Natürlich mache ich auch immer noch Käufe, die ich mir genauso gut hätte sparen können. Aber ein bisschen was an Geldausgabe, die sich hinterher als Flopp erweist, ist weder ganz vermeidbar noch nur negativ. Denn hin und wieder gibt es auch eine positive Überraschung. Und: In Maßen kleine, kontrolliertere Experimente zu machen, ist gut, denn sonst stagniert man. Dass man dabei auch mal daneben greift, liegt in der Natur der Sache, sonst wäre es ja kein Experiment.
In der Regel weiß ich aber, bevor ich überhaupt in den Laden oder ins Internet gehe, was ich zu welchem Zweck haben möchte. Denn was ich kaufen will, ergibt sich aus bestimmten Problemen, die ich am Wasser habe. Natürlich weiß man selten ganz genau, was die richtige Antwort ist, weil man von einer Annahme ausgeht, die sich erst hinterher als richtig oder falsch erweisen wird. Aber jedenfalls hat man eine Vorstellung davon, welche Eigenschaften der neue Bait haben sollte. Und je genauer man das weiß, um so besser.
Was ich allerdings nicht mehr mache: Ohne jede Idee, warum ich etwas kaufen will, loszurennen. Daraus kommen nämlich die Art von Käufen, die die Hobbykasse ruinieren können. Und nebenbei: Bisweilen liegt die Lösung für ein bestimmtes Problem im eigenen Keller in Gestalt abgelegter, sogenannter "Luschen", die nicht gleich fingen und darum im hintersten Winkel des Kartoffelkellers verschwanden, um jahrelang vor sich hin zu stauben.
Lohnt sich, auch da nachzugucken ab und an. Zum Beispiel lagen bei mir viele Jahre Spinnerbaits in der Schmuddelecke. Brachten nicht gleich was, also Mist. Bis ich dann doch mal wieder einen hervorkramte und mitnahm. Und ihn schließlich eher lustlos dranhängte, nachdem überhaupt nichts laufen wollte, und einen feinen Fang in Gestalt eines 48er Barsches damit machte. Danach erst war mein Interesse geweckt und ich fing nach und nach an, mich mit den Dingern zu beschäftigen. Heute sind das keine Karteileichen mehr, sondern ein fester Bestandteil in meinem Repertoire. Denn inzwischen habe ich einigermaßen gelernt, die Dinger dann einzusetzen, wenn gute Aussicht auf Erfolg besteht damit. Was natürlich nicht ín jeder x-belieben Lage so ist, denn es gibt keinen einzigen Bait oder Baittyp, der immer und überall und unter allen Umständen die erste Wahl ist, nicht einen.
Man kann grundsätzlich zwei Fehler machen in der "Köderfrage". Der Eine: völlig wahllos und unüberlegt draufloskaufen. Der Andere: zu glauben, dass eh alles wurscht sei und einer so gut oder schlecht wie der andere. Dem ist auch wieder nicht so, es gibt durchaus Unterschiede, die sich auszahlen bezüglich der Fänge. Allerdings ist das nicht immer bloß vom Preis abhängig. Kunstköder sind Werkzeuge, das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Und wie alle Werkzeuge sind sie für bestimmte Zwecke gemacht, auf die sie passen und für die sie optimiert sind. Welche Zwecke das sind, lässt sich an ihren Eigenschaften ablesen.
Und was es noch gibt, sind qualitative Unterschiede bezüglich Langlebigkeit und Robustheit. Oft, wenn auch nicht immer, ist das eine Funktion des Preises. Das mag eher wurscht sein, wenn man bloß alle Jubeljahre einmal mit den Dingern fischt. Aber es fängt an, eine andere Bedeutung zu bekommen, wenn man sehr viel damit fischt. Denn dann rechnet sich eine gute Qualität unterm Strich. Zu billig gekauft, wird nicht selten teurer unter solchen Umständen.
Ein Beispiel unter etlichen möglichen: Die Crankbaits der Firma Wolfscreek kosten ein kleines Vermögen. Erster Gedanke: Geht's noch? Dass sie ziemlich gut ausschauen, ist nicht wesentlich. Wesentlich ist, dass diese Dinger erstens natürlich fangen - aber das tun andere Crankbaits auch, und zweitens und hauptsächlich viele Jahre halten selbst bei starker Beanspruchung - und das kann man längst nicht von allen anderen Produkten sagen. Völlig wurscht ist das, wenn man dreimal im Jahr Crankbaits fischt und ein Hechtlein darauf fängt. Aber ganz und gar nicht mehr wurscht wird es, wenn man es dreißigmal macht und dabei mehr ein als bloß ein Hechtlein erwischt. Rechnet man das auf einige Jahre hoch - solange halten die Dinger locker und die dicke Expoxidschutzschicht lässt sich leicht ausbessern -, ist der Preis keineswegs mehr so irrsinnig, wie er zunächst schien.
Nicht Unmengen zu kaufen, sondern stattdessen lieber weniger, aber das von guter bis sehr guter Qualität, ist nicht die schlechteste Methode. Und das gilt nicht bloß für die Baits, das gilt auch für den restlichen Kram. Die modernen Kunstköder sind nicht einfach nur ein Verkaufsargument und sonst gar nichts. Das sind sie natürlich auch, denn in unserem System muss nun mal der Rubel rollen, sonst kommt der Laden ins Stocken und wird krisenanfällig. Das zu sagen, ist banal, denn das war niemals anders. Aber es gibt darunter Einiges, was tatsächlich zählbare Resultate bringt am Wasser. Die Schwierigkeit besteht darin, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber mit ein bisschen Erfahrung und dem Gebrauch des eigenen Verstandes ist das durchaus möglich, wenn auch sicher nicht hundertprozentig.
Jedenfalls aber möchte ich ums Verrecken nicht mehr zurück in jene Zeiten, als in den Auslagen der Händler - ich erinnere mich noch gut daran - ein paar Blinker und Spinner lagen, und wenn's hoch kam, auch noch ein, zwei "Wobbler" mit geradezu unterirdisch miserablen Wurfeigenschaften. Nostalgie ist schön und gut, aber irgendwo hört's damit auch mal auf, weil es einfach unsinnig wird. Und wenn's was Gutes gibt an der "Globalisierung", dann sicherlich, dass die jahrzehntelang stagnierend vor sich in wesende und von allen internationalen Entwicklungen weitgehend abgeschottete deutsche Angelszene dadurch ein paar frische Impulse aus anderer Herren Länder bekommen hat. So hat man mehr Luft gekriegt zum Atmen, und das ist gut so. Es lebe die Vielfalt! Da findet auch die tradierte Angelei ihren Platz, nur eben nicht mehr in der alles dominierenden Lage, sondern bloß noch als eine Möglichkeit neben anderen.