Hallo Blinker Community,
die letzten Tage waren so kalt, so windig und so ungemütlich. Deshalb habe ich mich einmal hingesetzt, um das schönste Erlebnis des vergangen Jahres in Worten zu verewigen. Bitte entschuldigt die Länge, aber ich wollte einfach so ein, für mich, weltenbewegendes Erlebnis nicht zusammenfassen, sondern ausführlich beschreiben. Ich hoffe dem einen oder anderen gefällts.
Viele Grüße
Daniel
PS: Wenn ihr Rechtschreibfehler findet, würde ich mich sehr freuen wenn ihr sie mir als Antwort schreibt, danke
„Was ein Wort bedeutet, kann ein Satz nicht sagen.“
Ludwig Wittgenstein (1889-1951)
Jeder Mensch verbindet mit einem einzelnen Wort oft eine oder mehrere Erinnerungen, die durch positive Erfahrungen in seinem bisherigen Leben geprägt worden sind. So wird jedem echten Bergsteiger die Sonne im Gesicht aufgehen, wenn er das Wort „Gipfel“ hört und jeder begeisterter Skifahrer wird innerlich einen dreifachen Salto aufführen, wenn das Wort „Pulverschnee“ im Radio erklingt. Auch beim Angeln gibt es diese Erinnerungsaufrufende Wörter. Das Wort, zu dem ich euch heute eine kleine Geschichte erzählen möchte lautet „Nachtangeln“.
Viele Angler verbinden mit dem Wort „Nachtangeln“ unvergessliche Erlebnisse mit Angelfreunden unter nächtlichem Mondschein, so auch ich. Doch hätte mir jemand am Anfang des vergangen Jahres dieses Wort genannt, ich hätte zwar gelächelt, aber mit Sicherheit hätte nicht so von traumhaften Sonnenuntergängen, zirpenden Grillen und anglerischen Überraschungen vorgeschwärmt, wie ich es heute machen würde.
Seinen Anfang nahm das ganze als mein Klassenbanknachbar, der Sebastian (kurz= Basti) unbedingt einmal zum Angeln mitkommen wollte, was größtenteils das Resultat meiner Schwärmerei war und da der Steffen, ein Freund meines Klassenkameraden mit dem er selber auch schon öfters angeln war, ja auch angle könnte man doch mal zu dritt an den See fahren. „Aber wenn schon, dann auch über die Nacht draußen bleiben, soll ja schließlich nicht langweilig werden“, gab Basti zielstrebig von sich.
Daran sieht man schon wie viel Ahnung der vom Angeln hat, dachte ich mir, eine Kuh könnte besser auf einem Einrad balancieren als der einen Casting Boom an eine Karpfenangel montieren.
Ich musste Grinsen, was Basti sofort als eindeutiges „Ja, ich bin um vier mit Angelausrüstung bei dir“ akzeptierte.
Gedacht – Getan: Um vier Uhr setze mein Vater mich vor Basti’s Haustür ab. Man einigte sich auf den Fiat vom Anglerkollegen Steffen und dieser fuhr uns dann ans Wasser. Nach kurzer Bestandsaufnahme der zu tragenden Last musste ich feststellen, dass wir Angelruten, Angelzubehör, Stühle, ISO-Matten, Schlafsäcke, Regenschirme und die Brotzeit nie in einem Gang zum See mit uns nehmen könnten.
„Brotzeit“, dass klingt so harmlos, da stellt man sich zwei Butterbrote und eine Flasche Wasser vor. Aber wer schon einmal eine Hartplastik-Kühltasche, bis oben hin prall gefüllt mit Getränken, belegten Semmeln und Broten getragen hat, der weiß wie schwer eine „kleine“ Brotzeit sein kann....es könnte ja über die Nacht schneien und vielleicht müssten wir dann mehrere Tage am See verharren bis uns dann endlich der ersehnte Hubschrauber vom Roten Kreuz frisches Wasser und Brot...
Nach dieser Erkenntnis einigten wir uns dann ohne jegliche Gegenstimmen darauf, erst die Angelausrüstung und die Stühle zu tragen und dann später am Abend erst das „Übernachtungsequipment“ nach zu holen.
-Die Angelausrüstung, oje...
