Quelle: Stern vom 26.5.04
Der Nächste bitte: Dr. med. Eckart von Hirschhausen
Neulich bemerkte ich an meinem Auto einen platten Reifen. Ich wollte das einfach reparieren lassen, aber ich dachte mir, jetzt gehst du mal nicht gleich zu dem normalen Automechaniker. Denn ich hatte gehört, es gibt da einen alternativen Automechaniker mit einem antimechanistischen Weltbild. Sozusagen ein Heilpraktiker für Autos. Also schiebe ich den Wagen dahin. Und der Mann hat sich erst mal total viel Zeit genommen für mich. Er hat mir zugehört. Er hat sich den Wagen angeschaut, und dann diagnostizierte er: "Klar, ich könnte jetzt den platten Reifen auswechseln. Aber das wäre ja nur - Symptome beheben. Ich spüre aber, der Wagen ist so einfach nicht im Gleichgewicht."
Akupunktur für die Reifen
So was von sensibel! Der Mann betrachtete das Auto endlich mal ganzheitlich. Und nachdem ich Vorkasse geleistet hatte, fing er an, auf seine Art zu behandeln. Erst einmal die drei anderen Reifen. Mit Akupunktur. So lange, bis der Wagen wieder ganz im Gleichgewicht war.
Nun, es war ein sehr aufmerksamer Mensch, und er merkte, dass mich dieses Verfahren etwas befremdete. Er erklärte mir: Die chinesische Medizin, von der die Methode kommt, unterscheide fünf verschiedene Elemente, und meinem Wagen würde eindeutig eins fehlen: Luft. Wahnsinn, was die vor über 2000 Jahren schon über Autos gewusst haben müssen.
Nach zwei Wochen bin ich wieder hin und wollte den Wagen abholen. Der war aber noch nicht so weit. Paul, inzwischen waren wir beim Du, erklärte: "Tja, das ist ein Prozess, den kann man auch nicht beliebig beschleunigen."
Nach einem Monat bin ich dann wieder hin und wurde richtig wütend. Paul blieb gelassen und empfahl mir nur, ich solle doch erst mal bei mir selber schauen, woher diese Ungeduld in mir kommt.
Da steckt eine Botschaft drin
Na ja, so nach einem halben Jahr waren wir dann richtige Freunde geworden. Das Auto hatte ich schon längst abgeschrieben und gemerkt, es geht fast immer auch ohne. Und dann, eines Tages, legte Paul mir die Hand auf die Schulter, nahm mich beiseite und sagte, jetzt sei ich wohl so weit, dass er mit mir noch eine tiefere Ebene anschauen könne. Es ist ja kein Zufall, welches Teil bei einem kaputtgeht. Da steckt ja auch immer eine Botschaft drin, die Krankheit als Weg, eine persönliche Aufgabe für mich. Und ich solle doch mal überlegen, warum dieses Teil, was mir kaputtging, so doppeldeutig heißt, wie es heißt: Reifen.
Der Opel Mantra
Seitdem bin ich in einem intensiven Prozess des persönlichen Reifens. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden. Ein Freund von mir hat jetzt angefangen mit Zen-Meditation. Keine Ahnung, was der da genau macht. Ich denke, es ist für ihn auf alle Fälle besser als rumsitzen und nichts tun! Ich weiß nur, die machen sehr viel über Konzentration. Zum Beispiel Bogenschießen. Extrem mentale Disziplin: Bogenschießen. Geradeaus ist ja schon schwer. Aber für Männer auf dem spirituellen Weg muss es doch noch anderes geben. Ich ging also wieder zu meinem Automechaniker, und unter dem Siegel der Verschwiegenheit offenbarte Paul mir seine Vision: Zusammen mit einem großen Autokonzern möchte er ein ganz neues Auto für den esoterischen Konsumenten entwerfen: den Opel Mantra.
Der hat die revolutionäre, oder besser gesagt, wiederentdeckte Pyramidenform. Die Sitze sind im Kreis angeordnet. Das heißt: Alle, die mitfahren, bestimmen die Richtung gemeinsam. Serienmäßig mit drittem Scheinwerfer, Räucherstäbchenanzünder und statt Hupe eine tibetische Klangschale. Die Türen öffnen sich nach innen - und das ist wohl auch symbolisch zu verstehen. Die technischen Daten: Die Dualität des Antriebs ist aufgehoben. Konkret: Es gibt nur einen Gang. So macht der Motor die ganze Zeit ein sehr meditatives Fahrgeräusch: Ommm. Spitzengeschwindigkeit: zwölf Stundenkilometer. Aber das muss man im Einklang sehen mit der Philosophie, die hinter dem Wagen steckt und die da lautet: Der Weg ist das Ziel.
Dr. med. Eckart von Hirschhausen