommunizierte fleissig mit dem Besitzer. Da es im Juli in Montana typischerweise recht heiss wird, machte ich mir Sorgen wegen unseren Neoprenwathosen die wir normalerweise hier am Pazifik tragen. Der Angelshopbesitzer machte mir sehr gute Preisangebote fuer gute atmungsaktive Wathosen von der Firma Simms. Ricardo, Alex und ich nahmen das auch gleich in Anspruch. Ricardo und ich nutzten die Wochen bis zum Urlaubsanfang um etliche Fliegen zu binden. Ricardo war besonders eifrig und startete eine regelrechte Massenproduktion. Er band tolle Muster und vorallem super kleine, die ich nie hingekriegt haette. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie man mit 2-3 mm kleinen Fliegen 50 cm Forellen fangen koennte. Ich band lieber Grashuepfer und Kaefer. Die freifliessenden Fluesse (freestone rivers) des Yellowstoneeinzugsgebietes waren beruehmt fuer ihren Lachsfliegenschlupf (salmon fly) im Juni/Juli. Die Lachsfliegen sind uebergrosse Steinfliegen deren Larven bis zu 8 cm lang sein koennen. Wenn man den Schlupf erwischt, kann man Sternstunden mit grossen Trockenfliegen erleben. Leider haben die regulierten Fluesse wie der Bighorn diese Insekten nicht.
Neben dem umfangreichen Fliegenarsenal, verfeinerten wir auch unser Geraet um auf die Umstaende optimal vorbereitet zu sein. Alec, Ricardo und ich hatten jeweils eine 3m #5 Fliegenrute mit ordentlicher Rolle und Spulen mit Schwimm und Sinkschnur. Alexander hatte eine #7 mit den ensprechenden Schnueren. Sinktips in allen Sinkklassen hatte ich auch besorgt. Dann die verjuengenden Vorfaecher in mehreren Klassen und Laengen. Bissanzeiger, Magenpumpe und und und. Fuer unser 14 Fuss Driftboot hatte ich Hueftstuetzen gebastelt, die helfen sollen wenn man stehend durch unruhiges Wasser schippert, so dass man nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Ich montierte auch ein paar Dosenhalter und Stauoptionen. Ausserdem hatte ich den 3m Rudern einen neuen Epoxidlack gegoennt. Fuer den Anhaenger hatte ich eine Ersatzradnabe mit allen Lagern besorgt und natuerlich ein Ersatzrad. Die kleinen Haengerraeder wuerden sich millionenfach drehen muessen auf dieser Moerdertour!
Endlich war es dann soweit und am 26.6. um 4:00 Uhr morgens fuhren wir das Gespann zur Faehre von Victoria nach Port Angeles in Washington State, auf der Olympic Halbinsel. Von dort ca. 1,5h nach Tacoma, suedlich von Seattle, wo uns etwas Berufsverkehr aufhielt und von dort durch das Kuestengebirge. Schon auf dieser Strecke ueberquerten wir einige tolle Fluesse auf den Freeway-Bruecken – schon mal ein Vorgeschmack! Hinter dem Kuestengebirge (die Amis nennen das die Cascades) ging es dann auf die Interstate 90, die fast durch die halbe USA fuehrt. Darauf ging es erstmal stundenlang durch die Wuesten-Steppengebiete zwischen dem Kuesten- und dem Rocky Mountain Gebirge. Das zog sich endlos hin; es war auch heiss hier und die Landschaft gab nicht viel dem Auge her. Am Nachmittag hielten wir dann kurz in Spokane, ganz im Osten von Washington. Kurz dahinter ging es dann nach Idaho hinueber und damit in die Rockies. Hier wurde die Landschaft endlich wieder abwechslungsreich – es ging bergauf und wir schlaengelten uns durch herrliche, bewaldete Taeler. Grosse Stausseen waren mal auf der einen oder der anderen Highwayseite. Gegen Abend durchbrachen wir dann endlich die Staatsgrenze zu Montana. Hier wurden wir gleich mal zu einer Bootsinspektion herausgezogen. Die passen auf, dass man keine Algen oder Muscheln einschleppt. Ging ganz flott, bekam eine Plombe ans Boot und waehrendessen hatten die Jungs schon den Bach nebenan ausgespaeht und kamen ganz aufgeregt zurueck. Ein herrlicher Gebirgsfluss und gleich am Weg stand schon ein Flugangler mit krummer Rute und einer guten Forelle am Band. Na so begruesst also Montana seine Anglergaeste! Cool! Die Aufregung der Crew stieg.
Da wir 1 Stunde durch die Zeitumstellung verloren war es schon fortgeschrittener Abend als wir in Missoula, das Fliegenfischer-Mekka in Westmontana ankamen. Hier trafen sich der beruehmte Blackfoot River mit dem unteren Clark Fork River und formierten einen ansehnlichen Strom voller Fische. Alles das Wasser floss weiter unten wiederum in den Columbia und damit in den Pazifik. In Missoula fanden wir ruckzuck ein halbwegs billiges aber sauberes Motel mit Fruehstueck, schoben uns noch schnell ein paar Pizzastuecke ein und fielen dann todmuede in die Kojen. Nach dem Fruehstueck gings dann wieder auf die Strecke. Der Highway fuehrte jetzt immer im Tal des Clark Fork Rivers hinauf. Wir konnten die Verwandlung des grossen Flusses in einen mittleren Gebirgsfluss und schlieslich in einen herrlichen Bach im Verlaufe einiger hundert Kilometer mitverfolgen. Traumhafte Stellen an denen wir mit grossen Augen gegen die Autoscheibe gedrueckt mitfieberten. Ganz selten sah man mal einen Angler im Boot oder vom Ufer aus. Aber was dann kam, sollte das alles noch in den Schatten stellen.