Da mein Gleichgesinnter Steffen zuvor noch nie an meinem Vereinswasser geangelt hatte, brachte er so ziemlich alles mit was das Anglerherz erfreute. Da war als erstes einmal die Zander-, Aal- und Karpfenausrüstung, welche zwei Ruten, drei Rollen und einen bis oben hin voll gepackten Angelkoffer mit einschloss.
Habe ich die 12 Meter Stipprute schon erwähnt? oooh...das war ein Spaß ! Man stelle sich einen voll gepackten Angler vor, der gerade versucht eine 12 Meter lange Stipprute, bei der der Verschluss während dem Laufen abgefallen ist und die deswegen ständig versucht ihre 12 Meter zu entfalten, mit Hilfe der Balancierung seines Körpergewicht unter Kontrolle zu halten.
Göttlich! Als ich dieses Schauspiel beobachtete, musste ich spontan los lachen, was mir bei der Bewältigung meiner Angelausrüstung und zwei von drei Stühlen nicht gerade weiterhalf. Natürlich musste ich erst einmal absetzen und mich wieder einkriegen. Der Basti hingegen fing plötzlich an schneller zu laufen, anscheinend fing ihm langsam der Schirm -welchen wir ihm freundlicherweise auf den Rücken geschnallt hatten- zu entgleiten und er versuchte verzweifelt Fahrtwind aufzunehmen, um so mit Hilfe des einsetzenden Luftdrucks den grünen Angelschirm auf dem Rücken zu behalten. Naja...10 Meter...Respekt !
Man mag es kaum glauben, aber auch wir sind schließlich mit sehr sehr langen Armen, mehr oder weniger unversehrt, am Angelplatz angekommen.
Unser ausgewählter Angelplatz lag an der Nördlichen Seitenkante des gut überschaubaren Baggersees. Ausgesucht hatten wir diesen, weil es so ziemlich der einzige Platz war, wo es eine etwas längere, flache Kiesfläche gab. Zu dritt konnte man hier gut sitzen und auch für drei nebeneinander gelegte ISO-Matten war genügend Raum da. Bei der Absteckung unseres Angelgebietes einigte ich mich mit dem Steffen auf ein 1-2-1-2-System, bei dem jeder eine Rute ganz außen und eine mittig besitzen würde. Jeder von uns entschied sich für eine Grund- und eine Posenangel und da wir vor Sonnenuntergang keine Köderfische gefangen hatten, wurden dicke Tauwürmer montiert.
Die nahende Nacht weckte in mir gemischte Gefühle. Einerseits war es ein schöner Sonnenuntergang und wir hatten uns bisher gut unterhalten, was sich sicher in der Dunkelheit auch fortsetzen lassen würde. Anderseits war ich mir sicher, dass wir nicht den leisesten Zupfer bekommen würden, denn in der Fangstatistik 2002 des Vereins tauchte gerade einmal ein einziger Aal auf und von dem wusste ich das er Nachmittags von einem älteren Mitglied gefangen worden war. Des weiteren war ich vor knapp zwei Jahren mit einem anderen Freund schon einmal über Nacht am See gewesen und damals hatten wir auf unsere Köderfische null gefangen. Ja, wenn wir wenigstens Köderfische hätten, da würde mit ganz viel Glück vielleicht noch ein Zander rangehen...
Als die Sonne den Horizont passiert hatte, überzeugte mich jedoch die friedliche Stimmung, dass es ein schönes Erlebnis werden würde, an das man sich später sicher gerne erinnern würde. Langsam legte sich der Schleier der Nacht über die friedliche Wasseroberfläche und unsere Knicklichter schienen immer heller zu werden, bis sie schließlich die hellsten Punkte im Wasser waren.
Als kurz nach Einbruch der Dunkelheit unsere beiden Knicklichter anfingen auf und ab zu wippen, als würden zwei vorsichtige Fische unentschlossen mit den Würmern spielen, war plötzlich unsere gesamte Aufmerksamkeit geweckt und auf die zwei „Glühwürmchen“ gebündelt.
Ich dachte nach.
-Könnten das wirklich Fische sein?
-Nein, sicherlich nicht! Was sollte es den sein? Etwa ein Karpfen, der eine kleine Nachtwanderung unternimmt? Guter Witz – Nächster Witz.
