Geneigter Leser,
wenn Du diese Geschichte gelesen hast, dann wirst Du mich nicht nur verstehen, sondern Du wirst Dein Umfeld hoffentlich mit anderen Augen betrachten! Betrachte es als gutgemeinte Warnung eines besorgten Anglerkollegen!
Glaube mir, nichts ist seitdem mehr so, wie es vorher war, denn seit letztem Samstag mache ich nach dem, im folgendem geschildertem, traumatischem Erlebnis, einen großen Bogen um alle Getränke und Nahrungsmittel, die offen zugänglich in der Gegend herumstehen!
Letzten Samstag, mich schaudert noch immer wenn ich mich an das Erlebte zurück erinnere, lag ich an unserem traumhaften Voralpensee auf meiner Karpfenliege.
Es war ein angenehm warmer Tag und ich hatte den Schatten eines kleinen Baumes als Liegeplatz ausgewählt.
Alle Anzeichen deuteten auf absolute und dringend notwendige Erholung.
Die Vögel in den Bäumen sorgten kostenlos für eine musikalische Geräuschkulisse.
Die Rutenspitzen wiesen waagrecht hinaus in den See und deuteten wie Wegweiser für vorbeischwimmende Karpfen auf die von mir sorgfältig angefütterte Stelle.
Die Bissanzeiger warteten aufmerksam auf ihren Einsatz, die Karpfenmatte zum abködern der Riesen lag bereit.
Der einzige Umstand der mein Glück etwas trübte war der, dass ich die Kühltasche mit den Getränken im Kofferraum vergessen hatte - und der Weg dorthin war weit, - sehr weit!
Da sich die Karpfen scheinbar nicht sofort auf meine beköderten Montagen stürzen wollten, obwohl ich der Meinung war dass der ganzen See nichts leckereres als die angebotenen Boilies mit Bananengeschmack zu bieten hatte, nutzte ich die Zeit meinen Gedanken nachzuhängen und die Augen durch schließen der Lider etwas zu schonen.
Nach einiger Zeit, ich war wohl eingeschlafen, wurde es mir doch etwas zu heiß, da die Sonne auf ihrem Weg über das Firmament um den Baum herumgeschlichen und den Schatten zur Seite gedrängt hatte. Gnadenlos hatte sie meinen ungeschützten, schlafenden Körper ausgetrocknet.
Ich hatte Durst - quälenden Durst! Der Gedanke an die gekühlten Getränke im Auto machte mich schier wahnsinnig. Wie konnte ich auch nur das Wichtigste, die lebensrettende Kühlbox, im Kofferraum vergessen!
Ich spielte bereits mit dem Gedanken, den See zu meinem persönlichen Trinkwasserreservoir zu erklären, - da fiel mein Blick auf ein paar Bierdosen, die ein paar Meter links von mir am Uferbereich in dem seichten Wasser standen.
Da sie mir vorher nicht aufgefallen waren, blickte ich absichernd in die Runde, ob sich nicht irgendwo der Eigentümer aufhalten würde, - sah jedoch keine Menschenseele.
Ich näherte mich scheinbar gleichmütig den Dosen und erkannte, dass sie noch nicht geöffnet waren. Ich nahm vorsichtig eine davon aus dem Wasser, stellte fest dass das Haltbarkeitsdatum noch Monate gültig war und öffnete daraufhin den kühlen Behälter.
Nachdem ich daran gerochen hatte und mir der unbeschreiblich angenehme Duft von frischem, herben Bier entgegenflog, trank ich die Bierdose in einem Zug aus.
Es war wie Weihnachten und Geburtstag an einem Tag.
Da der Durst allerdings noch nicht ganz gelöscht war, entschied ich mich dafür, noch ein Bier herauszufischen.
Diesmal griff ich beherzt zu und schnappte mir die am leichtesten erreichbare, oben liegende, Bierdose.
Jedoch in dem Moment, als sich meine Hand um die Dose geschlossen hatte, bemerkte ich mit ungläubigem Entsetzen, daß sie mit meiner Haut scheinbar verschmolzen war. Ich wollte sie fallen lassen, schüttelte in aufkommender Panik meine Hand, aber irgendwie klebte das Teil felsenfest.
Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Arm! Eine erbarmungslose Gewalt riß mich von den Beinen, schleifte mich über den seichten Ufersaum ins Wasser und zog mich mit irrsinniger Geschwindigkeit in die Tiefe! Ich wusste nicht wie mir geschah! Ich hatte keine Möglichkeit zur Gegenwehr! Zu dieser Situation hatte ich kein passendes Verhaltensmuster parat, da ich noch nie von jemandem gehört hatte dem ähnliches wiederfahren ist.
Unvermittelt hart kam ich am Grund des Sees an. Das Wasser in meinen Augen verzerrte meine Sehfähigkeit. Meine Lunge brannte wie Feuer und der Sauerstoffmangel wollte mir fast die Sinne rauben.
Ich spürte flossenähnliche Greifwerkzeuge, die mich am Grund fixierten, die Bierdose von der Hand entfernten, mich vermaßen und wogen.
Als ich dann ein knüppelähnliches Werkzeug in Kopfnähe bemerkte, wusste ich, warum bisher keiner von diesem Erlebnis erzählen konnte!
Ich entlies die letzten Luftreserven meiner Lunge mit einem Entsetzensschrei, bäumte mich mit meiner verbliebenen Kraft auf und ...
- stürzte hart auf den steinigen Untergrund neben meiner Karpfenliege, während mein verhallender Entsetzensschrei die Vögel zum schweigen brachte.
Eine Gruppe Jugendliche, die sich mittlerweile ein Stück weit entfernt niedergelassen hatte brach in schallendes Gelächter aus, jedoch nahm ich es gar nicht richtig wahr.
Ich blickte gehetzt um mich. Alles war wie zuvor. Liege, Ruten, Bissanzeiger - alles ok.
Lediglich die Sonne hatte wirklich meine Liege erfasst und mich quälte, wieder in der Realität angekommen, dieser elende Durst.
Ich entschloß mich, meine sieben Sachen zu packen und für heute das Angeln zu beenden.
Der Schrecken des Traumes wich der Vorfreude an die bevorstehenden kühlen Getränke.
Ich blickte noch einmal um mich, ob ich auch nichts vergessen habe - da durchfuhr es mich bis ins tiefste Mark meiner Seele. Der verblassende Schrecken der letzten Minuten nahm wieder den gesamten Raum meines Denkens ein.
Links von meiner Angelstelle, im seichten Wasser, da standen sie plötzlich wirklich diese teuflischen Bierdosen, die einen nichtsahnenden Angler ins Verderben stürzen würden.
Sollte dies etwa eine sorgfältig angefütterte Stelle sein? Mich packte das nackte Grauen!
Ich rannte los in aufkommender Panik, jedoch nicht ohne die Jugendlichen bezüglich der Bierdosen zu warnen.
Oh mein Gott - sie glaubten mir kein Wort! Sie rollten sich im jugendlichen Leichtsinn vor Lachen auf dem Boden!
Ich kann nur hoffen, dass sie die Bierdosen nicht gefunden haben!
Grüße aus München,
Peter