Ich denke es wird mal wieder Zeit für eine Geschichte, der Thread "Was trinkt ihr beim Angeln?" brachte mich drauf, aber das nur am Rande.
Wie sicher viele wissen war zu DDR-Zeiten der Aufenthalt am Strand der Ostsee nach Sonnenuntergang so eine Sache, die Geschichte "Brandungsangeln das erste mal" deutete das ja schon an.
Also wie dort schon beschrieben, nach Sonnenuntergang verwandelte sich der Strand der Ostsee in ein Grenzgebiet, in welchen dann auch Grenzstreifen patroullierten. Eigentlich war dann auch der Aufenthalt am Strand verboten. Das war aber den Fischen völlig egal, sie bissen trotzdem hauptsächlich bei Dunkelheit. In den letzten paar Jahren der DDR lockerte man die Bestimmungen ein klein wenig, so durfte man, falls man in Besitz der Nachtangelgenehmigung des Verbandes war in bestimmten Zonen immerhin drei Stunden nach Sonnenuntergang fischen, drei Stunden sind aber schnell vorbei und verschieben den Konflikt nur ein wenig nach hinten, was sollte man also tun? Man musste sich arrangieren so gut es eben ging.
Die Grenzstreifen die da liefen waren ja meist ganz normale Leute, meist Wehrpflichtige, oftmals auch selbst Angler also keine schießwütigen Gesellen oder Sonstiges, sich auch der Unsinnigkeit ihres dienstlichen Auftrages gewiss.
Meist gab es mit ihnen keinerlei Probleme am Strand, solange man sich unauffällig benahm, sein Auto ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abstellte und keine zu großen Lichtorgien am Strand veranstaltete.
Die Jungs waren manchmal sogar recht nützlich, da sie durch ihre Strandlatscherei ein ganzes Ende herumkamen und manchmal "angelnachrichtendienstlichen" Tätigkeiten nachgingen, so wußte man oftmals was die Kollegen ein Ende weiter schon so gefangen oder nicht gefangen hatten.
An manchen Stränden war aber 22 Uhr eine kritische Zeit, da war Wachwechsel und manchmal kam eine Offiziersstreife.
Einer Offiziersstreife sollte man nun aber nicht unbedingt begegnen, zum einen waren die wesentlich weniger entspannt als die Wachposten, zum anderen bekamen diese oft Ärger, weil ihre Wachzone ja nicht frei war, so wie sie es eigentlich sein sollte. Da war es besser sich nach den Anweisungen der Jungs zu richten und das Feld zu räumen, denn man wollte ja schließlich noch öfter mal ein wenig die Angelzeit überziehen und verärgerte Wachposten merkten sich das sehr wohl und konnten beim nächsten mal ziemlich sauer reagieren, wenn ihnen ein bekanntes Gesicht am Strand auffiel.
Manchmal insbesondere in Stadtgebieten reichte es völlig sich vom Strand bis auf den Promenadenweg zurück zu ziehen, dieser war nicht Grenzbegiet und nach dem Wachwechsel wieder runter an den Strand zu gehen, auf die Idee kam ich nicht etwa allein, sie stammte von den Posten höchstselbst.
Manchen fehlte aber in dieser Beziehung etwas das nötige Feingefühl.
Jedenfalls war es mal wieder Samstagabend, ich bezog "mein " Buhnenfeld am Strand von Kühlungsborn - West auf Höhe des Kindergartens, welcher den hübschen Namen "Pittiplatsch" trug, im Nachbarbuhnenfeld schlug eine fünfköpfige Truppe auf und begann ebenfalls zu angeln. Nun war es recht frisch an dem Abend, man könnte auch getrost sagen es war saukalt.
Bei Kälte helfen ja warme Klamotten, manche meinen aber, daß hochprozentige Getränke den Mangel an warmer Bekleidung kompensieren können. So kreiste also nebenan ein Fläschchen nach dem anderen, man konnte die Stimmung als recht gelöst betrachten, nur einer machte nicht mit, warscheinlich der Kraftfahrer.
Irgendwann am Abend es war noch recht früh kam dann so eine Grenzstreife vorbei, nebenan war aber nun schon so ein gewisser Stimmungshöhepunkt erreicht, die Hemmungen waren entfleucht, was lag also näher ,als nicht die Soldaten der Grenzstreife ein wenig, wie heißt es hier so schon, "voll zu lappen".
"Guck dir mal den Tagesack an, der geht ja ganz schief, der hat bestimmt die Kabeltrommel mit seinen ganzen Tagen in der Hosentasche".
"Die beiden zusammen haben noch mehr Tage zu dienen, als ich Haare auf dem Kopp hab" u.s.w u.s.w..........
Die Posten hatten sich das Ganze eine Weile angehört, aber irgendwann war es ihnen zu viel, sie verwiesen die zwei "Wortführer" vom Strand, bei denen hatte aber das Getränk "Juwel - Klarer"(auch blaue Welle oder blauer Würger genannt) nicht gerade für geistige Klarheit gesorgt, sie lamentierten herum und begannen die Posten nach allen Regeln der Kunst zu beschimpfen.
Plötzlich riss einer der Posten seine Maschinenpistole herunter, ich war geschockt!
Das Schloss der Kalaschnikow klickte, allerdings etwas eigenartig, der Posten hatte die Waffe nicht durchgerissen sondern nur das Visier hochgeklappt und das Schloß bis zum Sicherungshebel durchgezogen, dann losgelassen und das Visier runterklappen lassen, ich kannte den Trick, hatten wir doch so immer die Postenkontrolle erschreckt während meiner Armeezeit, das klingt fast wie echt, aber eben nur fast!
Dann klangen harte Befehle durch die Nacht, die beiden schlagartig Ernüchterten, mit den Händen hinter dem Kopf gefolgt von den Wachposten, die Waffe im Anschlag zogen an mir vorbei, der hintere der beiden Posten grinste von einem Ohr zum anderen.
Die anderen Drei waren so fertig, daß sie das Angeln vergaßen, auch das Trinken, sie saßen nur stumm auf den Buhnenpfählen.
Ehrlich gesagt so ganz wohl war mir auch nicht, ich angelte zwar weiter aber die Stimmung war irgendwie im Eimer , wie man so schön sagt.
Es wurde immer später und schließlich war es kurz vor 22 Uhr, ich packte vorsichtshalber mein Zeug zusammen, da konnte man gegen das fahle Mondlicht die Umrisse von vier Personen ausmachen, zwei hatten die Hände hinter dem Kopf.
Der unheimliche Wandertrupp erreichte das Buhnenfeld nebenan, die beiden Posten bleiben plötzlich zurück, schulterten ihre Waffen und gingen leise in der Gegenrichtung davon, während die anderen Beiden, schaufend und prustend, die Hände hinter dem Kopf weitermarschierten, völlig fertig vom zweistündigen Laufen mit unbequemen Klamotten im losen Sand.
Die beiden zogen an mir vorbei, ich überlegte, sagste was oder sagste nix, ich sagte dann doch lieber was, in etwas so: "Ich glaub ihr könnt jetzt aufhören, die sind weg".
Die Beiden blieben stehen und drehten sich um, ihre Kameraden hatten zwischenzeitlich schon alles eingepackt, wortlos verschwand man vom Strand, hinten in der Düne sah ich eine Zigarette aufglühen und leises Gelächter, es waren die beiden Posten.