Die leisen Geräusche, ausgelöst durch kleine Wellen die gegen das Ufer prallten, gaben uns die ernüchternde Gewissheit, dass es sich bei den Verursachern der Knicklichtschaukel nicht um Fische handelte.
-Hab ich’s nicht gesagt...Fische, das ich nicht lache...
„Waren nur Wellen, ein leichter Wind hat eingesetzt“, erklärte uns der Steffen, welchen wir nach dieser Aussage zugleich zum „Experten für nächtliche Wellenbewegungen“ ernannten.
Ungefähr ein und halb Stunden nach Sonnenuntergang bewegte sich mein Knicklicht erneut, wieder wippte es leicht auf und ab. Unser Welllologe gab zu bedenken, dass seine grün leuchtende Bissanzeige kerzengrade und ohne jede Regung im Wasser verweilte.
-Fisch?
-Vergiss es.
Mir kam es so vor, als würde sich meine Pose ganz langsam nach rechts bewegen, jedoch konnte ich das in der finsteren Nacht nicht genau erkennen und ich zweifelte ob es nicht einfach nur Einbildung wäre. Plötzlich aber sauste mein Schwimmer nach unten und das Wasser wurde vom Knicklicht erhellt. „Geh ran!!!“, rief mir Basti zu.
-Ahhh, ich sitze neben dir, meine Ohren...
-Es ist ein Fisch. Ein Fisch, Schlag an!!!
Mit erhöhtem Pulsschlag packte ich mir meine Black Dynamic Telerute und setzte den Anhieb. „Ich hab was dran!!!“, „Ich hol den Kescher!“, „Aua!! Das war mein Fuß!“, „Taschenlampe her!“, „Wo ist die???“, „Ich weiß es nicht, du hattest sie doch!“, „Mein Schienbein!“, „Da ist sie und da liegt auch der Kescher“, „Eine Schleie! Es ist eine Schleie!“, „Hier gibt’s doch gar keine Schleien!?“, „Kescher sie endlich!“, „Na also, Petri!“
Da lag sie vor uns. Ihr dunkelgrünes Schuppenkleid glänzte im Schein der Taschenlampe und wir sahen in rote Augen, die wie markelose Rubine im Mondschein funkelten.
Ich war außer mir vor Freude. Haben Sie schon einmal einen Angler um seinen Angelplatz herum einen Regentanz aufführen sehen? Und das ganze um kurz vor Mitternacht? Nein? Dann haben Sie bis jetzt aber was verpasst!
„Jetzt tickt er völlig aus...“, kommentierte Basti.
Zwei Luftsprünge später, nachdem ich wieder, mehr oder weniger auf den Erdboden zurückgekehrt war, stellte ich zugleich fest: „Also Leute, egal was jetzt noch kommt, das Nachtangeln müssen wir wiederholen!“. Natürlich wurde dieser Vorschlag sofort einstimmig angenommen.
Die Stimmung nach dem schönen Fang war ausgelassen und schon voller Vorfreude aufs nächste mal. Selbst die Frösche gratulierten uns mit einem lauten Quakkonzert zum unerwarteten Fang.
Inzwischen hatte ich meinen Haken wieder mit einem dicken Tauwurm beködert und die Posenmontage an ihre vorherige Stelle gebracht, welche ich in meinem Kopf schon längst mit einem roten Textmarker umringelt und mit drei ganz dicken Pfeilen gekennzeichnet hatte.
Zwanzig Minuten vergingen, in denen ich meinen Anglerkollegen noch einmal erklärte, warum diese Schleie so eine unglaubliche Überraschung wäre. Unterdessen bemerkte niemand wie meine Pose wieder leicht zu wackeln begann.
„...die werden mir das nie im Leben glauben, dass ich hier eine Schleie...“
„Dein Schwimmer“, flüsterte mir Steffen zu.
Wieder sprang ich vom Stuhl auf, umklammerte fest den Rutengriff und schlug, völlig auf den Fisch konzentriert an. Diesmal zuckte es ganz gewaltig in der Rutenspitze und die Rollenbremse surrte in die dunkle Nacht hinaus.
Ich glaub ich träume. Das kann doch unmöglich noch eine Schleie sein!