Wir ueberquehrten gegen Mittag die Kontinentenscheide und von nun an floss alles Wasser zum Altantik, besser gesagt zum Golf von Mexiko. Schneebedeckte Gipfel towerten neben uns als wir das Hochgebirge verliessen und in die Vorberge und halbe Prairielandschaft einfuhren. Eine faszinierende Landschaft mit vielfaeltigen verwitterten Felsenformationen, tief eingeschnittenen Flusstaelern und teilweise Canyons und dann wieder rollende Grashuegel soweit mal sehen kann mit Waeldchen entlang der Fluesse und Baeche. Und diese gab es in Unmengen hier! Wo nur das ganze Wasser herkam? Alle gefuehlte 10 Minuten kamen wir ueber einen Fluss oder Bach der wie aus einem Hochglanzangelmagazin aussah. “Schoenster Fluss der Welt”, dachte man. 10 Minuten spaeter: “Ach, der ist ja noch schoener!”, und weitere 10 Minuten spaeter: “Und der ist noch mal viel schoener!”. Ein Traumgewaesser nach dem anderen. Einige erkannten wir aus unseren Recherchen; wir kreuzten den Jefferson, den Madison dann den Gallatin River, an dem die Angelszenen im Film “Aus der Mitte …” gedreht wurden und endlich den Yellowstone River, der hier schon ein beachtlicher Strom war. Nach langer aber kurzweiliger Fahrt kamen wir endlich in Billings an, den letzten richtigen Ort bevor wir im Niemandsland untertauchen wuerden. Hier gingen wir nochmal zum Essen aus und fuellten dann unsere Kuehltruhe mit Lebensmitteln. Dann ging es die letzten 1,5 Stunden nach Fort Smith.
Wir ueberquerten jetzt ein paar Praeriebaeche die lehmig trueb angeschwollen waren. Autsch, so soll unser Bighorn aber lieber nicht aussehen. Die Jungs wurden ganz unruhig. Wenn das nur kein Reinfall wuerde nach dieser Strapaze! Endlich, nach einer weiteren Stunde ueberfuhren wir die erste Bruecke ueber den Bighorn. Wow! Der war groesser als erwartet! Und er war angeschwollen. Der Highway ging jetzt im weitlaeufigen Bighorntal entlang, durch die huegelige Praerie. Wir kreuzten etliche Nebenbaeche, die alle trueb liefen. Hier musste es tuechtig geregnet haben! Hoffentlich war der Bighorn unterhalb der Sperre klar! Wir hielten kurz an der 13 Mile Bootsrampe an um uns fuer spaetere Bootsfahrten zu orientieren. Meine Frau Marion, die auch dabei war, musste uns ja an den Take-Outs immer abholen. Die Bootsrampe war klasse; grosser Anhaengerparkplatz, Toiletten. Die 3 Mile Rampe hatte gleiche Bedingungen. Das Wasser war sehr kalt!
Dann kamen wir nach Fort Smith. Wir schuettelten die Koepfe ueber die vielen Angelshops mitten in der Praerie mit nichts ringsherum. Kein Restaurant, kein Laden, keine Tankstelle, nur 4 grosse Angelshops, viele Driftboote (Mietboote) standen herum und einige Gaestehaeuser und Huetten direkt um die Angelshops. Wir hatten eines dieser Gaestehaeuser, ein Mobilhome aber geraeumig fuer uns 5 und mit Klimanalage; es war 35 Grad! Zum Angeln war es schon zu spaet, aber wir nahmen schon mal erste Tagestipps from Vermieter entgegen, kauften uns unsere Angellizenzen fuer 10 Tage (US$80 pro Person fuer ganz Montana) und fuhren dann zum Erkunden an die Einlassrampe direkt unterhalb des Vorsperrenauslasses und auch nochmal an der 3 Mile Station, die wir fuer den ersten Morgen geplant hatten. Die ersten Kilometer unterhalb der Sperre sollten die fischreichsten sein, weil dort das Wasser am kaeltesten war. Allerdings waren die Bedingungen nicht ideal, der Talsperrenbetreiber hatte als erstes Wasserkraftstromerzeugung und dann Bewaesserungsmanagment auf dem Programm und betrieb den Auslass dementsprechend. Optimale Fischereibedingungen unterhalb spielen da nur zweite Geige. Obwohl mir die Lokalen spaeter erklaerten, dass da jetzt ein Gremium mit allen Nutzern gegruendet wurde und Wasserwirtschaftsentscheidungen zusammen und mit Kompromissen getroffen wurden und seitdem die Bedingungen wieder besser werden.
Aber momentan war der Auslass hoch und der Fluss angeschwollen, allerdings immernoch ziemlich klar. Die Fische bissen gut, versicherte man uns, sie waren nur ueber eine groessere Wasserflaeche verteilt, was das auffinden schwieriger machte. Ab etwa Mile 10 kamen die ersten Nebenbaeche rein, die durch kuerzliche Gewitterregen stark angetruebt waren und auch den Bighorn truebten. Daher riet man uns die Angelei in den oberen Gefilden zu betreiben. An der 3 Mile Station konnte Alec es nicht lassen seine Rute schon mal rauszuholen und ein paar Wuerfe zu probieren. Ich lief mit Marion den Fluss ein Stueck aufwaerts und ich schaute gebannt in die Gumpen und Kehrstroemungen. Schoene Forellen huschten weg, ich sah auch 2 mittlere Karpfen im Uferschlamm gruendeln. Also Fische gab es! Jetzt war es schwer ruhig einzuschlafen!