Im frühen Morgengrauen piept das kleine elektronische Mistding, genannt Wecker. Man quält sich mit halboffenen Augen aus dem Bett, das einen eigentlich gar nicht loslassen möchte. Anschließend schleppt man sich vom Bad in die Küche, macht Kaffee, in der Hoffnung es möge endlich Leben in den Körper kommen und schmiert sich ein Frühstücksbrot. Wider Erwarten kommt man doch in Wallung und belädt die Familienkutsche mit den am Vorabend sorgsam zusammengesuchten Angelgeräten, Taschen, Kescher, Ruten, Schirm, Stuhl und was weiß ich nicht noch alles…
Leider meint es auch an diesem Tag St. Petrus nicht gut mit seinem getreuen Jünger. Es regnet nicht, nein es gießt aus vollen Eimern! Der tagelang vorbereitete Angelplatz ist von einem nassauernden Kollegen besetzt und die Köder liegen auch noch in der Garage. - Pfui, böse Gedanken!
Sicherlich gibt es solche Tage, die nach den Gesetzen des Murphy verlaufen, aber die sind doch Gottlob die Ausnahme.
Egal wie früh der Wecker auch klingelt, wir sind aus dem Bett wie der Blitz. Und wach sind wir, wie man es sich um diese Stunde niemand vorstellen kann. In Rekordzeit ist alles gemacht, man sitzt im Auto und ist beinahe schon am Wasser. Mit dieser Tempoleistung hätte man bei der Feuerwehr längst Ruhm und Ehre erworben. Das hat natürlich alles seinen Grund. Es geht zum Angeln! Weg vom Alltag, weg von allen großen und kleinen Problemen. Wer das nicht selbst erlebt hat, der wird’s auch schwer, oder gar nicht verstehen.
Es ist für mich nicht unbedingt nur der mehr, oder weniger gezielte Fang eines Fisches. Das Gefühl kann man schwer beschreiben, wenn man so alleine für sich mitten in der Natur sitzt.
Der Morgennebel lüftet sich ganz langsam und die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die Äste der Erlen, die hinter mir das Ufer des Altwassers säumen. Die Vögel sind ja schon lange auf den Beinen und untermalen diesen herrlichen Eindruck mit ihrem Gesang. Das Wasser erinnert an einen dampfenden Teller Suppe. Gar nicht so einfach, in diesem Dunst die Posenantenne zu beobachten. Mit der steigenden Sonne fangen nun auch die Tautropfen im Gras und auf den Schilfhalmen an zu glitzern, wie Milliarden von Diamanten. Schräg gegenüber ist auch die Stockentenmutter mit ihrem Nachwuchs erwacht. Auf einem ins Wasser reichenden Baumstamm, den vermutlich der letzte Herbststurm gelegt hat, geben sie sich der ausgiebigen Federpflege hin. Etwas neben mir kriecht eine ziemlich nachtkalte Erdkröte in Richtung ihres Unterschlupfes, wo sie den Tag verschlafen wird.
Plötzlich wird meine Ruhe und die erbauliche Betrachtung der prallen Natur gestört. Ganz sachte kommt Leben in die dünne Spitze meiner Pose. Wer sich da unten in der trüben Dunkelheit wohl für meinen Wurm interessieren mag? Der Schwimmer wandert etwas hin und etwas her, fängt kurz an zu hoppeln, um nach schier endlosen Sekunden, oder waren es doch schon Minuten, langsam in der Tiefe zu verschwinden.
Ich nehme meine Rute auf und setze einen sanften Anhieb. Jetzt hat der Fisch gemerkt, dass die Sache einen Haken hatte. Nach kurzem Hin und Her gleitet eine bildschöne Karausche über den Kescherrand. Sie ist kein Riese, aber mit gut 30 cm ein ansprechender Fisch, der aussieht, als sei er aus gediegenem Gold geschmiedet. So kann der frühe Morgen gerne weitergehen!
Nur wer solche Stunden der vollkommenen Entspannung am eigenen Leib erfahren hat, der weiß warum sich Angler das alles antun.