Übrigens gibt es dazu mehrere wissenschaftliche Untersuchungen. Deren ziemlich plausibles Resultat unterm Strich: Bei hohem Befischungsdruck sind Naturköder besser, bei geringem Befischungsdruck verhält es sich umgekehrt. Ist aber das Gewässer hinreichend groß, gibt es dort zwar Stellen, speziell die Randzone, welche zuverlässig immer starkem Befischungsdruck ausgesetzt sind, jedoch auch solche, wo das kaum oder gar nicht nicht der Fall ist.
Außerdem ist Kunstköder nicht gleich Kunstköder. Sicher hat man schlechte Karten, wenn man in der Uferzone eines stark befischten Gewässern mit den Ködertypen fischt, die die Mehrheit verwendet. Aber ganz anders schaut die Sache aus, wenn man an solchen Stellen etwa mit einem möglichst naturgetreuen, eher unauffällig gefärbten Swimbait mit eher sparsamer Aktion aus Weichplastik fischt. Darauf fallen sie nämlich auch dann noch herein, wenn sie auf einen Mepps und dergleichen schon lange nicht mehr hereinfallen.
Wer in stark befischten Gewässern an den "Vorzugsstellen" der großen Mehrheit mit Kunstködern angeln will, sollte sich möglichst genau angucken, was besagte Mehrheit eigentlich so fischt. Um genau das dann nicht zu fischen, sondern etwas, das keinerlei oder jedenfalls nur wenig Ähnlichkeit damit hat in Bezug auf Optik, Laufverhalten und auch Größe. Wenn erst jeder Zweite einen "Real Eel" in der Box hat, wird der ganz schnell eine Lusche werden. Denn die Modeköder von heute sind zuverlässig die Mepps 3 von morgen. Da kann man fast schon die Uhr nach stellen.
Zum Beispiel sind die Fangergebnisse (auf Hecht) mit Minnows heute lange nicht mehr so überwältigend gut an diversen Gewässern, wie das der Fall war, als hierzulande noch kaum einer wusste, was ein Minnow überhaupt ist. Dazwischen liegen etliche Jahre, jetzt sind das bloß noch Durchschnittsköder. Man könnte hier wie in anderen Fällen auch dieses Zitat bringen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben."
Und besonders anfällig gegen Überfischung sind Hardbaits. Man muss nur einmal gesehen haben, wie an stark befischten Stellen selbst schon kleinere Viecher einem solchen Bait folgen, ihn kurz mit der Schnauze antippen, um die Konsistenz zu prüfen, und dann in aller Seelenruhe abdrehen, weil sie sich eben nicht mehr vergackeiern lassen von dem Schwindel, der ihnen täglich um die Ohren fliegt.
Ganz so dämlich, wie Manche glauben, sind die Viecher nämlich nicht. Diejenigen, die den üblichen Abschlagorgien entgingen, sind durchaus clever - je höher der Befischungsdruck, desto mehr. Solche durch allerlei schlechte Erfahrungen gewitzten Exemplare mit Kunstködern zu fangen, ist nicht leicht. Es geht zwar, aber dazu muss man einiges anders machen als der Rest der Veranstaltung, nicht bloß in Bezug auf die Köderwahl. Und bisweilen wird man sich dann wundern, was auch an stark befischten Stellen stehen kann an Großen und sogar Kapitalen, von denen jene, die den immer gleichen Stiefel herunter fischen, gar nicht mitkriegen, dass sie da überhaupt stehen. Denn die fallen eben nicht mehr herein auf das, was ihnen täglich präsentiert wird.
Gibt ein Gewässer, wo ich jahrelang immer wieder an einer gewissen Stelle fischte, ohne auch nur einen blassen Schimmer davon zu haben, dass da zuzeiten immer mal wieder ein Kapitaler steht. Der Zufall machte es, um der Wahrheit die Ehre zu geben, dass ich es eines Tages schnallte. Und danach wurde auch ziemlich bald klar, warum die sich dort hinstellen, sogar unter hohem Befischungsdruck. Nur kann man da alles vergessen, was man so für richtig hielt bis dahin. Mit den gewässerüblichen 08/15-Methoden kriegt man sie nicht, das ist völlig chancenlos. Denn die kennen sie alle auswendig. Aber wenn man kapiert hat, wie (und wann) man sie kriegen kann, dauert der Angeltag keine drei Würfe. Und dennoch kriegt man dann einen gehörigen Respekt vor diesen Viechern, denn dämlich sind die weiß Gott nicht. Sonst wären sie auch nicht so alt geworden in einem solchen, für jedermann mit Fischereischein zugänglichen Gewässer samt dem sattsam bekannten, notorischen Quantum an Abschlag- und Tiefkühltruhenexperten anbei.
Hoher Befischungsdruck macht was mit einem Gewässer. Er verändert es, denn er wird mit der Zeit sozusagen zu einer Eigenschaft des Gewässers selbst. Die Natur passt sich daran an, wie sie es immer getan hat, und zwar schneller, als man denken mag. Auf einen kleinen Tümpel von wenigen Hektar mehrere hundert Angler pro Saison loszulassen, kann gar nicht funktionieren. Ein solches Gewässer ist so hoffnungslos überlastet, Lichtjahre jenseits jeder natürlichen Regenerationskapazität, dass es schon fast zum Gotterbarmen ist. Wie man das überhaupt ignorieren kann mit zwei fest zugekniffenen Augen, das allerdings ist schon ein wahres Meisterwerk an virtuoser Verdrängungskunst.