War es auch nicht, den das was uns dann nach kurzem Drill über den Kescher glitt war schwarz wie die Nacht und kämpfte selbst im Netz noch verbissen weiter.
„Ein Aal !!!“
Langsam kam ich ins grübeln, ob wir auch wirklich am richtigen See sitzen würden, denn vor Sonnenuntergang war ich mir noch sicher, dass ich mein Vereinswasser kennen würde. Ich schaute mich um, erblickte jedoch nur vertraute Bäume im dunklen Mantel der Nacht.
Wir versorgten den Aal und setzten uns wieder auf die bequemen Campingstühle. Ich merkte meinem Anglerkollegen an, dass er sich ein bisschen darüber ärgerte, dass bei ihm noch nichts angebissen hatte und versuchte deshalb meine Freude, wenigstens äußerlich in Zaum zu halten. Im Kopf jedoch schlug ich einen Purzelbaum nach dem anderen und überlegte schon wie ich die Fische am nächsten Morgen in die Kamera halten würde.
Unsere Unterhaltung stoppte abrupt als sich plötzlich das Glühwürmchen vom Steffen dazu entschied ein kleines Bad zu genießen. Natürlich stürmte mein Gastangler sofort zu seiner Rute, um einen Anhieb zu setzen, welcher an Grazie nicht mehr zu überbieten war. Haltungsnote: 1
Ein paar spannende Minuten später erhellte sich unser Angelplatz ein weiteres Mal im Schein der Taschenlampe und ein starker Aal fand seinen Weg auf die frische Grüne Wiese hinter unserem Angelplatz. Die schwarzen Wolken lichteten sich und man konnte sich über ein gemeinsames digitales Fangfoto freuen, welches sich auf der nächsten LAN-Party sicher gut zum angeben eigenen würde.
Meine Uhr datierte halb drei Uhr morgens und wir wären sofort eingeschlafen -so hundemüde wie wir waren-, die ISO-Matten waren schon ausgebreitet, hätte da nicht mein kleines Knicklicht noch einmal die Lust auf eine Rutschparty verspürt. Durch unsere mittlerweile gut eingespielte Teamarbeit im Keschern nächtlicher Fischbesucher, gelang es uns, auch den dritten Aal sicher aufs trockene zu befördern.
Zufrieden und völlig erschöpft von den ganzen Drills, krochen wir dann schließlich gegen drei Uhr morgens in unsere Schlafsäcke. Die vielen Steine unter meinem Rücken störten mich kein bisschen. Ich schlief wie auf Wattewolken.
Um Punkt fünf Uhr streckte ich mich mit einem breiten Lächeln dem Sonnenaufgang entgegen. Meine zwei neu gewonnen Nachtangelfreunde schlummerten noch tief und fest vor sich hin, was mir Zeit gab das Erlebnis der vergangenen Nacht noch einmal gedanklich Revue passieren zu lassen.
Meine Güte was war das nur für eine traumhafte Nacht gewesen. Ich hatte ja wirklich mit allem, außer dem gerechnet, jeder 20 pfundiger Karpfen oder 80 Zentimeter Zander wäre für mich eine geringere Überraschung gewesen als diese eine Schleie und die drei Aale. Da denkt man, man kennt einen See gut und dann kommt so ein Hammer.
Gerade als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, klingelte das Aalglöckchen vom Steffen laut in die frühe Morgenstunde hinein. Nach zweimaligen kräftigen Schütteln taumelte dieser in Richtung Grundangel und setzte den Anhieb. Man mag es kaum glauben, aber um fünf Uhr morgens ging uns dann der vierte Aal ins Netz.
Eine klingelnde Aalglocke, ein piepsender Bissanzeiger, das Geräusch einer surrenden Rollenbremse, für einen Angler wahrhaftig die schönste Art morgens geweckt zu werden.
Wir packten unsere sieben Sachen zusammen und zogen guter Laune in Richtung Auto, heiße Badewanne und Bett. Später im Sommer versuchten wir nochmals unser Glück, mit ähnlich schönen Resultaten. Doch über keine der weiteren Schleien konnte ich mich so freuen wie über diese eine, gefangen auf einen dicken Tauwurm, dem ich so stark misstraute.
Natürlich ist diese Geschichte erfunden.